Gürtel abziehen, Schlüssel aus der Hosentasche, Geldbeutel und Handy aufs Band. Passagierkontrolle muss sein, die Frau von der Sicherheit streift mit Einmalhandschuhen sogar über die Handflächen und hält den Abstrich ins Messgerät – Sprengstofftest. Dass man nur einen Sonntagsausflug macht, kann sie ja nicht wissen. Und wer spät dran ist, weil er noch im Duty Free Shop einkaufen war, wird sogar namentlich per Lautsprecher aus- und ans Gate gerufen. Als warte bereit zum Abheben ein vollbesetzter Flieger.
In zehn Minuten ist Abflug? Nein, Abfahrt!
In zehn Minuten ist Abflug nach Paris, für Mailand läuft das Boarding, danach kommen die Flüge nach Frankfurt, Hamburg, Istanbul. Aber auf die Verspäteten wartet kein Flugzeug – sondern Kurt Krieg. Er lässt sich die Bordkarte zeigen, dann geht's in den Bus. Willkommen am Albrecht-Dürer-Airport Nürnberg, auf zur Flughafen-Tour.
Seit einem Jahr können alle, die gerne reisen, gerade aber keinen Urlaub haben oder nicht das nötige Kleingeld für das Ticket, das Fernweh ein wenig bei der Vorfeldrundfahrt stillen. An jedem ersten und dritten Sonntag im Monat bietet der Flughafen Besuchern an, ohne gültiges Flugticket dem Flugbetrieb ganz nahe zu kommen – mit einer Bordkarte für den Flughafenbus.
Kurt Krieg erzählt, was auf dem Rollfeld passiert
Und dann geht's eine gute Stunde über den teuersten Parkplatz in Nürnberg. Hier 60 Minuten zu stehen – das kann für das Flugzeug schon mal ein paar Hundert Euro kosten, erzählt Kurt Krieg im Bus. Der gebürtige Unterfranke war selbst 17 Jahre lang Steward bei der Lufthansa, betreibt heute ein Kreuzfahrt-Reisebüro in Nürnberg – und macht Flughafenführungen aus Passion. „Achtung, da kommen 45 000 PS auf uns zugerollt“, ruft Krieg ins Busmikro. Und erzählt dann, dass das typische Verkehrsflugzeug mit 55 000 PS unterwegs ist und damit „schneller beschleunigt als ein leerer Formel 1-Wagen“.
Die Ausflügler auf dem 230 000 Quadratmeter großen Rollfeld können's eben sehen: Die Maschine nach Mailand zuckelt auf die Startbahn, wird schnell und schneller, stellt sich schräg – und ist schon in der Luft und weg. „Unser leckerstes Fahrzeug“ sagt Kurt Krieg und zeigt auf ein Gefährt, das vor einer vorhin gelandeten Maschine steht. „Das pumpt die Toiletten ab.“ Mit 850 Euro verbucht die Flughafen Nürnberg GmbH das Ent- und Beladen, Toilettenleeren und Saubermachen am Terminal. Manche Fluggesellschaften sparen und lassen den Flieger nicht ans Terminal rollen, sondern für 700 Euro irgendwo auf dem Vorfeld bepacken und reinigen. Vorne Koffer raus, hinten Essen rein.
Arbeitsplatz für 3500 Menschen
„Sobald die Bremsklötze dran sind, ist es für die Besatzung keine Arbeitszeit mehr“, sagt Krieg. „Deshalb schaut die Crew auch immer, dass Passagiere schnell draußen sind.“ Er ist selbst lange genug geflogen, um zu wissen, wie die Gepflogenheiten sind. Draußen werden gerade Koffer gewuchtet und Kisten geschleppt.
„Loader, das ist ein Knochenjob“, sagt Krieg. „Die haben bis zu drei Tonnen am Tag zu heben.“ 3500 Menschen arbeiten am Flughafen Nürnberg. „Wir haben 150 Berufe, vom Arzt bis zum Zimmermädchen.“
Vorbei am Tower aus dem Jahr 1955. Damals war „rechts die Wirtschaft, da gab es Bratwurst mit Kraut“. Links ging zwei-, dreimal am Tag ein Flug. „Heute haben wir 80 Flüge und mehr als 12 000 Passagiere am Tag.“
Die Feuerwehr und ihr Fuhrpark
Der Bus fährt eine Kurve und an großen Garagen vorbei. „Was macht Tatütata, aber ist nicht grün?“, fragt Kurt Krieg die kleinen Rundfahrtteilnehmer. 70 Mitarbeiter und 17 Einsatzfahrzeuge zählt die Flughafenfeuerwehr. „Innerhalb von zwei Minuten muss sie jede Ecke des Airports erreichen.“ Zum Fuhrpark gehören auch drei spezielle Löschfahrzeuge fürs Flugfeld – mit 1000 PS und 12 500 Litern Löschwasser an Bord. „Die größten der Welt, Frankfurt ist nicht besser versorgt als wir.“ Zum Glück, sagt Krieg, passiert selten was. Die letzten beiden großen Notfälle liegen lange zurück. 1975 stürzte eine Chartermaschine drei Minuten nach dem Start in Nürnberg ab, vier Menschen kamen ums Leben.
Ein Jahr vorher zerschellte ein Frachtflugzeug mit einer halben Million Blumen an Bord hinter dem Flughafen im Wald. Heute haben die Feuerwehrleute durchschnittlich 30 Einsätze im Monat. „Aber davon 90 Prozent auf der Landseite“, sagt Krieg, „weil jemand am Terminal einen Kollaps hat oder umgeknickt ist.“
Mit großen Schneeräumern über die Startbahn
Und dann geht's an einer ganzen Flotte von Räumfahrzeugen vorbei: 20 große Schneeräumer stehen an Start- und Landebahn bereit, mit sieben Meter breiten Pflügen, einer Bürste in der Mitte und hinten Gebläse. „Innerhalb von 15 Minuten müssen die Bahnen schneefrei sein.“ Eine Maschine der Air France landet. Der Reiseverkehrskaufmann, der aus Haßfurt stammt und seit 33 Jahren im Geschäft ist, erzählt Anekdoten aus seinem früheren Berufsleben: „Es war nicht schön. Die von der Air France sind in Yves Saint Laurent Kostüm immer Nase hoch an uns vorbeigelaufen, können wunderbar Französisch – und sonst nichts.“
Wo Luxusjets aus der ganzen Welt parken
Ein Enteiser-Fahrzeug ist unterwegs und spritzt eine große Maschine vor dem Rückflug nach Hamburg ab: 140 Sitzplätze, 78 Millionen Euro teuer. „Ein Flugzeug muss mindestens 17 bis 20 Stunden am Tag fliegen, sonst bringt es kein Geld.“ Die Fliegerei sei ein knallhartes Geschäft. „Erst nach 25 Jahren rechnet sich so eine Maschine.“ Kurt Krieg lässt den Busfahrer eine Runde vorbei an den Businessjets der Firmen, Schönen und Reichen drehen. „Luxusjets aus der ganzen Welt kommen hier her, um auf Herz und Nieren geprüft zu werden“, sagt Krieg und erzählt vom guten Ruf der Nürnberger Werften. Außerdem, von den „Kontroll-Bienen“, die der Flughafen in drei Bienenvölkern hält. Und den beiden Falken, die hier gefüttert werden, um die Singvögel von der 2,7 Kilometer langen Piste fernzuhalten.
Ankunft Ananas, Abflug Delfin
Der „SunExpress“ aus Gran Canaria landet. „Mit 89 grantigen Leuten: Urlaub vorbei, Geld weg, morgen müssen sie wieder arbeiten.“ Aber aus dem Cockpit wird gelächelt: „Kinder, ihr könnt den Piloten winken, die haben jetzt Feierabend.“ Vorbei an den Frachthallen, wo nachts der meiste Betrieb ist. Ananas und Erdbeeren landen hier, viele Firmen aus der Region schicken ihre Ware von hier aus in die Welt. 100 000 Tonnen Luftfracht werden hier jährlich umgeschlagen. Einmal war ein Delfin vom Tierpark dabei, der flog nach Portugal.
„Oh, der hat's wirklich eilig“, sagt Krieg und zeigt auf den Arzt, der zum Hubschrauber der DRF Luftrettung rennt. Der Helikopter hebt sich, saust nach oben – und ist weg. Kurt Krieg fährt mit seinen Gästen wieder ans Terminal. Ankunft am Flughafen. Die Urlauber aus Recife nebenan warten noch auf ihr Gepäck.
Der Albrecht Dürer Airport in Nürnberg bietet an jedem ersten und dritten Sonntag im Monat, jeweils um 14 Uhr und 16 Uhr, Führungen an. Bei der 60-minütigen Rundfahrt kann man die Abfertigung auf dem Vorfeld live erleben und einen Blick in die Hangars werfen. Die Führungen sind auf 45 Personen begrenzt, den Bus darf man während der Tour nicht verlassen. Preis: 8 (ermäßigt 6) Euro für Erwachsene, 4 Euro für Kinder, 20 Euro für Familien. Wichtig: Personalausweis dabei haben. Die Tickets sind bis 45 Minuten vor dem Beginn der Führung an der Information in Abflughalle 2 erhältlich. Reservierung empfohlen: Tel. 0911/ 937 00 Infos: airport-nuernberg.de/fuehrungen