Die Kinderkrankheit Masern kann nach Ansicht von Kinder- und Jugendärzten häufiger zum Tod führen als bislang angenommen. „Bei bislang drei Kindern, die sich 2006 als Säugling mit Masern angesteckt haben, ist die tödliche Gehirnentzündung ausgebrochen“, sagte Martin Terhardt vom Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte am Montag in München. Neuester Fall ist ein sechs Jahre altes Mädchen aus Bayern, das mit sieben Monaten mit Masern infiziert wurde und mittlerweile im Wachkoma in einem Krankenhaus in Aschaffenburg liegt.
Der Verband vermutet wegen dieser neuen Erkrankung, dass die unheilbare Krankheit bislang deutlich unterschätzt wird. „Wir müssen davon ausgehen, dass das SSPE-Risiko nach einer Infektion im ersten Lebensjahr viel höher ist, als wir angenommen haben“, sagte Terhardt. Die Zahl der Spätkomplikationen aus dem Jahr 2006 allein sei noch nicht repräsentativ, gestand der Experte ein. „Wir müssen das jetzt wissenschaftlich überprüfen“, forderte der Kinderarzt.
Die Krankheit SSPE (Subakute sklerosierende Panenzephalitis) ist eine Nachfolgeerkrankung der Masern. Sie tritt sehr selten auf, verläuft in Schüben und ist immer tödlich. Die Masernviren zerstören dabei über einen längeren Zeitraum das Gehirn des infizierten Kindes.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) geht für Deutschland von einer Infektionsrate von einem bis zehn SSPE-Fällen pro 10 000 bis 100 000 Masernerkrankungen aus. Das heißt, im schlimmsten Fall führen die Masern bei einem von 1000 Erkrankten zu der unheilbaren Gehirnentzündung. Da es nur für Masern, nicht aber für SSPE eine Meldepflicht gibt, liegen dem RKI nach eigenen Angaben keine konkreten Daten zu den Nachfolgeerkrankungen vor.
Da Kinder in Deutschland erst ab elf Monaten gegen Masern geimpft werden, sei ein geimpftes Umfeld umso wichtiger, sagte Terhardt. „Vor allem die Impflücken bei den 15- bis 40-Jährigen müssen geschlossen werden.“ Ein Viertel bis ein Drittel dieser Gruppe sei nicht ausreichend oder gar nicht gegen Masern geimpft.