Werner Friedl ist einer von ganz wenigen Rodelbauern in Bayern. Hauptberuflich arbeitet der 57-Jährige aus Burggen im Kreis Weilheim-Schongau als Berufsschullehrer für Schreiner. Friedl ist Mitbegründer des Auerberg-Parallelslaloms. Beim Drehhüttenrennen nahe Schwangau hält er den Streckenrekord: vier Kilometer in 4,34 Minuten.
Frage: Herr Friedl, ist Rodeln wirklich so eine Wissenschaft? Als Kind hat man sich doch auch einfach den Schlitten geschnappt, sich daraufgesetzt und ist den Berg hinuntergerast.
Werner Friedl: Bei meinem ersten Rodel habe ich einfach drauflosgebaut. Aber man kennt das ja vom Schlitten: Der hat früher auch ständig entweder nach rechts oder nach links gezogen. Ein guter Sportrodel aber lässt sich lenken. Er ist absolut spurtreu, man kann Kurven fahren, ohne dass man bremst. Das hinzubekommen, ist die Wissenschaft im Rodelbau.
Hat der Rodelbau in Ihrer Familie Tradition?
Friedl: Ich bin der Erste in meiner Familie, der Rodel baut. Aber eine Familientradition ist es in der Hinsicht, dass meine ganze Familie mithilft: Meine Frau kümmert sich um die Lackierung der Rodel. Vormittags ist die Werkstatt allein ihr Reich. Und mein Sohn Max hilft mir in der Fertigung. Er ist sozusagen mit dem Schreinerhandwerk aufgewachsen. Die Werkstatt war sein Spielzimmer.
Sie sind eigentlich Berufsschullehrer für Schreiner. Wann hat Sie die Leidenschaft fürs Rodeln gepackt?
Friedl: Das war vor zehn, elf Jahren. Da hab ich in den Bergen eine Skitour gemacht. Plötzlich sah ich vor einer Hütte zwischen anderen Schlitten einen Rennrodel stehen. Das müssen Sie sich vorstellen, als stünden da lauter alte Autos – und mittendrin ein Ferrari. In diesem Moment war für mich klar: So einen muss ich auch haben. Und ich habe angefangen zu bauen.
Woher wussten Sie denn, wie das geht?
Friedl: Das reine Handwerk beherrsche ich ja aus meinem Beruf als Schreiner. Am Anfang dachte ich: „Da schraubst du ein bisschen Holz zusammen, dann hast du einen Rennrodel.“ Aber so einfach war es nicht. Ich habe erste Versuche auf unserem Hausberg gemacht, war nach der Arbeit oft auch nachts rodeln. Mal habe ich die Kufen schräg gesägt für eine bessere Kurvenlage, dann wieder abgeschliffen, weil der Rodel auf der Geraden zu langsam wurde. Gesägt, geschliffen, gesägt, geschliffen, so ging das eine ganze Zeit.
Haben Sie sich mit anderen Rodelbauern ausgetauscht?
Friedl: Ich habe mir schon angeschaut, was zum Beispiel die Südtiroler so treiben. Aber ich wollte es nicht so machen wie die Chinesen und bei anderen abkupfern. Da kommt dann wieder die Handwer-kerehre durch.
Was ist beim Rodelbauen anders als zum Beispiel bei einem Schrank oder einem Tisch?
Friedl: Man muss halt immer schauen, welchen Anforderungen ein Produkt genügen soll. Ein Tisch zum Beispiel sollte stabil stehen, der Rodel soll beweglich sein. Stabilität braucht er zwar auch, aber er muss gut zu lenken sein. Die Verarbeitung ist aber im Prinzip dieselbe.
Im Skisport entscheidet oft das richtige Wachs über Sieg und Niederlage. Kommt es beim Rodeln auch auf solche Details an?
Friedl: Beim Rennen kommt es oft auf Zehntel oder Hundertstel an, da kann ein gutes Wachs das Entscheidende sein. Ich habe viele verschiedene. Die sind in so kleinen Döschen – solche, wie meine Frau zum Schminken hat. Was da eins kostet, darf ich gar nicht sagen. Aber wenn ich dann ein Rennen gewinne, hat es sich gelohnt.
In Österreich und Südtirol gibt es zahllose Rodelbauer, in Süddeutschland sind Sie einer von wenigen. Haben Sie den Rodelsport in Ihr Dorf gebracht?
Friedl: Ich bin hier schon ein bisschen der Rodelguru. Früher war ich Gleitschirmflieger, da war ich auch der erste in Burggen. Ich kann Leute ganz gut für Sport begeistern.
2010 waren Sie bayerischer Meister im Sportrodeln, auf Ihrer Heimstrecke an der Drehhütte bei Schwangau halten Sie seit mehreren Jahren den Streckenrekord. Sind Sie denn schon immer so ein Geschwindigkeitsfanatiker gewesen?
Friedl: Das zieht sich durch mein Leben wie ein roter Faden. Schon als Kinder konnten wir Buben nicht normal zum Schlittenfahren gehen: Immer mussten wir Rennen fahren. Das ist bis heute so geblieben. Es ist unglaublich, wie kindisch man mit 57 Jahren noch sein kann. Wenn ich mit meinen Freunden auf den Berg gehe, braucht nur einer nicken, und schon gehts los.
Bis jetzt gab es in diesem Winter noch wenig Gelegenheit zum Rodeln . . .
Friedl: Ja, das ist wirklich dramatisch. Wir haben bis jetzt nicht annähernd so viele Rodel verkauft wie in manch anderen Jahren zu dieser Zeit. Aber der kommt schon noch, der Winter. Wenn es dann im Januar schneit, steht hier die Tür zu meiner Werkstatt nicht mehr still. Und auch ich fahre mit meinen Freunden wieder bis spät in die Nacht.