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MÜNCHEN/SULZFELD/WÜRZBURG: Wie eine Quereinsteigerin zum Frankenwein kommt

MÜNCHEN/SULZFELD/WÜRZBURG

Wie eine Quereinsteigerin zum Frankenwein kommt

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    „Wein ist für mich Lebensgenuss“: Christine Räth aus Sulzfeld im Grabfeld. Hoch über dem Maintal schimmert goldgelb eine Silvaner-Spätlese im Glas.
    „Wein ist für mich Lebensgenuss“: Christine Räth aus Sulzfeld im Grabfeld. Hoch über dem Maintal schimmert goldgelb eine Silvaner-Spätlese im Glas. Foto: Foto: Achim Muth

    Ein Schluck Wein kann sein wie ein flüchtiger Zauber. Eine Befriedigung. Die Begleitung zur Bratwurst. Er kann aber auch der Beginn einer langen, wunderbaren Reise sein, die an den Lippen beginnt, über Zunge und Gaumen führt und irgendwann endet im Kopf mit einer kleinen Explosion der Sinne. Christine Räth sagt in solchen Momenten dann gerne: Super! Für Räth ist der Wein zur Leidenschaft und Wissenschaft gleichermaßen geworden, und gerade ist sie dabei, sein Geheimnis zu enträtseln. Sie spricht von Quitten-Aromen oder balsamischen Noten im Glas, von Honig und Kirschen, und manchmal, wenn sie den Wein betrachtet, gerochen, geschmeckt, gebissen, gekaut hat, dann ist ihr Urteil fast wie das Ergebnis nach dem Summieren vieler Zahlen.

    Das Ungewöhnliche an Christine Räth ist: Sie ist nicht vom Fach. Keine Winzerstochter, keine Gastronomin, keine Händlerin. Die 41-Jährige arbeitet seit zehn Jahren als Strategiereferentin beim ADAC in der Bierstadt München. Und dennoch macht sie derzeit eine Ausbildung zum sogenannten „Wine Expert Gold“. Dieser Lehrgang der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt in Zusammenarbeit mit der Deutschen Wein- und Sommelierschule (DWS) in Koblenz umfasst vier Wochenenden über jeweils drei Tage. Christine Räth folgt mit ihrem Interesse für die Welt der Weine einem Trend. Seit 2009 bietet die IHK Würzburg die „Wine Expert“-Lehrgänge in den Kategorien Bronze, Silber und Gold an, und wie die verantwortliche Projektleiterin Christiana Reichert sagt, „werden diese Kurse gerade bei Quereinsteigern immer beliebter“. Und das, obwohl die Trilogie den Teilnehmer rund 5300 Euro kostet. Zwar seien von den bislang 91 Kursabsolventen und den 104 Besuchern der verschiedenen Kurzseminare die meisten in irgendeiner Form aus dem Metier, aber das Interesse der Menschen, die den Wein als Hobby betrachten, nimmt stark zu. „Wir hatten schon Zahnärzte und Rechtsanwälte“, sagt Reichert, die als gelernte Hotelfachfrau selbst einen kleinen Bezug zur Branche hat.

    Der Wein ist für Christine Räth, die in Sulzfeld im Landkreis Rhön-Grabfeld aufgewachsen ist, keine neue Liebe, und eine flüchtige schon gar nicht. Während ihres BWL-Studiums in Würzburg jobbte sie gelegentlich für die Gebietswinzergenossenschaft Franken in Kitzingen. „In dieser Zeit habe ich den Wein für mich entdeckt.“ Sie lernte Winzer wie den Iphöfer Johann Ruck oder den Escherndorfer Horst Sauer näher kennen und spürte irgendwann, dass sie mehr über den Wein wissen möchte. Dass sie nach einem Schluck mehr sagen möchte als: schmeckt mir. Dass sie gerne fachsimpeln würde. Dass sie wissen möchte, was im Glas ist. „Für mich“, sagt Räth, „ist Wein zu einem Stück Lebensgenuss geworden.“ Sie entschließt sich, die Lehrgänge der IHK zu durchlaufen. Die Seminare in Bronze und Silber hat sie erfolgreich absolviert, derzeit büffelt sie für die Abschlussprüfung in Gold.

    Die Seminare haben ihre Art, Wein zu trinken, verändert: „Ich reflektiere jetzt, warum mir ein Wein schmeckt – oder eben nicht.“ Sie findet Weine jetzt spannend, filigran, erdig, vielschichtig, sie erkennt Fruchtnoten und Kräuteraromen, und sie sagt, dass sie Silvaner-Weine besonders liebt, die aus den Trauben von Reben auf Muschelkalk gewonnen wurden. „Ich bin ein Silvaner-Kind“, sagt sie. Wein als Seminarfach, das klingt verlockend, klingt süffig und gesellig, aber es ist vor allem auch anstrengend. Wein ist ein weites Feld. Es geht in den Kursen um Anbau und Kellertechnik, um Sorten und Länderrecht, um Böden und Beschaffenheit, es geht um Bordeaux und Bourgogne, Spanien und Südafrika. Aber auch um Sensorik, um Wein zum Käse, zur Schokolade. Oder eben zur Zigarre. Und so sitzt Christine Räth in einem nüchternen Schulungsraum der IHK und hört dabei zu, wie Hans-Jürgen Dersche mit Kalendersprüchen die Welt des Tabaks erklärt. Auf dem Tisch liegen Havannas. „Spezielle Sensorik: Wein und Zigarre“, heißt der dreistündige Vortrag mit Dias aus Kuba, getrockneten Blättern, short filler und long filler und Sätzen wie diesen: „Wenn man die Kuh melken will, muss man sich bücken.“ Oder: „Genuss ist das, wonach der Mensch strebt.“

    Praktische Teile findet Christine Räth interessanter, so wie neulich, beim Silber-Lehrgang, als die Weinschüler bei Winzer Uli Luckert in Sulzfeld am Main (Lkr. Kitzingen) eine Exkursion hatten. Zusammen mit seinem Bruder Wolfgang führt Luckert das Weingut Zehnthof. Der Betrieb wird ökologisch geführt, 50 Prozent der rund 16 Hektar Anbaufläche sind mit Silvanerreben bepflanzt. Deutlich, sagt Uli Luckert, sei das Interesse am Wein bei Normalbürgern gestiegen. „Ich wundere mich manchmal und staune als Fachmann, mit welch großem Wissen die Kunden vor einem sitzen.“ Richtig en vogue sei es in gewissen Kreisen, sich über den Wein unterhalten zu können.

    Mitverantwortlich seien auch die Kochshows auf vielen TV-Kanälen: „Zu gutem Essen gehört eben ein guter Wein, über den man mit Freunden philosophieren möchte“, sagt der 39-jährige Winzer, der hierzulande auch einen Trend zu heimischen Produkten erkennt: „Die Leute haben sich an den Weinen aus Kalifornien und aller Herren Länder sattgetrunken und entdecken jetzt, dass vor der Haustüre super Weine warten.“ Für Uli Luckert muss ein Wein eigenständig sein, puristisch. Das Prädikat Bio hat er sich nicht aufs Etikett geklebt, „für uns ist das Philosophie“. Er will sagen: selbstverständlich. Der Sulzfelder bricht eine Lanze für die Heimat, sieht den gestiegenen Qualitätsanspruch der Winzer am Main: „Es gab“, sagt Uli Luckert, „noch nie so guten Frankenwein wie in den vergangenen zehn Jahren.“

    Am schönsten sei es, sagt Christine Räth, „ein Glas mit jemandem zu trinken, der den Wein auch wertschätzt“. Uli Luckert schenkt einen Silvaner Gelbkalk vom Cyriakusberg ein, Räth und die anderen Weinschüler diskutieren. Manchmal werden an den Seminarwochenenden Dutzende von Weinen verkostet, „was meine Freunde oft falsch interpretieren“. Verkosten, sagt die 41-Jährige, bedeute, den Wein objektiv nach Aussehen, Geruch und Geschmack zu beschreiben – „und ihn dann ganz nüchtern wieder auszuspucken“. Mit am Tisch sitzt Andreas März. Er ist Leiter des Weinkellers im Münchner Mövenpick und Dozent an der Deutschen Wein- und Sommelierschule. März spricht gerne blumig. Den Gelbkalk findet er: Wow! Knallig! „Die Performance des deutschen Weines ist in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen“, sagt er. In Franken vermisst er jedoch etwas Innovation und Quirligkeit, ander als in der Pfalz: „Da geht die Post ab.“ März ist zufrieden mit dem Lehrgang, er freut sich über die Teilnahme der passionierten Privatpersonen, wie er sie nennt, sie machen bis zu 15 Prozent in den Kursen aus. Der Dozent fordert sie aber auch, der Lehrgang ist kein Selbstläufer.

    Wo für Christine Räth der Weg hinführt, „das weiß ich noch nicht“. Mit dem Prädikat des „Wine Expert Gold“ hat sie eine Stufe erklommen, die dem Sommelier am nächsten ist. Im Sommer möchte sie mit einer Freundin Winzer in der Wachau besuchen, in Südtirol hat sie sich um ein Praktikum beworben. „Ich lasse mich treiben“, sagt sie. Aber auch: „Nach Franken werde ich immer zurückkehren.“

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