Herr Kavka, warum hat Musik heute nicht mehr den Stellenwert wie in den 90er Jahren?
MARKUS KAVKA: Also, ich sehe nicht einen geringeren, sondern einen anderen Stellenwert. Denn Musik wird heute ganz anders als früher konsumiert. Die Musikindustrie hat sich ja komplett verändert. Ich konnte das hautnah miterleben. In den 80ern wurden Vinylplatten und Kassetten durch die CD abgelöst. Die wiederum wichen mp3-Dateien, und heute streamt man Musik. Diesen technischen Revolutionen folgten auch inhaltliche Veränderungen.
Welche denn?
KAVKA: Na, heute hört man kaum mehr Alben, sondern man sammelt Songs auf einer Playlist. Weil die Aufmerksamkeitsdauer geringer ist, sind heute die meisten Songs kürzer. Und gleich am Anfang muss die Hookline, also eine charakteristische Melodie oder Akkordfolge, kommen, damit die Leute nicht gleich wieder aussteigen. Auch gibt es nicht mehr den krassen Personenkult wie früher. Heute geht es eher um Gefühle, die vermittelt werden. Alles ist schneller geworden, aber es ist nicht zwangsweise schlechter.
Die Musiksender MTV und VIVA prägten mehrere Musikgenerationen. Viele Menschen sagen, auch Sie hätten ihre Jugend musikalisch geprägt und ihren Musikgeschmack geformt. Macht Sie das stolz?
KAVKA: So etwas freut mich total. Das ist das größte Kompliment, das ich bekommen kann. Manchmal sprechen mich Leute an und sagen, dass ich ein Held ihrer Jugend gewesen sei, ohne den sie bestimmte Musik nicht entdeckt hätten. Das ist auch das, weswegen ich den Job mache. Ich habe ja schon in der Schule kistenweise Platten ins Klassenzimmer geschleppt, damit die Leute nicht nur Scheißmusik hören. Im Prinzip mache ich das immer noch, nur hat sich der Hebel verändert, seit ich beim Fernsehen gelandet bin. Ich rede einfach gerne über Musik, und dass das offenbar so vielen Menschen etwas bedeutet hat, dafür bin ich wahnsinnig dankbar.
Sie haben mit dem früheren VIVA- und MTV-Programmchef Elmar Giglinger das Buch "MTViva liebt dich!" (Ullstein Paperback, 528 Seiten, 21,99 Euro) geschrieben. Warum?
KAVKA: Die erste Idee dazu liegt schon zehn Jahre zurück. Wir beide hatten in dieser Zeit so viel erlebt, dass wir es einfach irgendwie festhalten wollten. Wir hatten damals aber andere Projekte. Als uns auffiel, dass der inzwischen aufgelöste Musiksender VIVA am 1. Dezember 2023 30 Jahre alt geworden wäre, wollten wir anlässlich dieses Jubiläums alles aufschreiben. Der Verlag hatte dann eine noch bessere Idee, nämlich nicht nur unsere Geschichten zu erzählen, sondern auch die von vielen anderen. Dann führten wir jede Menge Interviews mit Protagonisten dieser Jahre. Wir sammelten also 65 Interviews, die zu einem Skript von 2000 Seiten wurden. Danach ging die eigentliche Arbeit los, diese Interviews zu sichten, zu ordnen, sie zu verweben und in einen Sinnzusammenhang zu bringen. Das war sehr, sehr viel Arbeit. Aber am Ende hat es auch viel Spaß gemacht.
Sie haben in den letzten Jahrzehnten viele Stars interviewt. Haben Sie da auch schlechte Erfahrungen gemacht?
KAVKA: Gar nicht so viele. Jon Bon Jovi war so eine. Der hatte überhaupt keinen Bock. Aber, wie ich später herausfand, muss man zu dem eine Frau hinschicken, wenn man ein gutes Interview bekommen will. Auch mit Blur lief ein Interview nicht so gut, weil die da ihre krasse Koksphase hatten. Aber die haben sich dann später entschuldigt.
Und dann war da noch Mariah Carey.
KAVKA: Die ist natürlich eine Diva. Ich möchte gar nicht sagen, dass sie eine Macke hat, weil sie mit ihren eigenen Dämonen kämpfen muss, aber man muss feststellen, sie ist schon special. Wenn das Interview erst einmal losgegangen ist, war sie zuckersüß. Aber zuvor hatte sie schon eigenartige Wünsche. Einmal wollte sie neben sich drei Labradorwelpen drapiert haben, damit sie die während des Gesprächs knuddeln kann. Wir konnten tatsächlich welche besorgen. Aber dann waren die sehr lebhaft und sind immer an ihr rauf und runter gesprungen. Da wollte sie, dass wir den Tierchen Tranquilizer verpassen. Das haben wir abgelehnt. Sie hat zähneknirschend zugestimmt.
Sie benutzt angeblich auch keine Treppen.
KAVKA: Ja, die Geschichte erzähle ich auch im Buch. Als ich sie im Schlosshotel in Grunewald in Berlin interviewen wollte, kam einer ihrer Leute und sagte, wir müssten das ganze Set umbauen, weil Frau Carey keine Treppen benutzen würde. Offenbar, weil ihr mal einer gesagt hat, dass sie beim Treppensteigen unvorteilhaft aussehen würde. Weil es aber keinen Personenaufzug gab, standen wir vor einem Dilemma, denn umbauen ging zeitlich nicht mehr. Glücklicherweise konnte die Situation von einem Hotelangestellten gelöst werden, der Frau Carey dann mit dem Lastenaufzug zum Set gebracht hat.
Sie sind einer der letzten Dinosaurier des Musikfernsehens und derzeit bei Deluxe Music zu sehen. Viele Ihrer früheren Kollegen sind in andere Unterhaltungsbereiche gewechselt. Warum nicht auch Sie?
KAVKA: Ich hatte einfach das Glück, dass es immer jemand interessierte, wenn ich über Musik sprach. Und ich tue halt nichts lieber. Das habe ich schon als Kind zu meinem Papa gesagt. Der meinte: "Was, Musikjournalist? Das ist kein Beruf, sondern ein Hobby." Und im Prinzip hatte er recht, ich konnte aber mein Hobby zum Beruf machen. Kann aber schon sein, dass ich immer mal wieder Ausflüge in andere Sparten wie die Politik oder den Sport mache, wo ich auch schon Sendungen moderiert habe. Aber im Grunde ist mein Thema die Musik. Das kann gerne bis ans Ende meiner Tage so bleiben.
Zur Person
Markus Kavka wurde 1967 in Ingolstadt geboren. Bundesweit bekannt wurde er als Moderator des deutschen Musiksenders VIVA. Später wechselte er zu MTV Germany.