Eigentlich sollte es nur ein harmloser Scherz sein – die Folgen waren fatal: Ein australischer Radiosender hatte eine Londoner Krankenschwester mit einem Telefonstreich hereingelegt, um an Informationen über die schwangere Herzogin Kate zu gelangen (wir berichteten mehrfach). Die 46-jährige Mutter zweier Kinder wurde kurz danach tot aufgefunden, Medien spekulierten über einen Suizid. Nun sagte der australische Sender der Familie der Krankenschwester umgerechnet 400 000 Euro zu.
„Man konnte natürlich nicht voraussehen, dass so etwas passiert“, meint Jo Schweizer, Comedy-Chef beim Radiosender Bayern 3, und fügt hinzu: „Aber wir würden so etwas per se nicht machen, um an Informationen zu gelangen.“ Comedian Markus Walsch alias Karl Auer ist bei Bayern 3 für seine Scherzanrufe bekannt, aber die sind harmloserer Natur. Er ruft bei der Pilzberatungsstelle an und verlangt eine Pilsberatung, weil ihm sein Bier nicht schmeckt. Oder er versucht, sein Schnitzel auf dem Kühlergrill zu braten. Walsch gibt sich nicht als reale Person aus.
2000 Streiche in 16 Jahren
Trotzdem hat Bayern 3 diese Woche mit dem Format pausiert. „Wir haben uns nach der Tragödie in England Gedanken gemacht“, sagt Walsch. „Bei Telefonstreichen muss derjenige, der hereingelegt wird, auch seinen Spaß haben. So, dass man sich am Ende in den Arm nimmt und sagt ,Es war doch nur Spaß'. Dieses Gefühl muss rüberkommen.“
Walsch alias Karl Auer hat in 16 Jahren über 2000 Telefonstreiche produziert. Ist der Veräppelte mit der Veröffentlichung nicht einverstanden, wird das respektiert. „Manchmal kommt beim zweiten oder dritten Anruf etwas Witziges heraus, manchmal telefoniert man zwei bis drei Stunden“, erzählt der Comedian. Scherzanrufe im Radio wurden in Deutschland erstmals in den 60er Jahren mit Peter Frankenfelds „Valsch Ferbunden“ populär. Bei der von Paola und Kurt Felix moderierten ARD-Sendung „Verstehen Sie Spaß?“ in den 80ern wurden Telefonstreiche live im Fernsehen übertragen. Heute werden Scherzanrufe meist in Studios aufgenommen, nachbearbeitet, geschnitten und gesendet. Bevor man ein Gespräch aufzeichnen darf, muss der Gesprächspartner damit einverstanden sein, sagt der auf Presserecht spezialisierte Anwalt Martin Heite aus Berlin. Bei Scherzanrufen kann die Einwilligung erst im Verlauf des Gesprächs eingeholt werden. Sollte das Opfer mit dem Scherz nicht einverstanden sein, müssen die Aufzeichnungen vernichtet werden. „Andernfalls kann dies zu Unterlassungsansprüchen und Schadenersatzklagen führen, weil das Persönlichkeitsrecht verletzt wurde“, so Heite.
Trotzdem kämen manche Unterhaltungsshows im Fernsehen ohne eine gewisse „Mischkalkulation“ nicht aus, so Heite. Das heißt, Moderatoren wie Stefan Raab oder Joko und Klaas nehmen es in Kauf, nach der Sendung möglicherweise verklagt zu werden. Sie zahlen lieber Schmerzensgeld als auf die Lacher zu verzichten. Gefälschte Anrufe bei Rettungsdiensten, Polizei und Feuerwehr sind grundsätzlich strafbar.
„Scherzanrufe polarisieren“, meint Stefan Drollmann, Programmleiter von Radio Charivari in Würzburg. „Nicht jeder findet das lustig. Normale Menschen wollen wir nicht hereinlegen, und an Prominente kommt man nur schwer“, so Drollmann. Deshalb gebe es weder bei Charivari noch beim Würzburger Sender Radio Gong Telefonstreiche.
Der kleine Nils ist Kult
Anders ist das bei Antenne Bayern. „Allerdings machen wir kein Aufregerprogramm. Es ist eine andere Art von Humor“, sagt Pressesprecher Stefan Assfalg. Beim aktuellen Format „Die Rache der Wartenden“ gehe es darum, Mitarbeiter von Service-Hotlines möglichst lange in der Warteschleife zu halten. Auch der kleine Nils, eines der bekanntesten deutschen Radio-Spaß-Formate, läuft bei Antenne Bayern. Die Anrufe des fiktiven Fünfjährigen, der als Lausebengel Leute veräppelt, sind Kult. Nils gibt's als Comicfigur und Puppe, seine Stimme als Klingelton und auf CD.
Heikler wird es, wenn sich der Anrufer als reale Person vorstellt. 2008 gab sich ein Unbekannter gegenüber Pakistans Präsident als indischer Außenminister aus und drohte mit militärischen Mitteln. Folge: Laut „Süddeutsche Zeitung“ wurde die pakistanische Luftwaffe alarmiert.