Pro: Ein Schlaftracker kann die Lebensqualität verbessern
Angst vor den Zahlen sollte man nicht haben. Im Gegenteil: Denn allzu oft führt das bloße Gefühl auf die falsche Fährte. Gut geschlafen heute Nacht? Ja. Aber auch ausreichend? Da wird es schon schwieriger. Wahrscheinlich ist, dass die allermeisten eher zu wenig als zu viel Zeit im Bett verbringen. Erst die Arbeit, dann die vielen Freizeitverpflichtungen und vielleicht dann ja doch noch abends die Talkshow im Fernsehen.
Wer seinen Schlaf nachts trackt, wer seine „schlaue“ Uhr, seine Smartwatch oder seinen Fitness-Tracker auch nachts anlässt, dem wird der Raubbau morgens schwarz auf weiß serviert: Sleep Score 39 von 100, Qualität schlecht, Tiefschlaf nicht vorhanden, REM-Zeit nicht vorhanden, nur leichter Schlaf und davon nicht genug.
Bringt einen das weiter? Hoffentlich auf die Idee, es am nächsten Abend nicht gleich noch einmal so zu treiben. Wenn der Tracker beharrlich schlechte Zahlen liefert, obwohl man fast acht Stunden im Bett liegt und vermeintlich geschlafen hat, aber zum Beispiel nie wirklich tief, dann bringen einen die nackten Zahlen hoffentlich früher auf die Idee, einmal einen Arzt in dieser Angelegenheit aufzusuchen. Bis einen das reine Bauchgefühl dazu bringt, muss die Leidensgeschichte lang sein.
Den Schlaf zu tracken, das hat erst einmal nichts mit Selbstoptimierung zu tun, das bringt viel mehr ein wenig Licht und Klarheit in den Bereich des Lebens, der uns schon immer am Rätselhaftesten und Verborgensten bleibt. Dann hat man mit der Smart-Watch auch noch den lautlosen Wecker mit im Bett, der einen per Vibration morgens weckt. Für Frühaufsteher, die mit Spätaufstehern zusammenleben, ein echter Gewinn an Lebensqualität. (Richard Mayr)
Contra: Schlaftracker sind der Gipfel der Selbstoptimierung
Eine Fitnessuhr kann das Leben ihres Trägers am laufenden Band überwachen. Sie misst den Puls und die Herzfrequenz und erkennt das Stresslevel und die Qualität der Nachtruhe, bevor man überhaupt aufgewacht ist. Sie ist ein kleiner Moralapostel, der einem in der Früh vorwurfsvoll anzeigt: Zu wenig Schlaf, deine Tiefschlafphase war zu kurz! Ächzend erhebt sich der müde Leib, die schlechte Laune ist jetzt vorprogrammiert, da hilft nicht einmal der doppelte Espresso. Denn man weiß es ja selbst, man spürt, dass der Körper nach Schlaf lechzt und die Erholung nicht gereicht hat. Das braucht einem das blöde Gerät nicht auch noch unter die Nase reiben.
Besser, höher, weiter, die Selbstoptimierung ist absolut, wenn wir sogar unseren Schlaf verbessern wollen. Die Maschine Mensch, sie taktet ihren Tag nach dem Willen ihrer Apple Watch. Wenn die Uhr sagt: „Los!“, dann läuft man, wenn die Uhr sagt: „Schlaf!“, dann wird schleunigst das Bett aufgesucht. Was folgt denn aus dem Verbesserungswahnsinn? Ikarus hat sich die Flügel verbrannt, überzüchtete Möpse haben Probleme beim Atmen. Zu weit hergeholt? Denken Sie mal darüber nach.
Natürlich hat die Überwachung des eigenen Schlafs auch Vorteile und kann helfen, bei gesundheitlichen Problemen beispielsweise. Andere nutzen die Uhr, um ihr optimales persönliches Schlafpensum herauszufinden. Das kann man mal machen. Aber es ist auch in Ordnung, die Uhr oder den Ring, oder was auch immer die Vitaldaten aufzeichnet, zu entfernen. Lassen Sie mal los. Gönnen Sie sich eine Pause, ohne dass Sie sich selbst dabei beobachten. Alexa, mach das Licht aus. Gute Nacht. (Theresa Osterried)