Renate Kulla strahlt zufrieden. Gerade hat sie in den Frankenwald eine Weißtanne gepflanzt. „Mein erster Baum so direkt im Wald“, freut sie sich. Mitten im Frankenwald. „Eine klasse Idee“, sagt die resolute Frau aus Marl im Ruhrgebiet. Und Ehemann Franz-Josef freut sich mit. Dabei war er es, der seine Frau ein Jahr zuvor noch gefragt hatte: „Was willst Du mit der Tanne?“
Am Infostand von Frankenwald-Tourismus hatten Geschäftsführer Markus Franz und seine Mitarbeiter kleine Weißtannen-Setzlinge an die Besucher verteilt – mit der Bitte, die Bäumchen zuhause ein wenig zu hegen und zu pflegen. Und sie dann später – auf Einladung der Region – im Frankenwald der Natur zu übergeben. Renate Kulla hat gerne mitgemacht. „Erde aus dem Wald und Regenwasser“, lautet ihr Erfolgsrezept. „Sie hat aber auch einen grünen Daumen“, ergänzt der Ehemann.
Mehr als ein Marketing-Gag
Angesichts solcher Komplimente darf er mithelfen beim Ausbuddeln des Pflanzlochs auf einer kahlen Fläche mitten im Wald bei Zeyern (Lkr. Kronach). „Der Borkenkäfer hat hier mehrere Hektar Fichten zerstört“, erläutert Förster Armin Hanke. Die Weißtannen, die ein gutes Dutzend Gäste heute pflanzt, sind mehr als nur ein Marketing-Gag. Sie sind der Startschuss, um die Fläche wieder aufzuforsten. „Tannen sind robuster als Fichten, sie wurzeln tiefer, sind widerstandsfähiger in Zeiten des Klimawandels“, erklärt Hanke.
Menschen mit der Natur vertraut machen, dieses Ziel haben sie sich im Frankenwald auf die Fahnen geschrieben. Aber keine Angst: Nicht jeder, der kommt, muss gleich seinen Baum mitbringen. Das Mittelgebirge im Norden Bayerns, von den Einheimischen gern als „Bayerisch Sibirien“ bespöttelt, lässt sich einfach auch so genießen. Renate und Franz-Josef Kulla haben gleich mal eine ganze Woche Urlaub angehängt. „So eine traumhafte Landschaft, so eine Ruhe. Das war uns neu“, sagen die erfahrenen Wanderfreunde, die in Nurn (Lkr. Kronach) abgestiegen sind.
Kein Disneyland in der Natur
Ein „Disneyland in der Natur“ werde der Frankenwald nie werden, sagt Markus Franz, aber natürlich hofft man im Wettbewerb der Regionen vom gegenwärtigen Wanderboom in Deutschland zu profitieren. Als einziges Großschutzgebiet hierzulande hat der Naturpark vom Deutschen Wanderverband das Label „Qualitätsregion Wanderbares Deutschland“ erhalten. Eine Auszeichnung, die die Anstrengungen belohnt, die 2400 Kilometer Wanderwege zwischen Thüringer Wald, Fichtelgebirge und dem Obermainischen Hügelland komplett zu überholen, neu zu ordnen und vor allem – mit viel ehrenamtlicher Unterstützung durch die örtlichen Wandervereine – zu markieren.
Neben den großen Fernwanderwegen wie dem Rennsteig (der tatsächlich erst im Frankenwald endet), dem „Grünen Band“ entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze oder dem 242 Kilometer langen Frankenwald-Steig, der die Region in 13 Etappen durchstreift, kommen die sogenannten „Steigla“ gut an. Die „kleinen Steige“ sind insgesamt 32 Halbtagestouren von fünf bis 18 Kilometer Länge, alle unter einem besonderem Motto. Da gibt es für Kräuterfreaks den „Arnikaweg“ bei Haßlach (Lkr.
Kronach), für Gipfelstürmer den Dreierknock bei Presseck (Lkr. Kulmbach), für Jean-Paul-Leser den „Petersgrat“ bei Joditz (Lkr. Hof) oder für Geschichtsinteressierte den „Grenzer-Weg“ bei Bad Steben (Lkr. Hof). Alle Wege sind entsprechend markiert. Die „Steigla“ sind eine Erfolgsgeschichte, sie machen auch Ungeübten Lust aufs Wandern. Allzu steil hinauf geht es eh nirgends im Frankenwald, der Döbraberg bei Schwarzenbach (Lkr. Hof) ist mit 794 Metern die höchste Erhebung.
Flößertradition erleben
Wir sind am Vormittag zu einer 12,5 Kilometer langen Wanderung in Kronach aufgebrochen. Die Lucas-Cranach-Stadt mit der Festung Rosenberg und ihrer Fachwerk-geprägten Altstadt ist immer einen Ausflug wert, aber eben auch idealer Stützpunkt für Frankenwald-Wanderer. Über den Kreuzberg, der erste Blicke weit ins Land bietet, geht's weiter an Dörfles vorbei über Feldwege nach Marktrodach, einem Zentrum der Flößerei. Das Flüsschen Rodach ist eine der Hauptverkehrsadern, über die bis in die 1950er Jahre das Holz aus dem Frankenwald transportiert – zu energieintensiven Industrien wie den Glashütten in der Region oder als Bauholz in die weite Welt.
Während der Sommermonate ist das Flößermuseum in der Ortsmitte geöffnet. Es erzählt die Geschichte des Floßholzhandels, im 19. Jahrhundert die Einnahmequelle schlechthin der Menschen in Marktrodach. Wenige Meter weiter winkt Eva Quast in die „Flößerstube“. Die ehemalige Lehrerin an der Leonhard-Frank-Schule in Würzburg hat vor wenigen Jahren ihr Elternhaus in Oberfranken wiederbezogen – und eine kleine Kneipe und Galerie eingerichtet. Quast stammt aus einer Flößer- und Holzhändlerfamilie. Am Wochenende serviert sie Einheimischen, Ausflüglern und Wanderern kalte Küche und ein kühles, frisch gezapftes Bier. Noch ein „Schnittla“ oder auch zwei – und weiter geht's, ein Stück den „Frankenweg“ entlang weiter Richtung Zeyern.
Orchideen und Deutscher Enzian
Ober auf der Höhe lässt Magerrasen die Herzen botanisch Interessierter höher schlagen. Orchideen gibt's hier, Silberdisteln und den Deutsche Enzian, eine Enzian-Art, die etwas heller blüht als der blaue Klassiker, den wir aus den Alpen kennen. Wieder runter durch den Wald, vorbei an einer stillgelegten Mühle, erreichen wir Zeyern, wo nach einer Brotzeit im nahen Berggasthof schon Förster Hanke wartet, um die Weißtannen zu pflanzen.
Renate Kulla greift als erste nach dem Spaten. Später, als wir im Wanderer- und Radfahrerbus zurück nach Kronach sitzen, ist sie sicher: „Wir werden wiederkommen.“
Information
Ausführliches Infomaterial zum Frankenwald, Wanderkarten, Prospekte zu Wander- und Fahrradwegen gibt es per Post bei Frankenwald-Tourismus, Adolf-Kolping-Str. 1, 96317 Kronach, oder im Internet unter: