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AUGSBURG: Dauerlärm im Ohr

AUGSBURG

Dauerlärm im Ohr

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    Ein chronischer, subjektiver Tinnitus macht vielen Menschen zu schaffen. Die Möglichkeiten, Betroffenen zu helfen, sind sehr begrenzt.
    Ein chronischer, subjektiver Tinnitus macht vielen Menschen zu schaffen. Die Möglichkeiten, Betroffenen zu helfen, sind sehr begrenzt. Foto: Foto: Dora Zett, Fotolia

    Das Geräusch erinnert an quietschende Bremsen. Ein hoher Pfeifton, der fast wehtut. Auf der Internetseite der Deutschen Tinnitusliga kann man ihn sich anhören – als Beispiel für das, was Tinnitus-Patienten andauernd aushalten müssen. Es ist das am häufigsten vorkommende Ohrgeräusch. Grundsätzlich aber, teilen die Experten mit, sei jeder Tinnitus ein individuelles Phänomen, das auch individuell klinge. Neben Pfeifen berichteten Betroffene oft auch von einem tiefen Brummen, Rauschen, Zischen oder Summen, von einem Pochen oder gar Hämmern in den Ohren.

    Professor Johannes Zenk, HNO-Chefarzt am Augsburger Klinikum, kennt das Problem. Tinnitus-Patienten jeden Alters kommen regelmäßig zu ihm in die HNO-Klinik.

    Die Bezeichnung „Tinnitus“ ist abgeleitet vom Lateinischen tinnire, was so viel wie „klingeln“ bedeutet. Dabei handelt es sich um Geräusche, die nicht von außen hervorgerufen werden. Vielmehr entstehen sie an irgendeiner Stelle in der Hörbahn und werden von dort weitergeleitet zum Gehirn, wo sie als störend wahrgenommen werden. Studien zufolge soll jeder Vierte schon einmal Ohrgeräusche gehabt haben, zwischen zehn und 15 Prozent haben über einen längeren Zeitraum einen Tinnitus, drei bis fünf Prozent gelten als behandlungsbedürftig.

    Objektiv und subjektiv

    Ärzte unterscheiden zwischen objektivem und subjektivem Tinnitus: Beim objektiven Tinnitus handelt es sich um Körpergeräusche, die der Arzt auch von außen erfassen kann. Sie werden zum Beispiel hervorgerufen durch das Blut in den Gefäßen oder unwillkürliche Muskelkontraktionen. Weitaus häufiger ist jedoch der subjektive Tinnitus, den nur der Betroffene selbst hören kann. Er ist das eigentliche Problem – vor allem, wenn er chronisch wird und somit länger als drei Monate andauert.

    Manche der Betroffenen beeinträchtigt dieser subjektive, chronische Tinnitus extrem. Sie klagen über Konzentrationsstörungen, Schlafschwierigkeiten, Ängste und Depressionen. Manchmal führt die Erkrankung bis hin zu Berufsunfähigkeit.

    Wer einen Tinnitus bemerkt, sollte rasch handeln und einen Arzt aufsuchen. Im Akutstadium wird zum Beispiel mit Cortison behandelt. Tinnitus sei dem Hörsturz gleichbedeutend, sagt Johannes Zenk – und ähnlich wie beim Hörsturz kann es sinnvoll sein, den Patienten eine Weile von möglichen Stressoren in seinem Umfeld abzuschirmen. Und: Tinnitus kann auch als Begleitsymptom bei einem Hörsturz auftreten – sowie typische Folge eines Hörverlustes oder akuter Lärmtraumata sein.

    Weil auch ein chronischer Tinnitus irgendwann einmal akut gewesen ist, muss man nach einer möglichen organischen Ursache suchen, sagt Zenk. Das bedeute, man brauche eine komplette audiologische Abklärung im Bereich der Hörschnecke, der Hörnerven sowie der zentralen Hörbahn – und, falls der Tinnitus neu aufgetreten sei, auch eine Abklärung des Gleichgewichtsorgans im Ohr. Oft werde eine MRT gemacht, eine Kernspinaufnahme. Allerdings: Untersucht man 200 Patienten mit Tinnitus in der Kernspin-Röhre, so werde nur bei einem von 200 tatsächlich ein Grund für das Ohrgeräusch an der Hörbahn gefunden, so Zenk.

    Mögliche Gefäßveränderungen

    Solch eine greifbare Ursache könnten etwa gutartige Tumoren, Entzündungen oder auch Gefäßveränderungen sein. Lange habe man Gefäßschlingen am Hörnerv für Tinnitus verantwortlich gemacht, aber bis heute gebe es dafür keinen hinreichenden Beweis, sagt der Mediziner.

    Er empfiehlt jedoch, mögliche Kiefergelenksprobleme abklären zu lassen. Manchmal könnten eine Fehlfunktion des Kiefergelenks oder Verspannungen an der Halswirbelsäule an einem Tinnitus beteiligt sein. „Eine kieferorthopädische und orthopädische Abklärung gehört deshalb immer dazu.“

    Tinnitus gibt noch manche Rätsel auf. Und obwohl das Problem mit den Ohrgeräuschen alle Altersgruppen betrifft, scheint es Berufsgruppen zu geben, die etwas anfälliger sind als andere: Betroffen sind vor allem Menschen, die viel im Lärm arbeiten und solche, die sich zusätzlich stark konzentrieren müssen, so Zenk. Menschen also, die stark unter Stress stehen. Lärm und Stress haben wohl beide mit Tinnitus zu tun.

    Geht der Tinnitus durch die Akutmaßnahmen nicht zurück, wird der Patient noch länger mit den Geräuschen zu tun haben, heißt es bei der Tinnitus-Liga – auch wenn die Geräusche manchmal noch nach fünf bis zehn Jahren verschwänden. Bleibt das Geräusch, so ist es nur ein kleiner Teil der Betroffenen, die sich von einem Tinnitus beeinträchtigt fühlen – viele gewöhnen sich daran.

    Unzählige Angebote gibt es, die den Betroffenen helfen sollen – nicht alle davon sind gut untersucht und wirklich hilfreich. Und weder hierzulande noch in den USA, sagt Professor Zenk, gibt es irgendeine medikamentöse Therapieempfehlung. Es gibt also keine Tablette, die man einfach einnehmen könnte, um den Tinnitus zum Verschwinden zu bringen. Auch Gingko, von manchen Patienten auf eigene Faust angewandt, habe Studien zufolge keinen positiven Effekt – dafür aber einige Nebenwirkungen.

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