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WÜRZBURG: Gefährliche Blutpfropfen

WÜRZBURG

Gefährliche Blutpfropfen

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    Gerinnung am falschen Ort: im Innern einer Ader.
    Gerinnung am falschen Ort: im Innern einer Ader. Foto: Foto: imago

    Jährlich sterben allein in Deutschland rund 100 000 Menschen an einer Lungenembolie. Häufigste Ursache ist eine Thrombose. „Thrombus“ ist das griechische Wort für Klumpen, Pfropf. Von einer Thrombose sprechen Ärzte, wenn ein Blutgerinnsel ein Gefäß, etwa eine Vene, verstopft. Solche Gefäßverschlüsse sind vor allem in den tiefen Bein- und Beckenvenen sehr gefährlich. Löst sich dort ein Teil des Gerinnsels ab, wird es mit dem Blutstrom über das Herz in die Lunge geschwemmt. Dort verschließt es für die Atmung lebenswichtige Adern, es kommt zur lebensbedrohlichen Lungenembolie. Je größer das verschleppte Gerinnsel, desto gefährlicher die Situation. Mit dem Welt-Thrombose-Tag wollen Fachgesellschaften auf die Gefahren einer Thrombose hinweisen und die Versorgung der Patienten verbessern. Wir sprachen mit Privatdozent Dr. Armin Imhof. Er leitet die Angiologie an der Klinik für Innere Medizin II am Universitätsklinikum Ulm.

    Frage: Wer muss Gerinnungshemmer nehmen?

    Dr. Armin Imhof: Die drei wichtigsten Indikationen für eine orale Antikoagulation, also Einnahme von Gerinnungshemmern, sind Thrombose und Lungenembolie, Vorhofflimmern und künstliche Herzklappen.

    Mittel wie Marcumar sind lange bekannt, doch seit einigen Jahren gibt es neue Gerinnungshemmer. Welche Vorteile haben diese Medikamente?

    Imhof: Für Patienten mit Vorhofflimmern, Thrombosen und Lungenembolie sind vier neue Antikoagulantien auf dem Markt: Dabigatran, Apixaban, Rivaroxaban und Edoxaban. Sie wurden in großen klinischen Studien untersucht. Bei Thrombose- und Lungenembolie-Patienten haben die neuen Mittel im Vergleich zu Marcumar nicht schlechter abgeschnitten. Sie waren gleich gut in Bezug auf die Verhütung einer erneuten Thrombose oder Lungenembolie. Und sie hatten Vorteile: Es gab seltener Blutungskomplikationen als unter Marcumar-Behandlung, das heißt, die neuen Mittel waren etwas besser in puncto Sicherheit. Und für die Patienten sind sie viel einfacher in der Handhabung. Sie nehmen ein bis zweimal täglich eine Tablette und müssen nichts messen, sprich, die Gerinnungswerte nicht kontrollieren. Mit Marcumar dagegen muss jeder Patient messen, der eine häufiger, der andere weniger häufig.

    Die neuen Mittel sind teuer. Wer sollte sie bekommen?

    Imhof: Das ist eine Frage der Abwägung. Hier in der Uniklinik behandeln wir fast keine Patienten mehr mit Marcumar, weil die Ergebnisse aus den klinischen Studien und Registern, die den Behandlungsalltag widerspiegeln, zeigen, dass es für die Patienten von Vorteil ist. Insbesondere die Einstellung auf Marcumar ist mit Risiken und Schwierigkeiten verbunden. Thrombosepatienten brauchen zum Teil nur für drei Monate eine Antikoagulation, aber bis sie auf Marcumar eingestellt sind, vergehen vielleicht schon drei oder vier Wochen. Die neuen Medikamente sind zwar teurer, aber aus medizinischer Sicht von Vorteil.

    Gibt es auch Patienten, für die die neuen Gerinnungshemmer nicht infrage kommen?

    Imhof: Ja. Bei starken Einschränkungen der Nierenfunktion sind sie nicht zugelassen. Und auch Patienten mit künstlichen Herzklappen dürfen sie nicht bekommen.

    Manche Patienten, die die neuen Mittel einnehmen, fürchten, bei einem Unfall beispielsweise verbluten zu müssen, weil es keine Gegenmittel gibt. Wird sich das in absehbarer Zeit ändern?

    Imhof: Es gibt zur Zeit weder für Marcumar noch für die neuen Mittel echte, zugelassene Gegenmittel. Man behilft sich damit, im Notfall die Gerinnungsfaktoren zu ersetzen, auch bei Marcumar. Für alle vier neuen Mittel sind aber bereits Gegenmittel in der Erprobung. Ob sie die Erwartungen erfüllen, die man an sie stellt, wissen wir noch nicht. Sie sind jedoch in der Entwicklung, und in Fachkreisen rechnet man mit einer Zulassung in den nächsten zwei bis drei Jahren. Die bisherigen Daten sehen nicht schlecht aus.

    Wie steht es um das Blutungsrisiko allgemein?

    Imhof: Es handelt sich insgesamt um hochwirksame Medikamente, sowohl bei Marcumar als auch bei den neuen Gerinnungshemmern. Mit allen erhöht man das Blutungsrisiko. Es ist daher nötig, Blutungs- und Thromboserisiko gegeneinander abzuwägen. Patienten mit Thrombose oder Lungenembolie müssen aber auf jeden Fall für eine gewisse Zeit Gerinnungshemmer nehmen. Denn eine Lungenembolie ist eine lebensgefährliche Erkrankung. Nur im Einzelfall muss man manchmal gut begründet von diesem Vorgehen abweichen.

    Ist unter Einnahme von Gerinnungshemmern jede Blutung bedrohlich?

    Imhof: Gefährlich sind Blutungen vor allem dann, wenn sie in in Körperhöhlen auftreten, zu denen man schlecht hinkommt – also im Bauchraum oder im Kopf. Dagegen ist es für den Patienten immer dann beunruhigend, wenn er Blut sieht, also bei Schnittverletzungen, Hämorrhoiden oder Zahnfleischbluten beispielsweise. Blutungen ins Gehirn kommen bei den neuen Gerinnungshemmern seltener vor. Kleinere Blutungen wie Nasenbluten werden erst gefährlich, wenn sie über Stunden oder Tage nicht gestillt werden können. Wenn die Zahnbürste beim Zähneputzen rot wird, muss man sich keine Sorgen machen.

    Was ist, wenn operiert werden muss?

    Imhof: Unter Einnahme von Gerinnungshemmern werden Operationen nur im absoluten Notfall gemacht. Man versucht zu warten, bis die Medikamentenwirkung abgeklungen ist. Und diese Zeit ist bei den neuen Gerinnungshemmern deutlich kürzer. Kleine Dinge wie das Ziehen eines Zahnes sind aber – abhängig vom individuellen Risiko des Patienten – auch unter Einnahme von Gerinnungshemmern möglich. Bei planbaren größeren Operationen sollte derjenige, der das Mittel verschrieben hat, mit dem Operateur das Vorgehen besprechen. Manchmal ist die beste Lösung, eine Operation für eine gewisse Zeit zu verschieben. Das muss im Einzelfall entschieden werden. Foto: agt

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