Was macht eine Frau, wenn sie mit ihrer Figur unzufrieden ist? Sie probiert Diäten aus, stellt die Ernährung um, treibt Sport. Auch Tanja Scheibenbogen hat all das versucht, doch ihre Oberschenkel blieben kräftig und passten damit nicht so recht zu ihrem schlanken Oberkörper. So wäre es weitergegangen, hätte sie sich nicht am Kreuzband verletzt.
Die Physiotherapeutin, die ihr Knie behandelte, stellte ihr eine entscheidende Frage: Ob sie schon einmal vom „Lipödem“ gehört habe? Nein, das Wort war für die 28-Jährige neu. Sie recherchierte über die Krankheit und suchte sich einen Arzt mit Erfahrung auf diesem Gebiet. Er stellte bald die Diagnose: Lipödem im zweiten Stadium.
Dabei handelt es sich um eine Fettverteilungsstörung, die nur Frauen betrifft. Aus ungeklärten Gründen vermehrt sich bei ihnen an den Beinen, manchmal auch an den Armen das Unterhautfettgewebe. „Bei den Betroffenen fällt ein disproportionales Verhältnis von Oberkörper und unterer Körperhälfte auf. Wenn sie normalgewichtig sind, haben sie zwar einen schlanken Oberkörper, die Gliedmaßen sind aber dick“, erklärt der Gefäßmediziner Professor Malte Ludwig, Chefarzt im Benedictus Krankenhaus Tutzing.
In den betroffenen Bereichen sind die kleinsten Blutgefäße, die Kapillaren, brüchig – was sich dadurch bemerkbar macht, dass sehr leicht Blutergüsse entstehen.
„Weil die Kapillaren fragil sind, tritt zudem vermehrt Flüssigkeit aus, die sich im Gewebe sammelt“, sagt Ludwig, der an der aktuellen Leitlinie „Lipödem“ als Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Angiologie mitgearbeitet hat. Die Beine erscheinen dadurch angeschwollen und reagieren empfindlich auf Druck, in der Regel haben die Patientinnen Schmerzen.
Auch Scheibenbogen beobachtet an sich, dass ihre Oberschenkel druckempfindlich sind und sie leicht blaue Flecken bekommt. „Die Beine sind wie gestaut. Wenn ich den ganzen Tag gearbeitet habe, spüre ich sie. Die Schmerzen halten sich aber zum Glück in Grenzen.“ Andere Frauen, berichtet sie, hätten allerdings viel ärgere Probleme.
Obwohl die 28-Jährige weiß, dass es sich beim Lipödem um eine chronische Erkrankung handelt, war sie ein Stück weit erleichtert, als sie die Diagnose bekam. „Dadurch wurde mir klar, warum ich am Bauch leicht abnehmen kann, nicht aber an den Oberschenkeln“, sagt sie. Doch die konservative Therapie, die bei Lipödemen empfohlen wird, kostet Zeit und Energie: Ein- bis zweimal pro Woche unterzieht sie sich einer manuellen Lymphdrainage, außerdem trägt sie eine Kompressionsstrumpfhose, die bis zum Bauchnabel reicht.
Ihr ist bewusst, dass die Therapie auch wichtig ist, um Folgeschäden zu vermeiden. Auch deshalb ist sie ihrer Physiotherapeutin für ihren Hinweis dankbar. „Ohne sie wäre ich da nicht draufgekommen. Deshalb dachte ich mir auch: Ich muss unbedingt andere aufklären.“ Daher startete Tanja Scheibenbogen einen Blog im Internet: loveliplive.blogspot.de. Er soll andere Frauen über die Krankheit informieren.
Wie häufig das Phänomen auftritt, ist unklar – die Angaben reichen von 0,1 bis knapp zehn Prozent aller Frauen. Auch über die Hintergründe der Krankheit weiß man wenig: Da sie fast immer in einer Phase hormoneller Umstellung, nämlich in der Pubertät, Schwangerschaft oder in den Wechseljahren, beginnt, geht man davon aus, dass Hormone eine Rolle spielen.
Behandelt wird ein Lipödem zunächst, wie bei Scheibenbogen, mit Lymphdrainagen und Kompressionstherapie. „Dadurch kann man die Schmerzen lindern“, sagt Ludwig. „Auch die Ödeme und die Disproportionalität nehmen dadurch ab.“ Wenn Patientinnen darauf nicht ansprechen, kommt eine Fettabsaugung (Liposuktion) in Frage. Dadurch lässt sich das krankhafte Fettgewebe verringern, wodurch sich die Beschwerden oft nachhaltig bessern.
Tipps für Betroffene Arztsuche: Frauen, die davon ausgehen, dass sie ein Lipödem haben, sollten zum Arzt gehen. Sie können entweder ihren Hausarzt auf das Problem ansprechen oder sich direkt an einen Facharzt für Gefäßkrankheiten wenden. Sport: Radfahren, Nordic Walking, Skilanglauf und Schwimmen fördern die Entstauung. Ernährung: Übergewicht vergrößert die Probleme: Die Gefahr wächst, zusätzlich ein Lymphödem zu entwickeln. Hilfe: Selbsthilfegruppen bieten Unterstützung. Informationen gibt es etwa bei der „Lipödem Hilfe Deutschland e.V.“ (www.lipoedem-hilfe-ev.de) oder beim „Verein zur Förderung der Lymphoedemtherapie“ (www.lymphverein.de). toll