Berlin Die „Sommerinterviews“ im ZDF haben eine lange Tradition: Auch in diesem Jahr stellen Spitzenpolitiker wie Kanzlerin Angela Merkel oder SPD-Chef Sigmar Gabriel den Fragen der Journalisten. Bettina Schausten, die Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios, interviewt zum Auftakt an diesem Sonntag, 12. Juli, Bundespräsident Joachim Gauck und verrät ihre Strategie gegen Politiker-Floskeln und Plattitüden.
Frage: Normalerweise führen Sie Interviews – jetzt aber werden Sie selbst interviewt. Was ist Ihnen lieber?
Bettina Schausten: Mir ist deutlich lieber, wenn ich die Fragen stelle, das ist ja mein Job. Und wenn es nötig ist, sind es auch mal unliebsame Fragen.
Die Politiker, die Sie interviewen, neigen nicht gerade zur spontanen Auskunft.
Schausten: Stimmt schon, und manchmal würde ich tatsächlich gerne mehr von meinen Gesprächspartnern überrascht werden. Politiker sind heutzutage erfahrene Medienprofis, sie wägen ihre Antworten sorgfältig ab und lassen sich eher ungern auf ein wirkliches Gespräch ein. Die Chance dazu ergibt sich bei den „Sommerinterviews“ noch am ehesten.
Geht es bei denen denn etwas entspannter zu als im politischen Alltagsbetrieb?
Schausten: Ja, vielleicht begegnet man sich tatsächlich etwas entspannter. Das Ganze findet ja auch nicht im Studio, sondern an einem anderen Ort, gerne auch im Freien, statt. Aber es sind deshalb keine netten Plaudereien, es geht genauso zur Sache wie sonst. Der Vorteil bei den „Sommerinterviews“ ist aber, dass man mehr Zeit hat nachzufragen und der Gesprächspartner auch mal den zweiten oder dritten Gedanken zu einem Thema entwickeln kann.
Handelt es sich bei Gesprächen vor der Kamera zwischen einem Politiker und einem Journalisten nicht immer um ein Ritual nach festgelegten Regeln?
Schausten: Natürlich haben politische Interviews manchmal auch Ritualcharakter, gerade im schnellen Tagesgeschäft. Da hört man sicher auch mal vorgefertigte Antworten. Bei den „Sommerinterviews“ geht es aber eigentlich um ein schönes Ritual, muss ich sagen. Dass wir nach wie vor daran festhalten, hat vor allem damit zu tun, dass wir mit diesen Gesprächen ja nicht nur schnelle News produzieren wollen, sondern auch mal stärker in die Köpfe der Politiker reingucken können. Was führt einen Politiker zu bestimmten Entscheidungen? Welche Ziele hat er? Was treibt ihn an? Das finde ich spannend.
Was unternehmen Sie gegen Floskeln, Plattitüden und Politiker-Blabla?
Schausten: Nachfragen. Die gute alte Methode des Nachhakens, es noch einmal aus einer anderen Richtung versuchen, nicht lockerlassen. Ein guter Trick ist auch, erwartbare Antworten schon vorwegzunehmen, um gleich zum Kern zu kommen. Das A und O ist aber, in der Sache gut vorbereitet zu sein. Das zwingt den Gesprächspartner zur Argumentation, das beste Rezept gegen Floskeln.
Was halten Sie davon, den Gesprächspartner zu unterbrechen?
Schausten: Das ist eine zweischneidige Geschichte, weil das Unterbrechen vom Zuschauer sehr schnell als Unhöflichkeit und nicht als Hartnäckigkeit wahrgenommen wird. Dennoch muss man manchmal unterbrechen, wenn jemand nicht zum Ende kommt.
Welche Fehler muss man als Journalist im Umgang mit Politikern vermeiden?
Schausten: Kumpanei. Man muss sich als politischer Journalist immer bewusst machen, dass man sich zwar mit den gleichen Dingen wie die Politiker beschäftigt, aber nicht auf der gleichen Seite steht. Die Rollenverteilung muss einem bewusst sein. Trotz örtlicher Nähe – zumal im politischen Berlin – muss man auf Abstand bleiben. Das ist gerade heutzutage enorm wichtig, weil viele Zuschauer ja auch den Verdacht hegen, Politiker und Journalisten steckten ohnehin unter einer Decke.