Augen zu, Mund auf: Was ist das bloß? Der erste Bissen schmeckt würzig und ein bisschen nussig. Ist das Fleisch? Oder doch ein Grünkernpflanzerl? Weit gefehlt. Es handelt sich um einen Insektenburger aus Soja und Buffalowürmern aus dem Supermarkt. Die Larven des Glänzendschwarzen Getreideschimmelkäfers sind im Bratling gut versteckt: Die Tierchen wurden fein vermahlen, sodass nichts in der braunen Masse an ihre Existenz erinnert. „Wir Westeuropäer sind den optischen Reiz nicht gewohnt“, sagt Max Krämer, einer der Geschäftsführer der Bugfoundation in Osnabrück, die den Burger auf den Markt gebracht hat. „Insektenmehl ist für uns deshalb ästhetischer.“
Mehlwürmer, Grillen, Heuschrecken und andere Krabbler, die in anderen Kontinenten seit langem verspeist werden, sind auch hierzulande auf dem Vormarsch. Immer mehr Restaurants sowie Einzel- und Onlinehändler bieten die kleinen Tiere als Lebensmittel an – oft in verarbeiteter Form, manchmal aber auch als Ganzes. Doch wie gesund ist eigentlich die „Entomophagie“, also das Essen von Insekten? Dazu sind noch einige Fragen offen, bemängeln Verbraucherschützer. Unbestritten ist, dass Insekten wertvolle Nährstoffe liefern. „Insekten können mit Milch oder Rindfleisch mithalten, denn sie enthalten viel hochwertiges Protein (Eiweiß) und Fett“, heißt es bei der Verbraucherzentrale Hamburg.
Günstige Fettzusammensetzung
Auch die Fettzusammensetzung ist günstig: Die Sechsbeiner sind reich an einfachen und mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Manche Arten enthalten außerdem reichlich Mineralstoffe wie Zink, Magnesium und Eisen sowie verschiedene B-Vitamine.
„Der Nährstoffgehalt hängt sehr stark vom Futter der Insekten ab“, erklärt die Lebensmitteltechnologin Dr. Birgit Rumpold von der TU Berlin. „Das ist wie bei der Milch von Kühen.“ So enthielten Larven, die sich von Fischabfällen ernährten, besonders viele ungesättigte Fettsäuren – doch das ist bislang nur von theoretischer Bedeutung: Insekten, die als Lebens- oder Futtermittel vorgesehen sind, dürfen nicht mit solchen Resten gefüttert werden. Abgesehen davon kommt es bei der Zusammensetzung sehr auf die Insektenart und ihre Entwicklung (Larve oder ausgewachsenes Tier) an: Bei Grillen und Heuschrecken kann der Eiweißgehalt bei mehr als 60 Prozent liegen. Käfer enthalten in der Regel weniger Proteine als die Hüpfer, dafür wesentlich mehr Fett. Noch einen weiteren Aspekt gibt die Verbraucherzentrale zu bedenken: Chitin, das unter anderem in Insektenpanzern vorkommt, ist unverdaulich und kann die Aufnahme anderer Stoffe behindern.
Deutsche essen überreichlich Eiweiß
Da sie viel hochwertiges Eiweiß und weitere Nährstoffe enthalten, könnten Insekten ein wichtiges Lebensmittel im Kampf gegen den Welthunger sein. In Deutschland allerdings nehmen die meisten Menschen laut Nationaler Verzehrstudie II mehr als genug Eiweiß zu sich.
So erklärt Britta Klein, Wissenschaftsredakteurin beim Bundeszentrum für Ernährung (BZfE): „Die Proteinversorgung in der menschlichen Ernährung hierzulande ist überreichlich.“ Vor allem äßen die meisten viel zu viel Fleisch und oft auch zu viel anderes tierisches Eiweiß, kritisiert sie. „Es wäre auf jeden Fall sinnvoller, anstelle von tierischem Eiweiß generell mehr Eiweiß aus Hülsenfrüchten zu essen. Erbsen, Bohnen und Linsen können bei uns angebaut werden, haben eine gute Wirkung auf die Böden und sind oft regional verfügbar. Und sie sind wahnsinnig vielseitig.“
Ansonsten fragen sich neugierige Verbraucher auch: Kann man krank werden, wenn man Insekten isst? Wer keine selbstgesammelten Krabbler, Angelköder aus der Zoohandlung oder Tierchen aus dubiosen Quellen brutzelt, muss in der Regel nicht viel befürchten. „Solang die Insekten nach europäischem Recht produziert wurden, sind sie auch sicher“, sagt Rumpold. Sonst hat die Entomophagie nämlich gewisse Risiken: Insekten können Pestizide, Schwermetalle und Giftstoffe anreichern, wenn sie entsprechendes Futter fressen. Außerdem ist es möglich, dass sie Krankheitserreger übertragen. Ausreichendes Erhitzen sei sehr wichtig, betont die Lebensmitteltechnologin, da bei Insekten normalerweise der Darm mitverarbeitet wird. Dort siedeln viele Mikroorganismen, möglicherweise auch Krankheitserreger, die auf den Menschen übertragen werden könnten. Laut Verbraucherzentrale Hamburg werden die bisher auf dem Markt befindlichen Insekten meistens zum raschen Töten tiefgefroren, danach gewaschen und aus Hygienegründen blanchiert.
Maikäfersuppe im 19. Jahrhundert
Problematisch kann der Genuss von Krabbeltieren für Allergiker sein: „Wer gegen Krustentiere oder Hausstaubmilben allergisch ist, kann auch auf Insekten reagieren“, sagt Rumpold. Diese Tiere gehören nämlich zum Stamm der Gliederfüßer. Wer also zum Beispiel eine Hausstaub- oder Garnelenallergie hat, kann eine allergische Kreuzreaktion bekommen, wenn er Insekten isst. Auf der Verpackung des Insektenburgers befindet sich daher auch ein Allergiehinweis.
Doch so exotisch wie sie manchem vorkommt, ist die die Entomophagie gar nicht. Schon im 19. Jahrhundert landeten auch in Deutschland ab und zu Sechsbeiner im Topf. In Nordhessen und Thüringen kam nach BZfE-Angaben saisonal eine Maikäfersuppe auf den Tisch, die ähnlich wie Krebssuppe geschmeckt haben soll. Im Magazin für die Staatsarzneikunde von 1844 wird sie als „vortreffliches und kräftiges Nahrungsmittel“ beschrieben.
Diese Insekten werden als Nahrung in Deutschland angeboten Weltweit sind etwa 1900 essbare Insektenarten bekannt. Davon werden nur wenige in Deutschland angeboten. Einige Beispiele. Mehlwurm (Tenebrio molitor): Die Larven des Mehlkäfers werden bis zu 30 Millimeter lang. Sie liefern viel Energie: Hundert Gramm gefriergetrockneter Larven enthalten im Schnitt 530 Kilokalorien. Der Fettanteil ist mit circa 35 Gramm besonders hoch. Der Proteinanteil liegt bei 45 Gramm. Die Würmer sollen leicht nussig schmecken. Heimchen (Acheta domesticus): Die bräunlichen Hausgrillen gibt es in ganz Deutschland. Hundert Gramm haben 470 Gramm Kilokalorien. Sie enthalten knapp 70 Gramm Eiweiß und etwa 20 Gramm Fett. Der Geschmack soll an Popcorn erinnern. Buffalowurm (Alphitobius diaperinus): Die Larven des weltweit verbreiteten Glänzendschwarzen Getreideschimmelkäfers erinnern an Mehlwürmer. In hundert Gramm sind rund 500 Kilokalorien. Sie enthalten im Schnitt etwa 60 Gramm Eiweiß und 25 Gramm Fett. Die Insekten haben ein nussiges Aroma. Wanderheuschrecke (Locusta migratoria): Die Insekten waren in der Antike geschätzt. Hundert Gramm gefriergetrockneter Tiere haben etwa 530 Kilokalorien. Der Fettanteil liegt bei 35 Gramm, der Eiweißanteil bei 50 Gramm. Der Geschmack wird als „hühnchenartig“ beschrieben. (toll)