Früher wurde sie vor allem von Rappern, Kleinkriminellen oder muskelbepackten Männern getragen, heute greifen auch Stars zum Schlabber-Look. Sängerin Madonna läuft schon seit Jahren am liebsten in Jogginghosen durch die Straßen von New York. Popstar Rihanna hat für das Sportlabel Puma sogar eine eigene Kollektion entworfen, die sie im März auf der Pariser Fashion Week zeigte. Im Mittelpunkt: Jogginghosen, Trainingsanzüge, Tenniskleider. Sogar der ehemalige US-Präsident Barack Obama zeigte sich immer wieder öffentlich mit Jogginghose.
Sportswear trifft Alltagsmode
„Frauen und Männer lieben Sachen, die sie nicht einengen und die bequem sind“, sagt Susanne Schwenger. Die 53-Jährige ist seit eineinhalb Jahren Managing Director bei s.Oliver in Rottendorf (Lkr.
Würzburg) und zuständig für Produkt und Marketing. Zum Interviewtermin trägt sie einen schwarzen Jog-Suit kombiniert mit Blazer, Glitzergürtel und Plateau-Turnschuhen. „Sportswear trifft Alltagsmode, das ist auf jeden Fall ein langfristiges Thema, das unsere Mode auch die nächsten Jahre begleiten wird“, sagt sie.
Um morgens zum Bäcker zu gehen, sei eine Jogginghose überhaupt kein Problem. „Fürs Büro kann man sie mit hochwertigen Accessoires wie einem Gürtel oder einer Lederjacke aufpeppen“, sagt Schwenger. Um eine Jogginghose alltagstauglich zu machen, wird sie nicht mit typischen Sport-Oberteilen kombiniert. „Eine weiße Bluse oder ein Blazer werten die Jogginghose auf“, erklärt Schwenger, die zuvor 18 Jahre bei Marc O'Polo als Creative Director Woman gearbeitet hat. Accessoires werden zum wichtigen Stil-Mittel: „Eine große Statement-Kette für Damen und elegante Schuhe für Herren erzeugen einen interessanten Kontrast zur lässigen Hose.“
Die Hosen bestehen aus leichten funktionalen Materialien
Natürlich sind die Freizeithosen, die modebewusste Großstädter heute tragen, nicht zu vergleichen mit den grauen, dicken Baumwoll-Beinkleidern aus früheren Jahren. Designer sprechen jetzt von Tracking- oder Jogsuits. Diese Hosen bestehen meist aus leichten, funktionalen Materialien, sind aber in Muster, Farbe und Details eher modisch. So gibt es auch Jogginghosen in Jeans- oder Lederoptik. Wobei die klassischen Merkmale, wie ein elastischer Bund und ein lockerer Sitz an Hüften und Oberschenkeln, eben immer noch typisch Jogginghose sind.
„In New York ist man schon vor Jahren nicht aufgefallen, wenn man seine Yoga-Leggings auch im Alltag getragen hat. Sportfirmen wie Nike und Adidas zählen längst zu den wichtigsten Fashion-Brands der Welt“, erläutert Mara Javorovic, Redakteurin bei der Fachzeitschrift TextilWirtschaft.
Die Verbindung von Sport und Mode sei kein kurzfristiger Trend. Sport und Fitness hätten einen immer höheren Stellenwert in der Gesellschaft und setzten damit wichtige Impulse für die Mode. Gleichzeitig spiele Komfort eine zentrale Rolle. „Heute würde sich keiner mehr in eine Jeans aus den 80ern zwängen – Stretch sei Dank!“
Streifen dienen als sportive Stilelemente
Auch beim Modekonzern René Lezard in Schwarzach (Lkr. Kitzingen) spielt alltagstaugliche Sportmode eine Rolle: „Wir zeigen komfortable Jersey-Artikel – sportiv umgesetzt in Form von lässigen Jogg-Styles, Leggins-Formen und neu interpretierten Sweaties, Blazern und Tageskleidern“, sagt Designerin Nora Peters. „Sportive Stilelemente wie Strickbündchen und Galon Streifen ziehen sich durch die Kollektion.“
Streetstyle oder Schlabberlook – nicht überall sind die bequemen Baumwollhosen gerne gesehen: Einige Schulen, darunter auch das Würzburger Deutschhaus-Gymnasium, hatten 2015 mit einem Dresscode für Schüler für Schlagzeilen gesorgt. Neben Hot-Pants und bauchfreien Tops stehen dort auch Jogginghosen auf dem Index. An dem Dresscode, der seitdem besteht, haben etwa 70 Schüler mitgearbeitet. Die US-Fluggesellschaft „United Airlines“ hat im März diesen Jahres zwei Teenagern den Flug untersagt. Der Grund: Sie trugen Leggings und dadurch sei ihre Unterwäsche zu sehen gewesen.
Mara Michel: Athletik ist das neue Schlank
„Trotz allem ist der Trend Athleisure – das Wort setzt sich zusammen aus den englischen Begriffen für Sport (Athletics) und Freizeit (Leisure) – nicht mehr zu stoppen. „Körperliche Fitness, Aktivsein und Gesundheit dienen zunehmend als Statussymbol“, sagt Susanne Schwenger von s.Oliver. Die kleine, quirlige Frau hat in Sigmaring Modedesign studiert und Mode von der Pike auf gelernt. „Sneakers waren ja auch ursprünglich mal Sportschuhe – doch mittlerweile haben sie ihren Weg in die High Fashion gefunden. Jede modebewusste Frau hat mindestens ein Paar im Schrank stehen.“
„Athletik ist das neue Schlank“, so formuliert es Mara Michel, Geschäftsführerin des Netzwerks Deutscher Mode- und Textildesigner. „Also Muskeln an der richtigen Stelle, keine Hungerhaken mehr, sondern gut durchtrainierte Körper“, so beschreibt die Würzburger Modefachfrau den Trend. Es mache Spaß und sei eine ästhetische Augenweide, sich sportlich durchtrainiert mit dem Körper zu zeigen. „Das haben die Sporthersteller begriffen. Sie machen die Mode und den Trend.“
Soziale Netzwerke sind wichtige Inspirationsquellen
Über soziale Netzwerke wie Facebook und vor allem Instagram wird der Trend zum User aufs Handy gespielt. „Soziale Medien sind gerade für junge Leute Inspirationsquelle Nummer eins“, sagt die Fachredakteurin Mara Javorovic. „Mode-Fans sind besonders aktive Nutzer, sie sehen sich fünf Mal so viele Fotos an wie der durchschnittliche Instagrammer“, erklärt Javorovic. „Die User besuchen für sie interessante Seiten im Schnitt 15 Mal pro Tag. Da kann kein Mode-Magazin mithalten.“
Bei dem Düsseldorfer Modeunternehmen „Jades24.com“ gibt es unter der Rubrik Hosen fast ausschließlich Jogginghosen und Leggins. „Die Materialien sind wesentlich hochwertiger geworden, was sich auch in den Preisen niederschlägt“, erklärt Katja Fröhlich, Geschäftsführerin der Bekleidungsfachschule Aschaffenburg, die bekleidungstechnische Assistenten und Bekleidungstechniker ausbildet. Jades24.com sei ziemlich nah am amerikanischen Markt und „absolut trendy“, sagt Fröhlich. Die günstigeste Jogginghose kostet dort etwa 59 Euro. Für Hosen von Fenty Puma by Rihanna kann man auch 250 Euro ausgeben.
Katja Fröhlich ist sich sicher, dass der Jogginghosen-Hype bleibt, „allerdings werden wieder mehr konfektionierte Mischformen kommen“. Ihr Tipp für den Sommer ist die lockere Hose mit seitlichen Streifen, zum Beispiel in Weiß mit gelben Streifen.
Sportmode für alle Lebenslagen
Die Verschmelzung von Sport und Lifestyle ist mehr als nur ein Trend, die Grenzen verschwinden zunehmend. Verdienen wollen alle daran, Modekonzerne und Sportartikelhersteller gleichermaßen. Textilriesen wie H&M oder Uniqlo bauen ihre Sportkollektionen aus. Nike, Adidas oder Puma machen schon lange nicht mehr nur Sport-, sondern auch Alltagsmode. „Unsere Produkte genießen eine große Popularität und werden in immer mehr Lebenslagen, auch abseits des Sportplatzes oder Fitness-Studios, getragen“, erklärt Katja Schreiber, Pressesprecherin von Adidas im mittelfränkischen Herzogenaurach. Wie viele Adidas-Kunden Sportmode wirklich nur zum Sport tragen und wie viele die Sachen auch oder nur im Alltag tragen, weiß sie nicht. „Genaue Zahlen dazu haben wir nicht“, so Schreiber.
Der Siegeszug der Jogginghose Athleisure: So heißt der Modetrend, bei dem Sportkleidung nicht mehr nur zum Sport, sondern auch im Büro, beim Einkaufen oder in der Bar getragen wird. Das Wort setzt sich zusammen aus den englischen Begriffen für Sport (Athletics) und Freizeit (Leisure) und umschreibt alltagstaugliche Sportkleidung. Erfinder: Der Franzose Émile Camuset soll die Jogginghose erfunden haben. Im ersten Katalog seiner Sportmarke „Le Coq Sportif“ von 1929 wurden Trainingshosen aus Jersey angeboten. Lange Anzüge gab es dann spätestens in der Broschüre von 1939. In den 70ern und 80ern eroberte die sportliche Mode den breiten Markt und zog in den 90ern endgültig in den Alltag ein. Die Rap- und Hip-Hop-Szene machte die Jogginghose gesellschaftsfähiger. Tag der Jogginghose: Aus einer Faschingslaune heraus riefen Schulfreunde aus dem österreichischen Graz am 21. Januar 2009 den „International Sweatpants Day“, den Internationalen Tag der Jogginghose, ins Leben. Seitdem wird er in jedem Jahr begangen – inzwischen weltweit. Anhänger gehen dann demonstrativ in der Baumwollhose zur Arbeit oder ins Restaurant. Da der Tag 2017 auf einen Samstag fällt, können auch Couch-Potatoes daheim in Jogginghose den Tag mitfeiern. clk