Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kultur
Icon Pfeil nach unten

80. Geburtstag: Der himmlische Michael Ballhaus

Kultur

80. Geburtstag: Der himmlische Michael Ballhaus

    • |
    • |
    Michael Ballhaus und eine der legendären 35-mm-Arriflex-Kameras.
    Michael Ballhaus und eine der legendären 35-mm-Arriflex-Kameras. Foto: Foto: dpa

    Michelle Pfeiffer rekelt sich im roten Glitzerkleid auf einem schwarzen Flügel, die Kamera fährt in einer einzigen, unendlich langsamen Bewegung ganz um sie herum. Mit dieser Einstellung hat der deutsche Kameramann Michael Ballhaus 1989 Filmgeschichte geschrieben.

    25 Jahre lang arbeitete der in Berlin geborene und in Franken aufgewachsene Künstler in Hollywood mit den wichtigsten Regisseuren zusammen, allein sieben Filme entstanden mit seinem Lieblingspartner Martin Scorsese. Drei Mal wurde er für einen Oscar nominiert. Morgen, Mittwoch (5. August), feiert er seinen 80. Geburtstag.

    Ein Interview mag Ballhaus aus gesundheitlichen Gründen nicht geben. Schon bei der Vorstellung seiner Lebenserinnerungen „Bilder im Kopf“ im vergangenen Jahr in Berlin hatte er berichtet, wie ihm der Grüne Star zunehmend das Augenlicht raubt. „Es sind die Farben, die bleiben, die Gesichter, das Leuchten weißer Lichter in einer dunkelblauen Nacht“, notiert er. Dennoch hat sich der Mann, für den zeitlebens die Augen das wichtigste Werkzeug waren, von der sich seit Jahrzehnten anschleichenden Krankheit nicht seinen Humor und seine Leidenschaft nehmen lassen. „Der Beruf war mein Traumberuf, meine Passion. Dass ich dafür auch noch Geld bekam, fand ich manchmal erstaunlich.“

    Ballhaus stammt aus einer Schauspielerfamilie – und wollte zuerst ebenfalls auf die Bühne. In seinen Erinnerungen „Bilder im Kopf“ bekennt er jedoch, dass die Eltern ihm nichts von ihrem Talent vererbt hätten. So kam es, das er gut 60 Jahren in Würzburg eine Lehre im Fotostudie Selliers absolvierte. „Diese Ausbildung war tatsächlich mein erster Schritt in meine Berufslaufbahn als Kameramann“, sagte er einmal in einem Gespräch mit dieser Zeitung.

    Seine Mutter Lena Hutter (1911-2003) und sein Vater Oskar Ballhaus (1908-1972) sind die Gründer des Fränkischen Theaters, das heute in Schloss Maßbach zu Hause ist und von Michael Ballhaus' Nichte Anne Maar geleitet wird. Onkel Carl Ballhaus stand nicht nur auf der Bühne, sondern auch vor der Kamera, beispielsweise in dem Film „Der blaue Engel“ von 1930. Helga Ballhaus, die erste Frau von Michael Ballhaus, war ebenfalls Schauspielerin. Die gemeinsamen Söhne Sebastian und Florian Ballhaus arbeiten auch im Filmgeschäft als Produzent beziehungsweise Kameramann. Seine Schwester Nele ging andere Wege, sie ist Familientherapeutin und Autorin. Für ihr Buch „Papa wohnt jetzt in der Heinrichstraße“ erhielt sie 1989 den Deutschen Jugendliteraturpreis. Ihr Mann ist der berühmte Kinderbuchautor Paul Maar, der 1937 in Schweinfurt geboren wurde.

    Nach Franken kam Michael Ballhaus bereits im Jahre 1943. Damals zog die Familie von Berlin nach Coburg. Dort gründeten die Eltern das Theater „Coburger Kulturkreis“. 1948 mieteten sie für ihr Theaterprojekt das Schloss in Wetzhausen. Dort lebten alle unter einem Dach: die Eltern samt neuer Partner, die Kinder und die Schauspieler. So war es dann auch in Maßbach. Bis heute hat Ballhaus seine Wurzeln in Franken nicht gekappt, er lebt zwischendurch in seinem Zweitwohnsitz – im alten Pfarrhaus von Eichelsdorf bei Hofheim. Lange war er auch in Los Angeles zu Hause.

    Eine beispiellose Beziehung verband Michael Ballhaus mit US-Starregisseur Scorsese. Vom ersten gemeinsamen Low-Budget-Film („After Hours“, 1985) bis zum 100 Millionen Dollar teuren Abschiedswerk „Departed“ (2006) mit Leonardo DiCaprio und Jack Nicholson in den Hauptrollen entwickelte das Duo eine eigene Bildsprache, die innovativ mit Licht, Raum und Bewegung arbeitet.

    Sein Blick liebe die Schauspieler, sagte er einmal. „Ich weiß, dass der Schauspieler viel Aufmerksamkeit und Konzentration von der Kamera braucht.“ Scorseses Bandenepos „Gangs of New York“ trug Ballhaus 2002 seine dritte Oscar-Nominierung ein – nach James L. Brooks' Komödie „Nachrichtenfieber“ (1987) und Steven Kloves' Nachtclubfilm „Die fabelhaften Baker Boys“ (1989). Die 360-Grad-Kamerafahrt – wie dort um Michelle Pfeiffer herum – wurde als „Ballhaus-Kreisel“ zu seinem Markenzeichen. Entdeckt hat er seine Leidenschaft schon als 18-Jähriger. Damals durfte er Max Ophüls beim Dreh für „Lola Montez“ zuschauen. Ihn faszinierte besonders die „bewegte, schwebende und kreisende Kamera, das magische Licht“, das, was später seine eigene Arbeit so besonders machen wird. Nach einem Start beim Fernsehen in Baden-Baden lernt er bald den jungen Rainer Werner Fassbinder kennen. Mit dem ebenso genialen wie exzentrischen Regisseur avanciert er in den 70er Jahren zum Vorzeige-Duo des Neuen Deutschen Films.

    Fünfzehn Filme machen die beiden zusammen, darunter Meisterwerke wie „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ (1972) und „Die Ehe der Maria Braun“ (1979). Nach vielen Reibereien kommt es bei der Romanverfilmung „Berlin Alexanderplatz“ 1980 zum Bruch – Ballhaus und seine Frau Helga halten es mit dem „Koks-Monster“, wie er schreibt, nicht mehr aus. Seine Frau, Mutter der beiden Söhne, bleibt auch nach dem späteren Umzug in die USA die wichtigste Begleiterin. Als sie 2006 nach fast 50 Jahren Ehe völlig unerwartet innerhalb von fünf Stunden an Krebs stirbt, kehrt Ballhaus ins heimatliche Berlin zurück. Seine Frau lässt er dort begraben.

    2011 heiratet er die um 25 Jahre jüngere Regisseurin Sherry Hormann, für deren Film „3096 Tage“ er ein letztes Mal hinter die Kamera tritt. „Sie war der Chef, ich tat, was sie mir sagte.“ Das klaustrophobische Drama, die Leidensgeschichte der acht Jahre in einem Kellerverlies gehaltenen Natascha Kampusch in Österreich, stieß auf ein recht geteiltes Echo.

    In seinen Jahren in Deutschland kümmerte sich Ballhaus nochmals intensiv um die Nachwuchsförderung. Er übernahm Lehraufträge an Filmhochschulen vor allem in Berlin und München, gründete eine Stiftung und lobte einen Preis für vielversprechende Kameraleute aus. Und auch wenn er seinen Geburtstag nicht groß feiert, werden viele Menschen an ihn denken. Hollywood-Regisseur Mike Nichols, mit dem er einst „Die Waffen der Frauen“ drehte, sagte einmal über Ballhaus: „Mit Michael zu arbeiten ist, als wäre man im Himmel – nur dass man dafür vorher nicht sterben muss.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden