(dpa) Anneliese Rothenberger zählte zu den erfolgreichsten deutschen Sängerinnen der Nachkriegszeit. Vor allem als Mozart- und Richard-Strauss-Interpretin ist die aus Mannheim stammende Sopranistin international berühmt geworden. Ihr besonderes Timbre und ihre Darstellungskunst machten sie zu einem begehrten Gast an allen namhaften Opernhäusern der Welt. Einem Millionenpublikum wurde die Sopranistin mit ihren Musiksendungen im Fernsehen seit den 70er Jahren bekannt. Am Pfingstmontag ist sie im Alter von 83 Jahren in ihrer Schweizer Wahlheimat am Bodensee gestorben, wie am gestrigen Dienstag bekannt wurde.
In den letzten Jahren, die Rothenberger zurückgezogen in ihrem Haus in der Gemeinde Salenstein verbrachte, widmete sie sich der Förderung junger Talente. Seit 1999 hatte sie alle zwei Jahre einen Gesangswettbewerb auf der Blumeninsel Mainau veranstaltet. Mit der Mainau-Grafenfamilie Bernadotte verband sie eine enge Freundschaft. Verehrer beschrieben die zartgliedrige, blonde Sängerin als „Lady von damenhafter Schönheit, gewitzt, intelligent, geschäftstüchtig und begabt“. Doch als „Lulu“ in Alban Bergs gleichnamiger Oper konnte sie auch zum „Luder mit Engelsgesicht“ werden, wie der Kritiker der „New York Times“ einst schrieb, als die Sängerin mit dieser Titelpartie Triumphe an der „Met“ feierte.
Ihre Begabung zeigt sich schon früh, so dass sie in Mannheim an der Musikakademie Gesangsunterricht bekommt. Nach ihrem Debüt am Stadttheater Koblenz wird sie 1948 Ensemblemitglied der Hamburger Staatsoper, bis sie 1956 nach Düsseldorf wechselt und ein Jahr später nach Wien. 1952 ist Rothenberger erstmals bei den Edinburgh-Festspielen zu Gast und legt damit den Grundstein für ihre internationale Karriere. Bald darauf folgt eine Einladung zu den Salzburger Festspielen, denen sie bis 1973 die Treue hält und dafür später mit der „Max-Reinhardt-Plakette“ geehrt wird.
1960 folgt ihr umjubeltes Debüt in New York als „Zdenka“ in der Strauss-Oper „Arabella“, 1961 ein Gastspiel an der Mailänder Scala. Lange Tourneen führen sie nach Südamerika (1952/53), in die USA und in die Sowjetunion (beide 1970). Ihr Repertoire umfasst auch Operettenpartien. Populär wird sie auch durch ihre Teilnahme an Musikfilmen. Bereits 1955 spielt sie in der englischen Verfilmung der „Fledermaus“ von Johann Strauß mit.
Ab 1970 gelingt ihr eine zweite Karriere im Fernsehen. Der älteren Generation ist sie mit Sendungen wie „Anneliese Rothenberger gibt sich die Ehre“ oder „Traumland Operette“, meist in pastellfarbenen Rüschenkleidern und mit Perlenkette, unvergessen.
Einige Kritiker rügen ihren Wechsel zur TV-Unterhaltung mit Millionenpublikum – doch sie bringt damit die Oper zum Volk. „Ach, das waren ein paar Blaustrümpfe, die mir das übel nahmen, aber das war kleinkariert gedacht“, sagt sie 2003 über ihre Kritiker. 1983 beendet sie ihre Opern-Karriere, 1989 gibt sie ihren letzten klassischen Liederabend. Zu einem Comeback lässt sie sich nicht überreden. Lieber sei ihr der Satz „Schade, man hört Sie gar nicht mehr“, als „Die Alte singt immer noch“, befand sie einmal.
Rothenberger ist mit vielen Preisen von „Bambis“ bis zum „Echo Klassik“ ausgezeichnet worden. Ihr Hobby war die Malerei. Ihre Blumenbilder zeigte sie vor allem auf Ausstellungen in der näheren Umgebung, beispielsweise auf der Mainau. In der Künstlerszene schon fast Seltenheitswert hatte ihre 44 Jahre dauernde Ehe mit dem Journalisten Gerd W. Dieberitz, der auch ihr Manager war. Ihr Mann war 1999 an Krebs gestorben.