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Cecilia Bartoli eröffnet den Kissinger Sommer

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Cecilia Bartoli eröffnet den Kissinger Sommer

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    Die Mezzosopranistin Cecilia Bartoli, die vor fünf Tagen 43 wurde, ist einer der erfolgreichsten Opernstars der Gegenwart. Die temperamentvolle Römerin, die neben ihrer Stimme mit Persönlichkeit und Charme überzeugt, hat weltweit mehr als sechs Millionen CDs verkauft. Am Donnerstag, 18. Juni, eröffnet sie um 20 Uhr den Kissinger Sommer mit Arien von Georg Friedrich Händel. Die Römerin erregte immer wieder Aufsehen mit der Veröffentlichung vergessener Opernarien.Eines ihrer jüngsten Alben ist der Operndiva Maria Malibran (1808 bis1836) gewidmet.

    Frage: Maria Malibran, die Primadonna aus dem 19. Jahrhundert, gilt als die erste international gefeierte Operndiva. Sehen Sie sich selbst auch als eine Diva?

    Cecilia Bartoli: Die Malibran war eine Göttin – im wahrsten Sinne des Wortes „Diva“, das ja vom Lateinischen „divus“ (göttlich) abstammt. Diese junge Frau hatte nicht nur eine unglaubliche Stimme und spielte mehrere Instrumente, sie komponierte auch. Ich bezweifle, dass es nach ihr jemals wieder eine so vollkommene Diva gegeben hat. Selbst im Vergleich zu den ganz Großen wie die Callas war die Malibran ein einmaliges Phänomen. Und zwar nicht, weil sie außerordentlich hübsch war – angeblich war sie klein und nicht besonders schön –, sondern weil sie unglaublich charismatisch und musikalisch war. Ich glaube, heutzutage kann sich keine mit ihr vergleichen. Deshalb würde ich mich selbst auch nicht als Diva in diesem Sinne bezeichnen.

    Maria Malibran führte ein ausschweifendes Leben, bevor sie im Alter von 28 Jahren starb. Kann sich ein Opernstar heutzutage so einen Lebenswandel erlauben?

    Bartoli: Man kann die Opernsänger des 19. Jahrhunderts nur mit den heutigen Popstars vergleichen. Die Malibran war die Madonna des 19. Jahrhunderts. Sie trat mit Stücken auf, die extra für sie komponiert worden waren – so wie die Popmusiker heute. Wir dagegen treten mit Musik auf, die vor 200 Jahren komponiert wurde, live und ohne Mikrofon, zumindest in den meisten Theatern und Konzertsälen. Als Opernsänger braucht man definitiv viel Disziplin, in etwa so viel wie ein Leistungssportler. Als richtig junger Sänger kann man sich auch einmal eine Nacht um die Ohren schlagen und am nächsten Abend einen guten Auftritt haben – aber eben nur einen guten Auftritt, nicht zehn. Ich versuche, mein Leben so weit wie möglich zu genießen. Aber gleichzeitig trage ich eine große Verantwortung. Wenn ich Mozart oder Bellini richtig gut singen und die Musik respektieren will, muss ich ausgeruht sein, um mein Bestes geben zu können. Das geht nur, wenn man seine Stimme unter Kontrolle hat.

    Der Brite Paul Potts, der durch eine TV-Talentshow und einen Werbespot bekannt wurde, stand in Deutschland mit seinem Klassik-Pop-Album wochenlang an der Spitze der Charts. Die Arie „Nessun dorma“ aus Puccinis Oper „Turandot“ sang er sogar in der Münchner Allianz Arena vor Fußball-Fans. Lassen sich durch solche Auftritte neue Freunde für die klassische Musik gewinnen?

    Bartoli: „Nessun dorma“ sind nur etwa sieben Minuten aus einer dreistündigen Oper. Ich frage mich, wie viele Menschen sich wegen „Nessun dorma“ tatsächlich die ganze Oper „Turandot“ ansehen. Vielleicht wären sie sogar ein bisschen enttäuscht, weil sie zwei Stunden lang auf „Nessun dorma“ warten müssten. Aber ich bin immer offen für Experimente, und wenn es ein Mittel sein sollte, „Turandot“ beliebter zu machen, wäre das eine wunderbare Gelegenheit. Es hängt natürlich vom Repertoire ab. Bestimmte Stücke funktionieren auf Open-Air-Bühnen mit Lautsprechern. Für Händel oder Bellini braucht man jedoch eine intimere Atmosphäre. Ein kluger Musiker, oder zumindest jener, der die Musik wirklich liebt, wird die richtige Entscheidung treffen und intime Musik in intimem Ambiente spielen. Ich bin nicht grundsätzlich gegen Open-Air-Konzerte oder Events dieser Art. Manchmal funktionieren sie, manchmal sind sie aber auch langweilig – das hängt von der Musik ab.

    In der Öffentlichkeit wurde Paul Potts' Aussehen ausgiebig kommentiert. Wäre eine Frau mit einem vergleichbaren Erscheinungsbild ebenso erfolgreich in der Musikbranche?

    Bartoli: Ich würde zum Beispiel gerne erleben, dass eine Frau zu den größten Dirigenten der Musikwelt gehört. Die Branche wird immer noch von Männern dominiert. Es wäre toll, wenn wir einen weiblichen Karajan hätten. Das Aussehen spielt heutzutage nun mal eine große Rolle. In unserer Gesellschaft braucht man sogar für einen Waschmaschinen-Fernsehspot eine schöne Frau. Am Ende denke ich aber, dass man für einen guten Auftritt – egal, ob mit Pop- oder klassischer Musik – ebenso viel Charisma braucht. Wer nur gut aussieht, aber kein Gefühl vermitteln kann, überlebt nicht. Und für Männer ist das Leben heutzutage auch nicht einfach. Inzwischen müssen sie genauso an sich und ihrem Aussehen arbeiten wie wir Frauen. In gewissem Sinne ist das heute gerechter, weil das früher nur für Frauen galt.

    Ihre Kollegin Anna Netrebko machte mit der Geburt ihres ersten Sohnes Schlagzeilen. Sie leben mit Ihrem Verlobten, dem Schweizer Bariton Oliver Widmer, in der Nähe von Zürich. Planen Sie auch, demnächst eine Familie zu gründen?

    Bartoli: Ich habe ein sehr schönes und glückliches Privatleben, weil ich es privat halte. Mir gelingt es immer noch, meinen Beruf von meinem Privatleben zu trennen. Ich denke, es hängt von der Bereitschaft eines Künstlers ab, sein Privatleben abzugrenzen. Die Callas zum Beispiel hatte irgendwann kein Privatleben mehr, weil sie selbst es so wollte, und das hat sie gewissermaßen zerstört. Sie musste einen sehr hohen Preis zahlen.

    Restkarten für den Auftritt Bartolis und Tickets für den Kissinger Sommer (18. Juni bis 19. Juli) unter Tel. (09 71) 8 07 11 10. Weitere Infos im Internet: www.kissingersommer.de

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