Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kultur
Icon Pfeil nach unten

KLINGENBERG: Clingenburg: „Hair“ als friedlicher Aufruhr gegen Krieg

KLINGENBERG

Clingenburg: „Hair“ als friedlicher Aufruhr gegen Krieg

    • |
    • |
    Schillernd: Das Hippie-Musical „Hair“ hatte bei den Clingenburg Festspielen Premiere.
    Schillernd: Das Hippie-Musical „Hair“ hatte bei den Clingenburg Festspielen Premiere. Foto: Foto: Clingenburg-Festspiele–

    USA 1968: Das massive militärische Engagement der Vereinigten Staaten im Vietnamkrieg spaltet die Nation. Mitten hinein in die oft gewalttätigen Auseinandersetzungen platzt mit dem Musical „Hair“ (Musik: Galt MacDermot, text: Ragnis/Rado) eine knallbunte Friedensbotschaft: „Defätistisch und versaut“ wüten die Falken – „zukunftsweisend friedlich und befreiend frivol“ jubeln die Hippies.

    Bei der schillernden und bewegenden Premiere zum Auftakt der Clingenburg Festspiele 2016 gewinnen die Blumenkinder mit ihrer flippigen Weltsicht die Herzen der rund 500 Zuschauer.

    Regisseur Peter Rein arbeitet den harschen Konflikt zwischen der aufbegehrenden Peace-Freedom-Happiness-Bewegung und dem konservativen God-Bless-America-Establishment nachdrücklich heraus. Aus den verführerischen Träumen des Hasch-Rausches wird der mit über 20 Personen üppig besetzte Tribe, die Gemeinschaft der Hippies, herausgerissen durch die Konfrontation mit einem mörderischen Krieg. Dabei besticht die durchgestylte Choreografie von Ronny Bartsch mit militärischem Schliff ebenso wie mit der ausgelassenen Bewegungslust der Flower-Power-Gemeinschaft.

    Deren oft kindliche Freude an exaltiertem Tanz und drogenbefeuerte Lust an laszivem Gebaren soll und will anstößig sein: Der Drang zur sexuellen Freizügigkeit ist präsent, aber nicht dominant.

    Die freie Bühnenfläche bietet Christian Baumgärtel Raum für originelle Versatzstücke, unter denen das rosarote Stuhl-Auto bei jedem kuriosen Einsatz den größten Lacherfolg erzielt. Die Kostüme von Isa Mehnert reflektieren die farbenfrohe Drogenwelt und die etablierte Anzugsordnung der feinen Gesellschaft sowie des olivfarbenen Militärs. Bei den zahlreichen Szenen- und Kostümwechseln im temporeichen Spiel leisten Kathrin Kärger und Maximilian Bär als Ankleider reibungslose Arbeit.

    Im Mittelpunkt der Handlung (Sprechtexte deutsch, Liedtexte englisch) steht der intelligente Kriegsdienstverweigerer Berger, der sich „sein Haar nicht vom Stahlhelm frisieren lassen will“ und mit verbindlichem Charme auf gesellschaftliche Veränderungen drängt. In dieser Rolle bringt ein großartiger Lars Schmitt das Publikum mit seinem „I got Life“-Song und dem Tanz auf dem Tisch zum Jubeln. Schüchtern und verwirrt begegnet Marcel Kaiser als Claude Hooper Bukowski der durchgeknallten Hippie-Welt, in die er hineingezogen, aber dort nicht heimisch wird.

    David Krohn als Woof rockt mit dem fetzigen Titelsong „Hair“ den Knast. Mit beißender Selbstironie nimmt Quatis Tarkington mit „Colored Spade“ Vorurteile gegen die „Nigger“ aufs Korn.

    In den weiblichen Rollen überzeugen unter anderem Julia Hell als quirlige Sheila und Georgia Reh mit ihrem ergreifenden, tränennahen „Easy to be hard“. Bei den Lobliedern auf die männlichen Qualitäten der „Black Boys“ tänzeln Sandra Leitner, Loraine Dere und Franziska Lißmeier als flotte Cheer-Girls herum, während die „White Boys“ von Mariama Ebel, Carmen Victoria Enste und Georgia Reh im sexy glitzernden Outfit in den Himmel der Begierde gehoben werden.

    Nach 135 Minuten glänzender Musical-Unterhaltung danken die Zuschauer mit stehendem Applaus und zehnminütigem „Let the Sunshine in“-Schlusschor.

    Auf dem Spielplan bis zum 31. Juli. Karten: Tel. (0 93 72) 30 40 oder 92 12 59

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden