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WÜRZBURG: Der Riemenschneider-Schüler, der dem Meister nicht folgte

WÜRZBURG

Der Riemenschneider-Schüler, der dem Meister nicht folgte

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    Unerschrocken reist die christliche Seele durch Widrigkeiten und Versuchungen des irdischen Lebens. Eine gefahrenvolle Fahrt übers Meer. Der Erlöser ist das Ziel, der aus dem „Ewig Vaterland“ winkt. Der Atem Gottvaters, der aus den Wolken blickt, treibt das Schiff der reisenden Seele an. „Der Leib“ steht auf dem Segel, „Fleisch und Blut“ auf dem Boot. Ein Kompass, auf dem „Gotes Wort“ steht, weist die Richtung, voran geht es mit dem Ruder, das „Christlich Leben“ heißt. 1534 hat Peter Dell die Allegorie auf den christlichen Heilsweg aus Ahornholz geschnitzt. Im Jahr seiner Rückkehr in seine Heimatstadt Würzburg. Fabulierlustig und detailfreudig formt er Tod und Teufel, Apostelfiguren und Wellen des Jammermeers. Und wie in so vielen seiner Arbeiten legt Peter Dell Wert auf Draperien, lässt Figuren und Objekte von Stoff und Tuch umspielen. Das trostspendende Bibelzitat in deutscher Sprache, das die bedeutungsschwangere Darstellung kommentiert, macht das Relief zum Dokument seiner Zeit. Eine Zeit voller Glaubenszweifel, eine Zeit der konfessionellen Umbrüche. Ursprünglich, erzählt die Kunsthistorikerin Claudia Lichte, war das 50 mal 70 Zentimeter große hölzerne Bild wohl mit verschließbaren Türchen versehen. Die Scharniere hinter dem jüngeren Rahmen verraten es. Im privaten Ambiente, sagt Lichte, wurden die Flügel aufgeklappt – eine „Diskussionsgrundlage für Gelehrtenkreise“. Dann wurde betrachtet und gelesen, wurde gesprochen über Sinnbild, über Heilsgewissheit. Vermutlich auch kontrovers angesichts der altgläubigen wie reformatorischen Inhalte. Würzburg in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts – „es ist eine neue Zeit, auch für einen Bildhauer“, sagt Claudia Lichte. Das inhaltsreiche Kleinbildwerk von anno 1534 ist ab diesem Wochenende im Museum für Franken zu sehen, ausgeliehen vom Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Denn zum ersten Mal widmet sich eine Ausstellung ganz dem bildhauerischen Werk Peter Dells des Älteren. Einem Künstler, über den nicht viel bekannt ist, dessen Leben die Kunsthistoriker wie Detektive nachspüren müssen. Aber Museumsleiterin Claudia Lichte hatte Dell lange schon im Blick. Und eine Sonderschau – „wann, wenn nicht jetzt, im Reformationsjahr“. Dells Lebensweg zeigt, wie die Wirren der Reformationszeit sich in Leben und Werk der Künstler niederschlugen. Die Nachfrage nach großen Flügelaltären ging zurück, es war eine Zeit der Verunsicherung, die Auftragslage war schlecht, Künstler mussten schauen, wo sie blieben. Auch Peter Dell muss auf Wanderschaft gegangen sein. Was man durch Lehrlisten weiß: Dass er um 1510 als Lehrknabe in der Werkstatt Tilman Riemenschneiders lernte. Wohl für zwei bis vier Jahre, wie es damals üblich war. Dann ist sein Name ab 1534 wieder hier in der Region nachgewiesen: auf vielen Grabdenkmälern vor allem. Und dazwischen? „Es wird angenommen, dass Dell bei Hans Leinberger in Landshut in der Werkstatt war“, sagt Lichte. Die spätere Formensprache spricht dafür, die nichts mehr von Riemenschneider, aber viel von Leinberger hatte. Wo Riemenschneider etwa den Körper einer Mutter Gottes ganz unter Gewändern verbirgt, hebt Leinberger die Gliedmaßen hervor, wirft große Falten und arbeitet geflochtene Kordeln oder Fransen heraus wie bei byzantinischen Figuren. Von Landshut trieb es Dell vermutlich weiter nach Wien, dann zurück an den Untermain. Und als 1525 der Bauernkrieg nahte, ging der junge Bildhauer ins albertinische Sachsen, wo er am Freiberger Hof Heinrichs des Frommen tätig war. Mit jeder Station wechselten nicht nur die Auftraggeber, sondern auch die Anforderungen: Heiligenfiguren für Altarschreine, Bildwerke zur Kirchenausstattung bis hin zu Kleinplastiken und detaillierten Reliefs.  Und eben die widmen sich mal altgläubigen, mal reformatorischen Inhalten. Als Bildhauermeister in Würzburg trat Dell wohl nach dem Tod seines Lehrherrn Riemenschneider im Jahr 1531 in dessen Fußstapfen. Drei Mal war er Zunftgeschworener in der Stadt. Mit Porträtmedaillen und Grabdenkmälern sicherte er sich seinen Lebensunterhalt. So wie später sein Sohn, Peter Dell der Jüngere, der nach dem Tod des Vaters 1552 den Betrieb weiterführte. Die Sonderausstellung führt nur 17 Katalognummern auf – „Gelegenheit und Aufforderung, sich auf das einzelne Objekt einzulassen“, sagt Claudia Lichte. Spannend ist der Vergleich mit Riemenschneider und Leinberger. Eine Leihgabe wird erst ab 7. November zu sehen sein: Die sechs erhaltenen Allegorien der sieben Todsünden, die Dell um 1540 schuf. „Zauberhafte Figuren in der Mode der Zeit“, sagt Lichte. Bis dahin sind die Figuren in Coburg zu sehen – in der Reformationsschau. Die Ausstellung „Peter Dell der Ältere – Zwischen Riemenschneider und Reformation“ ist zu sehen bis 7. Januar. Das Museum für Franken auf der Würzburger Festung hat im Oktober täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr geöffnet, ab 1. November 10 bis 16 Uhr. Lesenswert ist der Katalog mit vielen Abbildungen (136 Seiten, 21,50 Euro).
    Unerschrocken reist die christliche Seele durch Widrigkeiten und Versuchungen des irdischen Lebens. Eine gefahrenvolle Fahrt übers Meer. Der Erlöser ist das Ziel, der aus dem „Ewig Vaterland“ winkt. Der Atem Gottvaters, der aus den Wolken blickt, treibt das Schiff der reisenden Seele an. „Der Leib“ steht auf dem Segel, „Fleisch und Blut“ auf dem Boot. Ein Kompass, auf dem „Gotes Wort“ steht, weist die Richtung, voran geht es mit dem Ruder, das „Christlich Leben“ heißt. 1534 hat Peter Dell die Allegorie auf den christlichen Heilsweg aus Ahornholz geschnitzt. Im Jahr seiner Rückkehr in seine Heimatstadt Würzburg. Fabulierlustig und detailfreudig formt er Tod und Teufel, Apostelfiguren und Wellen des Jammermeers. Und wie in so vielen seiner Arbeiten legt Peter Dell Wert auf Draperien, lässt Figuren und Objekte von Stoff und Tuch umspielen. Das trostspendende Bibelzitat in deutscher Sprache, das die bedeutungsschwangere Darstellung kommentiert, macht das Relief zum Dokument seiner Zeit. Eine Zeit voller Glaubenszweifel, eine Zeit der konfessionellen Umbrüche. Ursprünglich, erzählt die Kunsthistorikerin Claudia Lichte, war das 50 mal 70 Zentimeter große hölzerne Bild wohl mit verschließbaren Türchen versehen. Die Scharniere hinter dem jüngeren Rahmen verraten es. Im privaten Ambiente, sagt Lichte, wurden die Flügel aufgeklappt – eine „Diskussionsgrundlage für Gelehrtenkreise“. Dann wurde betrachtet und gelesen, wurde gesprochen über Sinnbild, über Heilsgewissheit. Vermutlich auch kontrovers angesichts der altgläubigen wie reformatorischen Inhalte. Würzburg in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts – „es ist eine neue Zeit, auch für einen Bildhauer“, sagt Claudia Lichte. Das inhaltsreiche Kleinbildwerk von anno 1534 ist ab diesem Wochenende im Museum für Franken zu sehen, ausgeliehen vom Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Denn zum ersten Mal widmet sich eine Ausstellung ganz dem bildhauerischen Werk Peter Dells des Älteren. Einem Künstler, über den nicht viel bekannt ist, dessen Leben die Kunsthistoriker wie Detektive nachspüren müssen. Aber Museumsleiterin Claudia Lichte hatte Dell lange schon im Blick. Und eine Sonderschau – „wann, wenn nicht jetzt, im Reformationsjahr“. Dells Lebensweg zeigt, wie die Wirren der Reformationszeit sich in Leben und Werk der Künstler niederschlugen. Die Nachfrage nach großen Flügelaltären ging zurück, es war eine Zeit der Verunsicherung, die Auftragslage war schlecht, Künstler mussten schauen, wo sie blieben. Auch Peter Dell muss auf Wanderschaft gegangen sein. Was man durch Lehrlisten weiß: Dass er um 1510 als Lehrknabe in der Werkstatt Tilman Riemenschneiders lernte. Wohl für zwei bis vier Jahre, wie es damals üblich war. Dann ist sein Name ab 1534 wieder hier in der Region nachgewiesen: auf vielen Grabdenkmälern vor allem. Und dazwischen? „Es wird angenommen, dass Dell bei Hans Leinberger in Landshut in der Werkstatt war“, sagt Lichte. Die spätere Formensprache spricht dafür, die nichts mehr von Riemenschneider, aber viel von Leinberger hatte. Wo Riemenschneider etwa den Körper einer Mutter Gottes ganz unter Gewändern verbirgt, hebt Leinberger die Gliedmaßen hervor, wirft große Falten und arbeitet geflochtene Kordeln oder Fransen heraus wie bei byzantinischen Figuren. Von Landshut trieb es Dell vermutlich weiter nach Wien, dann zurück an den Untermain. Und als 1525 der Bauernkrieg nahte, ging der junge Bildhauer ins albertinische Sachsen, wo er am Freiberger Hof Heinrichs des Frommen tätig war. Mit jeder Station wechselten nicht nur die Auftraggeber, sondern auch die Anforderungen: Heiligenfiguren für Altarschreine, Bildwerke zur Kirchenausstattung bis hin zu Kleinplastiken und detaillierten Reliefs. Und eben die widmen sich mal altgläubigen, mal reformatorischen Inhalten. Als Bildhauermeister in Würzburg trat Dell wohl nach dem Tod seines Lehrherrn Riemenschneider im Jahr 1531 in dessen Fußstapfen. Drei Mal war er Zunftgeschworener in der Stadt. Mit Porträtmedaillen und Grabdenkmälern sicherte er sich seinen Lebensunterhalt. So wie später sein Sohn, Peter Dell der Jüngere, der nach dem Tod des Vaters 1552 den Betrieb weiterführte. Die Sonderausstellung führt nur 17 Katalognummern auf – „Gelegenheit und Aufforderung, sich auf das einzelne Objekt einzulassen“, sagt Claudia Lichte. Spannend ist der Vergleich mit Riemenschneider und Leinberger. Eine Leihgabe wird erst ab 7. November zu sehen sein: Die sechs erhaltenen Allegorien der sieben Todsünden, die Dell um 1540 schuf. „Zauberhafte Figuren in der Mode der Zeit“, sagt Lichte. Bis dahin sind die Figuren in Coburg zu sehen – in der Reformationsschau. Die Ausstellung „Peter Dell der Ältere – Zwischen Riemenschneider und Reformation“ ist zu sehen bis 7. Januar. Das Museum für Franken auf der Würzburger Festung hat im Oktober täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr geöffnet, ab 1. November 10 bis 16 Uhr. Lesenswert ist der Katalog mit vielen Abbildungen (136 Seiten, 21,50 Euro). Foto: Patty Varasano

    Unerschrocken reist die christliche Seele durch Widrigkeiten und Versuchungen des irdischen Lebens. Eine gefahrenvolle Fahrt übers Meer. Der Erlöser ist das Ziel, der aus dem „Ewig Vaterland“ winkt. Der Atem Gottvaters, der aus den Wolken blickt, treibt das Schiff der reisenden Seele an. „Der Leib“ steht auf dem Segel, „Fleisch und Blut“ auf dem Boot. Ein Kompass, auf dem „Gotes Wort“ steht, weist die Richtung, voran geht es mit dem Ruder, das „Christlich Leben“ heißt.

    1534 hat Peter Dell die Allegorie auf den christlichen Heilsweg aus Ahornholz geschnitzt. Im Jahr seiner Rückkehr in seine Heimatstadt Würzburg. Fabulierlustig und detailfreudig formt er Tod und Teufel, Apostelfiguren und Wellen des Jammermeers.

    Und wie in so vielen seiner Arbeiten legt Peter Dell Wert auf Draperien, lässt Figuren und Objekte von Stoff und Tuch umspielen. Das trostspendende Bibelzitat in deutscher Sprache, das die bedeutungsschwangere Darstellung kommentiert, macht das Relief zum Dokument seiner Zeit.

    Eine Zeit der Ungewissheiten

    Eine Zeit voller Glaubenszweifel, eine Zeit der konfessionellen Umbrüche. Ursprünglich, erzählt die Kunsthistorikerin Claudia Lichte, war das 50 mal 70 Zentimeter große hölzerne Bild wohl mit verschließbaren Türchen versehen. Die Scharniere hinter dem jüngeren Rahmen verraten es. Im privaten Ambiente, sagt Lichte, wurden die Flügel aufgeklappt – eine „Diskussionsgrundlage für Gelehrtenkreise“. Dann wurde betrachtet und gelesen, wurde gesprochen über Sinnbild, über Heilsgewissheit. Vermutlich auch kontrovers angesichts der altgläubigen wie reformatorischen Inhalte.

    Würzburg in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts – „es ist eine neue Zeit, auch für einen Bildhauer“, sagt Claudia Lichte. Das inhaltsreiche Kleinbildwerk von anno 1534 ist ab diesem Wochenende im Museum für Franken zu sehen, ausgeliehen vom Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg.

    Denn zum ersten Mal widmet sich eine Ausstellung ganz dem bildhauerischen Werk Peter Dells des Älteren. Einem Künstler, über den nicht viel bekannt ist, dessen Leben die Kunsthistoriker wie Detektive nachspüren müssen. Aber Museumsleiterin Claudia Lichte hatte Dell lange schon im Blick. Und eine Sonderschau – „wann, wenn nicht jetzt, im Reformationsjahr“. Dells Lebensweg zeigt, wie die Wirren der Reformationszeit sich in Leben und Werk der Künstler niederschlugen. Die Nachfrage nach großen Flügelaltären ging zurück, es war eine Zeit der Verunsicherung, die Auftragslage war schlecht, Künstler mussten schauen, wo sie blieben. Auch Peter Dell muss auf Wanderschaft gegangen sein.

    Landshut, Wien, Freiberg

    Was man durch Lehrlisten weiß: Dass er um 1510 als Lehrknabe in der Werkstatt Tilman Riemenschneiders lernte. Wohl für zwei bis vier Jahre, wie es damals üblich war. Dann ist sein Name ab 1534 wieder hier in der Region nachgewiesen: auf vielen Grabdenkmälern vor allem. Und dazwischen? „Es wird angenommen, dass Dell bei Hans Leinberger in Landshut in der Werkstatt war“, sagt Lichte. Die spätere Formensprache spricht dafür, die nichts mehr von Riemenschneider, aber viel von Leinberger hatte.

    Wo Riemenschneider etwa den Körper einer Mutter Gottes ganz unter Gewändern verbirgt, hebt Leinberger die Gliedmaßen hervor, wirft große Falten und arbeitet geflochtene Kordeln oder Fransen heraus wie bei byzantinischen Figuren.

    Von Landshut trieb es Dell vermutlich weiter nach Wien, dann zurück an den Untermain. Und als 1525 der Bauernkrieg nahte, ging der junge Bildhauer ins albertinische Sachsen, wo er am Freiberger Hof Heinrichs des Frommen tätig war.

    Mit jeder Station wechselten nicht nur die Auftraggeber, sondern auch die Anforderungen: Heiligenfiguren für Altarschreine, Bildwerke zur Kirchenausstattung bis hin zu Kleinplastiken und detaillierten Reliefs.

    Figuren in der Mode der Zeit

    Und eben die widmen sich mal altgläubigen, mal reformatorischen Inhalten. Als Bildhauermeister in Würzburg trat Dell wohl nach dem Tod seines Lehrherrn Riemenschneider im Jahr 1531 in dessen Fußstapfen. Drei Mal war er Zunftgeschworener in der Stadt. Mit Porträtmedaillen und Grabdenkmälern sicherte er sich seinen Lebensunterhalt. So wie später sein Sohn, Peter Dell der Jüngere, der nach dem Tod des Vaters 1552 den Betrieb weiterführte. Die Sonderausstellung führt nur 17 Katalognummern auf – „Gelegenheit und Aufforderung, sich auf das einzelne Objekt einzulassen“, sagt Claudia Lichte.

    Spannend ist der Vergleich mit Riemenschneider und Leinberger. Eine Leihgabe wird erst ab 7. November zu sehen sein: Die sechs erhaltenen Allegorien der sieben Todsünden, die Dell um 1540 schuf. „Zauberhafte Figuren in der Mode der Zeit“, sagt Lichte. Bis dahin sind die Figuren in Coburg zu sehen – in der Reformationsschau.

    Die Ausstellung „Peter Dell der Ältere – Zwischen Riemenschneider und Reformation“ ist zu sehen bis 7. Januar. Das Museum für Franken auf der Würzburger Festung hat im Oktober täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr geöffnet, ab 1. November 10 bis 16 Uhr. Lesenswert ist der Katalog mit vielen Abbildungen (136 Seiten, 21,50 Euro).

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