(dpa) Winfried Glatzeder schlägt sich zu seinem 65. Geburtstag mit einer Nervensäge herum. Als Profikiller steht der Schauspieler ab 9. Mai am Berliner Kudamm-Theater in der Komödie „Die Nervensäge“ auf der Bühne – und der Quälgeist in Gestalt eines unglücklichen Ehemannes, der den Killer von der Arbeit abhält, bringt ihn zur Verzweiflung. Obwohl er in Verbrecher-Rollen große Bühnen- und Filmerfahrung hat, ist die Figur in dem Stück von Francis Veber ein richtiges Geburtstagsgeschenk für ihn, sagte Glatzeder. Doch feiern will er den Eintritt ins „Rentnerdasein“ am heutigen Montag, 26. April, nicht: „Partys sind mir zu mühsam.“
Glatzeders Rollenrepertoire ist riesig. Das Tragikomische liegt dem 1,92 Meter großen Mann mit der sonoren Stimme am meisten – seine Diplomarbeit schrieb er 1969 über Clowns in Shakespeare-Komödien. „Die Grenze zwischen Tragik und Komik ist auch im realen Leben fließend. Ich suche nach verrückten Lösungen, die den Widerspruch zwischen unseren Idealen und der harten Wirklichkeit aufzeigen.“
Mehr als 1000 Mal spielte Glatzeder im Boulevardstück „Pension Schöller“ den Schauspielschüler Eugen Schöller mit dem legendären L- Fehler („Mir ist eine Fniege in den Hans gefnogen“). Im Berliner „Tatort“ ermittelte er zwölf Mal als Kommissar Ernst Roiter. In der ZDF-Affen-Serie „Unser Charly“ ist er als Immobilienmakler Wolff dabei. Im Herbst 2010 spielt er im Berliner Dom wieder die Titelrolle im „Jedermann“, im Sommer 2011 wird er in Meiningen (Thüringen) den „Jedermann“ inszenieren und die Hauptrolle spielen. Der Durchbruch gelang Glatzeder mit Heiner Carows „Die Legende von Paul und Paula“ (1972) – heute ein Kultfilm. Glatzeder spielt an der Seite von Angelica Domröse den aufstrebenden Außenhandels-Referenten Paul, der statt Karriere zu machen lieber seine Liebe zu Paula leben will. Die romantische Liebesgeschichte vor realsozialistischem Hintergrund war in Ost und West gleichermaßen ein Erfolg.
Glatzeder wurde am 26. April 1945 in Zoppot bei Danzig geboren. Er machte eine Ausbildung als Maschinenbauer im VEB Kühlautomat Berlin-Johannisthal. Dann wurde er an der Hochschule für Filmkunst Potsdam-Babelsberg ausgebildet und sammelte am Potsdamer Hans-Otto-Theater Bühnenerfahrung. 1971 holte ihn sein Lehrer Fritz Marquardt an die Ost-Berliner Volksbühne, deren Ensemble er elf Jahre angehörte. Sein Talent für komisch-groteske Rollen mit tragischen Zügen wurde dort sein Markenzeichen.
Anfang der 70er Jahre startete Glatzeder seine Film- und Fernsehkarriere, bis zur Wende spielte er in 20 Defa-Produktionen. In der Komödie „Der Mann, der nach der Oma kam“ ließ sich Glatzeder als Haushaltshilfe anheuern. Die Filmkritikerinnen schwärmten für den „DDR-Belmondo“: „Dunkle Mähne, helle fordernde Augen, die Nase verwegen verformt, wie Boxer sie tragen.“
1982 reiste Glatzeder mit Familie in die Bundesrepublik aus und arbeitete am Berliner Schiller-Theater. Er spielte die Hauptrolle in István Szabós „Bali“. Margarethe von Trotta besetzte ihn in „Rosa Luxemburg“ als Paul Levi. Es folgten Bühnenauftritte in Düsseldorf, Wien, Hamburg, Dresden, München, Berlin: „Die Bühne gibt mir den unmittelbaren Kontakt zum Publikum und die aufregende Angst, dass eine Vorstellung schief gehen könnte.“