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Einblick in die Rinnsteinkunst

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Einblick in die Rinnsteinkunst

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    Einblick in die Rinnsteinkunst
    Einblick in die Rinnsteinkunst Foto: FOTO GRAFSCHAFTSMUSEUM

    "Rinnsteinkunst", schimpfte Kaiser Wilhelm II., die Beschimpften reagierten mit "preußische Jawoll-Malerei" als Bezeichnung für den vom Monarchen bevorzugten Kunststil. Dieser Kampf, ausgetragen mit Pinsel und scharfen Worten, führte 1892 zur Gründung der "Gruppe der XI" und gipfelte 1898 in der Künstlervereinigung Berliner Secession.

    Auf der einen Seite war Malerfürst Anton von Werner und seine monumentale Historienmalerei, die der konservativen offiziellen Kunstauffassung entsprach. Auf der anderen Seite waren Künstler wie Max Liebermann, Ury Lesser, Walter Leistikow, Franz Skarbina oder Fritz von Uhde, um nur einige zu nennen. Sie stehen für die damals neuen Kunstströmungen Jugendstil, Realismus und Impressionismus.

    Kunstschlachten

    Diese "modernen Maler", deren Werke in Wertheim zu sehen sind (aufgeteilt in die Bereiche Porträt und Genre, Stadtansichten, Natur und Arbeit, Freizeit, Stillleben und Interieur), wehrten sich gegen das kaiserliche und malerfürstliche Kunst-Diktat. Anton von Werner schwor einst, für die deutsche Kunst jede Schlacht zu schlagen. So waren auch seine Themen auf der Leinwand. Eines seiner bekanntesten Gemälde: die Kaiserproklamation in Versailles. 1875 wurde von Werner Direktor der Königlichen Kunstakademie. Und obwohl er zuerst frischen Wind in die verstaubten Mauern brachte, zum Beispiel das Fach Freilichtmalerei auf den Lehrplan setzte, verweigerte er sich neuen Strömungen. Und der Kaiser mit ihm.

    Beiden missfiel, dass immer mehr Szenen aus der Alltagswelt zum Bildthema wurden. In Wertheim zeigen dies zum Beispiel Max Liebermanns "Die Netzflickerinnen" (1892) oder "Kartoffelernte" (1890). Diese Art von Kunst stellt nach des Kaisers Worten in einer Rede von 1901 "das Elend noch scheußlicher" dar "wie es schon ist" und versündige sich damit am deutschen Volke. Große Ideale waren gefragt, aber Liebermann und seine Freunde malten die soziale Wirklichkeit, suchten Natur und Naturalismus, wollten Impression und Stimmung darstellen.

    Neben Liebermann, der zu den Gründungsmitgliedern der Elfer-Gruppe gehörte und zum ersten Präsidenten der Berliner Secession gewählt wurde, gehörte auch Walter Leistikow zu den herausragenden Künstlern der rebellischen "Fortschrittlichen", der entscheidend dazu beitrug, dass sich Berlin zur modernen Kunstmetropole entwickelte - und München damit den Rang ablief. Von ihm ist im Grafschaftsmuseum "Kiefern am Grunewaldsee" zu sehen. Ihm lag weniger an der Darstellung einer Impression. Vielmehr suchte er nach einer Vereinfachung der Formen, nach dem Wesentlichen, dem Typischen. Natürlich fand der Kaiser etwas zu mäkeln. So sehe der Grunewald nicht aus, und er müsse es ja wissen, denn er pflege dort zu jagen.

    Auch Fritz von Uhdes Bilder provozierten den Kaiser. Er und sein Freund Liebermann gehörten zu den ersten deutschen Künstlern, die versuchten, mit dem Licht zu modellieren, den flüchtigen Augenblick festzuhalten. Ebenso Max Slevogt. Er engagierte sich zuerst in der 1892 gegründeten "Münchner Secession", zählte dort zu den Erneuerern, ab 1901 gehörte er zu den Berliner Secessionisten. Auch Lovis Corinths Weg führte von München nach Berlin. Sein "Frauenraub" (1904) begrüßt die Ausstellungsbesucher.

    Slevogts Werk "Frau Slevogt im Garten in Neukastel" von 1921 gehört zu den späten Bildern in der Ausstellung, die einen Ein- und Überblick geben möchte in die Zeit vor der Gründung der Berliner Secession von 1892 bis 1898 sowie bis zum Rücktritt Liebermanns als Präsident im Jahr 1911 und dem Zusammenschluss zur Neuen und schließlich zur Freien Secession.

    Anschaulich zeigt die Ausstellung, dass es durchaus heterogene Kunstauffassungen auch innerhalb der Gruppe gab, das macht den Reiz der Schau aus. Ebenso die Entdeckungen - wie den Künstler Franz Skarbina, dessen frühes Bild "Junge vom Berliner Weihnachtsmarkt" von 1900 sich sehr unterscheidet von der sechs Jahre später entstandenen "Dame auf der nächtlichen Straße". Die kleinsten und faszinierendsten Hingucker der Ausstellung sind von Ury Lesser: "Berliner Straße mit Taxen" und "Im Wald". Eine sehenswerte Ausstellung, der es zu wünschen ist, dass sie demnächst im Schlösschen im Eichelhofgarten dauerhaft gezeigt wird, wenn die Brandschäden dort behoben sind.

    Dienstag bis Freitag 1030-1230
    und 14-1630 Uhr, Samstag 13-17
    Uhr; Sonn-/Feiertage 1030-17 Uhr.
    Bis 15. Oktober.

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