Wie nimmt man Kontakt zu Engel auf? Der erste Schritt ist so einfach wie simpel, man beginnt mit den Engeln des Lichtes zu sprechen, in Worten oder in Gedanken.“ Haufenweise kursieren „Anleitungen“ wie diese (die kreative Grammatik ist original!) und andere Kontaktmöglichkeiten im Internet. Allerdings: Um mit Engeln reden zu können, müsste erst mal klar sein, ob es sie überhaupt gibt . . .
Die katholische Kirche lässt keinen Zweifel daran. Das vierte Laterankonzil legte fest, sie seien personale Geschöpfe Gottes – wie die Dämonen und der Teufel. Das Konzil tagte 1215 und vermittelte typisch mittelalterliche Weltsicht. Die wurde 1950 durch die Enzyklika „Humani Generis“ von Papst Pius XII. untermauert. Auch das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965) bekannte sich zur Existenz von Engeln.
Ob sie nun Wahrheit sind oder Legende: Engel beeinflussten und beeinflussen die Wirklichkeit allein dadurch, dass sie eines der beliebtesten Motive der Kunstgeschichte sind. Maler, Bildhauer, Schriftsteller – auch nichtgläubige – widmeten ihnen Arbeits- und Lebenszeit. Engel zieren Weihnachtspostkarten, mal mehr, mal weniger kitschig. Und mancher Esoterik-Jünger richtet sein Leben nach den Ratschlägen zweifelhafter Wahrsager mit angeblichen Engelskontakten aus.
Aus psychologischer Sicht sind Engel der Versuch, Unbegreifliches zu begreifen: Sie verknüpfen das eigene, begrenzte Dasein mit dem Göttlichen. Engel sind Zwischenwesen – mächtiger als Menschen, aber doch weniger mächtig als Gott. Vor Jahrtausenden wuchs die Vorstellung von den Zwischenwesen auf dem fruchtbaren Boden des Volksglaubens. Seitdem sind sie zur Stelle, wenn immer Dinge geschehen, die das menschliche Maß, die menschliche Verstandeskraft übersteigen. Sie sind ein bisschen leichter fassbar als Gott.
In der wichtigsten christlichen Überlieferung, dem Neuen Testament, werden Engel denn auch an zwei entscheidenden Punkten eingesetzt, um zwischen Himmel und Erde zu vermitteln: Ein Engel verkündet den Hirten die Geburt des Gottessohnes Jesus (Lukas 2, 8 bis 11). Und im leeren Grab ist ein Engel zur Stelle, um von Jesu Auferstehung zu künden („Seine Gestalt leuchtete wie der Blitz und sein Gewand war weiß wie Schnee“, steht beim Evangelisten Matthäus). Engel sind Botschafter Gottes. Das deutsche Wort wurzelt im griechischen „angelos“ (Bote). Da steht dann sogar Engel Aloisius in der Tradition, mag Ludwig Thomas „Ein Münchner im Himmel“ auch Satire sein: Schließlich soll Aloisius – als Bote zwischen Diesseits und Jenseits – der bayerischen Regierung göttliche Ratschläge übermitteln (was wegen seines Bierdurstes allerdings danebengeht).
Wie ein weltlicher Hofstaat
Nicht nur im Auftrag des christlichen Gottes sind Engel unterwegs: Weil es sie bereits im Alten Testament gibt, sind sie auch bei Juden und Muslimen bekannt, deren Glauben ebenfalls auf diesen alten Texten fußt. Engel werden im Alten Testament auch „Heer Gottes“ genannt. Sie strafen, sie schützen und helfen oder verkünden das Lob des Herrn. In verschiedene Ressorts aufgeteilt, wirkt die Engelsschar wie die Projektion damals herrschender irdischer Machtstrukturen auf den Himmel: Sie sind eine Art Hofstaat und Armee Gottes, der im Jenseits herrscht wie ein König. Michael, Rafael und Gabriel sind als Erzengel so etwas wie das Offizierskorps.
Engel werden meist mit Flügeln abgebildet. Damit stehen sie in der Tradition geflügelter Mischwesen, die in vorchristlicher Zeit in religiösen Vorstellungen Vorderasiens auftauchten, seien es Sphingen oder Genien in assyrischen Darstellungen. Flügel und die Fähigkeit des Fliegens bildeten sich in der Legende heraus, um Engel schon rein äußerlich über den Menschen hinauszuheben, der an die Erde gefesselt ist.
In frühen christlichen Bildern verloren die Himmelsboten dennoch erst einmal diese Statussymbole. Wahrscheinlich, um sie von anderen, „heidnischen“ Vorstellungen abzuheben. Schließlich wurde sogar der griechisch-römische Liebesgott Amor in durchaus frivolen Darstellungen als Jüngling oder Knabe mit Flügeln gezeigt. Spätestens das symbol- und bilderverliebte Zeitalter des Barock brachte Amor dann aber irgendwie doch in die christliche Kunst. Raffaels putzige Putten auf dem Bild der Sixtinischen Madonna erinnern eher an den wonnigen Knaben aus der griechischen Mythologie denn an die ernsthaften Boten Gottes aus der Bibel. Und Raffael war beileibe nicht der Einzige, der seine Bilder mit Putten bevölkerte. Im 17. und 18. Jahrhundert schwirrten ganze Schwärme durch gemalte Himmel.
Vielleicht kann man auch darin den Versuch sehen, Unbegreifliches durch menschliche Eigenschaften aufs begreifbare Maß zu reduzieren und das Jenseits – das ja mit der Drohung des Todes verknüpft ist – liebenswert zu gestalten. Der bierselige Engel Aloisius macht letztlich aus dem Tod einen Witz. Das tröstet beim Gedanken an die Endlichkeit des Lebens. Eine derartige Vermittlung zwischen Diesseits und Jenseits ist absolut engelswürdig. Und weil Satire nur dann funktioniert, wenn sie real Existierendes auf die Schippe nimmt, ist ausgerechnet Ludwig Thomas „Münchner im Himmel“ ein Beweis für die Existenz von Engeln. Jedenfalls irgendwie.
Historische Weihnachtspostkarten zeigt das Marktbreiter Malerwinkelhaus noch am Samstag und Sonntag (21. und 22. Dezember) von 14 bis 18 Uhr. In vielen der Darstellungen spielen Engel eine wichtige Rolle.