Als „Der Landarzt“ wurde er zu einem Liebling der Fernsehnation. Walter Plathe, 59, kann aber sehr viel mehr. Im Dezember ist er in Schweinfurt als Schwejk zu sehen. Ein Gespräch über Schlitzohrigkeit und Obrigkeit und darüber, wie viel Schwejk in ihm steckt.
Frage: Sie spielen in dem Stück „Der brave Soldat Schwejk“, mit dem Sie am 11. und 12. Dezember in Schweinfurt gastieren, die Hauptrolle. Was gefällt Ihnen am Schwejk?
Walter Plathe: Das ist eine Figur der Weltliteratur, und es ist auf der einen Seite sicherlich die Schlitzohrigkeit, auf der anderen Seite die Balance zu halten zwischen scheinbarer Dummheit und Intelligenz, also sich dazwischen zu bewegen und zu dem Schluss zu kommen: Wenn man immer alles so macht, wie die Obrigkeit es von einem will, dann kann man die Obrigkeit ad absurdum führen. Und das funktioniert, glaube ich, heute auch noch.
Inwiefern?
Plathe: Denken Sie doch einmal an das Theater mit der Gurke, von der EU verordnet. So ein Schwachsinn. Und da gibt es ja noch mehr. Vor einer Weile hat doch Hamburg als grünste Stadt einen Preis von der EU bekommen, verliehen vor 50 EU-Kommissaren, und die Fahne im Hintergrund war leider nicht die Fahne der Bundesrepublik Deutschland, sondern die der DDR. Und keiner hat's gemerkt – oder zumindest erst, als sie das ins Internet gestellt haben. Da kann man mal sehen, von was man so regiert wird, nicht wahr?
Schwejks Taktik, mit Obrigkeiten umzugehen, ist zu sagen, was er will, weil man ihn ohnehin für dumm hält. Müssen wir auch manchmal einfach ein bisschen naiver und direkter fragen?
Plathe: Das würde vielleicht insofern nutzen, als dass die Politik ein bisschen durchschaubarer und sinnvoller würde.
Was können wir uns sonst noch vom Schwejk abgucken?
Plathe: Er hat, glaube ich, ein ziemliches gutes Humanismus-Verständnis. Oder einfach die Art, wie er durchs Leben kommt. Da gibt es so schöne Sprüche von ihm. Wenn die Leute Kriegserklärungen lesen, dann sagt er: Na los, geht hin, schlagt' euch die Köpfe ein. Und zum Schluss werdet ihr sehen, ein Glas Pilsener wäre gescheiter gewesen.
Eine vernünftige Lebenseinstellung. Wie verstehen Sie denn den Schwejk? Ist er ein kluger Kerl?
Plathe: Ich glaube, vieles macht er aus dem Bauch heraus, also aus der momentanen Emotion. Und vieles hat ihn auch das Leben gelehrt. Er war Hundefänger in Prag, und das ist ja nicht so ein leichtes Leben. Das schult.
Wenn man den Schwejk solange spielt, entdeckt man da Ähnlichkeiten?
Plathe: Es gibt viele Haltungen von Schwejk, mit denen ich mich voll identifizieren kann. Und dann kommt natürlich eins dazu, eine grenzenlose Tierliebe, speziell zu Hunden, die habe ich auch mit ihm gemein. Ich habe selbst einen Rauhaardackel.
Fürchtet man als Schwejk-Darsteller den Vergleich mit Fritz Muliar oder Heinz Rühmann?
Plathe: Nee, da muss ich aber jetzt wirklich sagen, Rühmann fand ich ja gar nicht so gut. Und jeder ist natürlich auf der Suche, dieser Figur seinen Stempel aufzudrücken. Da darf man Vergleiche gar nicht anstellen, und die muss man auch nicht scheuen.
Das Stück wurde 1928 uraufgeführt. Inwiefern ist es heute noch aktuell?
Plathe: Das Stück richtet sich ja in erster Linie gegen den Krieg. Und das ist aktuell wie nie.
Haben Komödien in Deutschland das Problem, dass sie immer als bloße Unterhaltung wahrgenommen und nicht ernstgenommen werden?
Plathe: Überhaupt nicht. Erstens, das hat schon der olle Brecht gesagt, dient ja alles, was wir machen, der Unterhaltung. Also ob Sie ein sogenanntes ernsthaftes Stück oder eine Komödie nehmen, das ist völlig wurscht, alles dient erstmal der Unterhaltung. Das ist kein Schimpfwort. Wir sind dazu da, die Leute zu unterhalten. Wenn darüber hinaus in den Köpfen der Leute noch ein bisschen was passiert, dann ist das begrüßenswert.
Würden Sie sich selbst als Komödianten bezeichnen?
Plathe: Zuletzt habe ich ja Heinrich Zille gespielt, den Berliner Maler. Ich glaube, wenn man sagen würde Volkstheater oder Volksfiguren, das trifft es fast mehr.
Zur Person
Walter Plathe, geboren am 5. November 1950, wuchs im Ostberliner Stadtteil Mitte auf. Zunächst war er Fachverkäufer für Zooartikel und trat im Jugend- studio des Kabaretts „Die Distel“ auf. Er besuchte die Staatliche Schauspielschule in Berlin. Seit 1972 wirkte er in Spielfilmen, seit 1979 in TV-Produktionen mit, zunächst in der DDR. Einem breiten Publikum wurde Plathe durch seine Hauptrolle in der ZDF-Fernsehserie „Der Landarzt“ bekannt (1992 bis 2008). Er war von 1999 bis 2008 mit der 23 Jahre jüngeren Schauspielerin Victoria Sturm verheiratet, die auch im Landarzt mitspielte.. Am 11. und 12. Dezember gastiert er in einer Inszenierung der Komödie am Kurfürstendamm Berlin mit „Abenteuer des braven Soldaten Schwejk“ im Theater der Stadt Schweinfurt. Karten: Tel. (0 97 21) 5 14 75.