(dpa/tbr) Bei 884 Wetten ging alles gut. Doch dann wollte Samuel Koch am 4. Dezember 2010 bei der 885. Wette in der Geschichte der Sendung mit Powerjumpern über fahrende Autos springen. Der 23-Jährige stürzte beim Salto und verletzte sich so schwer, dass er wahrscheinlich gelähmt bleibt. „Wetten, dass . .?“ wurde erstmals in der Geschichte abgebrochen – Stars wie Cher, Justin Bieber und Take That flogen ohne Auftritt wieder ab, die Fernsehnation war geschockt.
Nun wird Deutschlands beliebteste Samstagabendshow 30 Jahre alt – am 14. Februar 1981 ging sie das erste Mal über die Bühne. An diesem Samstag (20.15 Uhr) sendet das ZDF die Jubiläumsshow aus Halle an der Saale. Es ist die 193. Ausgabe. Doch die Kandidaten-Tragödie vom Dezember überschattet das Jubiläum. Für Moderator Thomas Gottschalk ist es die 145. Show. Erfinder Frank Elstner präsentierte 39 Ausgaben zwischen 1981 und 1987, Wolfgang Lippert neun Shows in den Jahren 1992 und 1993.
Die Konsequenz aus dem Unfall ist laut ZDF-Unterhaltungschef Manfred Teubner ein Kategoriensystem, das die Wetten auf einer Skala von 0 bis 3 bewertet. „Extrem sportive Wetten wie die von Samuel Koch gehören in die Kategorie 3. Sie werden künftig nicht mehr gespielt.“ Die Band Take That holt am Samstag ihren ausgefallenen Auftritt nach. Als Wettpaten sind die Schauspielerin Maria Furtwängler (wirbt für den ZDF-Zweiteiler „Schicksalsjahre“ am 13./14. Februar.) und Topmodel Naomi Campbell angekündigt. Der Sänger Max Raabe sitzt ebenfalls auf dem Sofa, er soll auch singen. Musik kommt zudem vom Pop-Duo Roxette sowie aus dem Udo-Lindenberg-Musical „Hinterm Horizont“, das derzeit in Berlin gespielt wird.
Die Feierlaune der Verantwortlichen beim ZDF hält sich in Grenzen. Das liegt vor allem an der Unglückswette. Außerdem kämpft die Show seit Jahren mit Quotenschwund. Die vergangenen Sendungen lagen stets unter der Zehn-Millionen-Zuschauer-Marke. Natürlich wäre es gemein, die Sendung an ihren Rekordwerten aus den 80er Jahren zu messen, in denen bis zu 23,4 Millionen Menschen allein in Deutschland zuguckten (9. Februar 1985).
Damals gab es weniger Sender und keine so harte Konkurrenz wie die RTL-Castingshows „Deutschland sucht den Superstar“ oder „Das Supertalent“, deren Oberjuror Dieter Bohlen Gottschalk regelmäßig Kampfansagen macht. Kritik an dem Lockenkopf ist in vielen Medien seit Jahren angesagt. Doch auch fieseste Feuilletonisten sehen ein, dass nur Gottschalk wirkliche Weltstars ins deutsche Fernsehen bekommt.
Als Höhepunkte gelten die Auftritte von Michael Jackson am 4. November 1995 (spektakulär mit dem „Earth Song“) und am 20. März 1999. Am häufigsten traten deutschsprachige Künstler auf: Peter Maffay (16 Mal), Udo Jürgens (14 Mal) und Herbert Grönemeyer (11 Mal). Bei den Wettpaten führt Iris Berben (9 Auftritte) vor Otto (8) und Boris Becker (7). Frank Elstner kam die Idee zu „Wetten, dass . .?“ 1980, als er sich schlaflos im Bett wälzte und plötzlich fragte, warum im Fernsehen eigentlich nicht gewettet werde. Elstners Ziel: eine Samstagabend-Show, über die die Leute noch am Montag sprechen.
Das ist oft gelungen, auch wenn die Menschen in den Büros oder auf den Schulhöfen nicht immer die Wetten diskutierten. Thema konnte auch sein, dass Schauspieler Götz George ausflippte, weil sich Gottschalk angeblich so schlecht über dessen neuen Film informiert hatte, sich Schauspieler Mickey Rourke prollig benahm oder sich wieder mal ein ausländischer Gast frühzeitig von der Bühne verabschiedete, um ein Flugzeug zu kriegen.
In seinem Bestseller „Generation Golf“ beschrieb Autor Florian Illies nostalgisch die heile Kinderwelt der 80er, in denen er im Kapuzenbademantel „Wetten, dass . .?“ gucken durfte: „Niemals wieder hatte man in späteren Jahren solch ein sicheres Gefühl, zu einem bestimmten Zeitpunkt genau das Richtige zu tun.“ Dieses Gefühl kennen Kinder des Jahres 2011 wohl eher mit anderen Sendungen – wenn überhaupt.
Spektakuläre Wetten
Mehr als 880 Wetten gab es in 30 Jahren „Wetten, dass . .?“. Besonders spektakulär waren: Pyramidenfahren: Die Motorrad-Sportgruppe der Berliner Polizei bildete mit 84 Polizisten auf neun Motorrädern eine Pyramide und fuhr so 100 Meter. Am 29. Oktober 1994 stellte sie damit einen Weltrekord auf. Brustmuskelzucken: Michael Marschall wettete am 4. November 2006, dass er 30 Musiktitel am Brustmuskelzucken seiner Freunde Stefan Bakker und Andreas Koch erkennen kann. Er gewann. Reifenwechsel: Am 21. Februar 1987 gelang es einem Kandidaten, während der Fahrt einen Autoreifen zu wechseln. Papierboot: Drei Kandidaten falteten am 15. September 1990 in vier Minuten ein Papierboot und paddelten damit in einem Schwimmbecken 50 Meter weit. Bällespucken: Am 19. März 2005 spuckte Thilo Tübner in zwei Minuten einen Tischtennisball 100 Mal gegen eine Wand und fing ihn mit dem Mund wieder auf. Turmbesteigung: Mit seinem 15 Tonnen schweren Bagger kletterte Rupert Ebner am 23. März 1997 auf einen 15 Meter hohen Turm.
Hundespielzeug: Der Border-Collie „Rico“ verblüffte am 23. Januar 1999 die Zuschauer, weil er 77 Spielzeuge am Namen unterscheiden konnte. Auf Befehl von Frauchen Susanne Baus brachte er den benannten Gegenstand. Kuhschmatzen: Achim Jehler konnte am 8. Dezember 2007 seine Kühe beim Apfelfressen am Schmatzgeräusch erkennen. Text: dpa