Seit eine Reihe junger Filmemacher, unter anderem Fatih Akin, auf sie zugekommen ist, widmet sich „die Schygulla“, die am Donnerstag (25. Dezember) 65 Jahre alt wird, wieder verstärkt dem Kino. Und dies mit der noch immer verwirrend-schönen Melancholie und Zerbrechlichkeit, die ihre Filmfiguren Effi Briest, Maria Braun, Petra von Kant und Lili Marleen so einzigartig machten.
Der Magier und das Monster
In Fatih Akin, mit dem sie vor mehr als einem Jahr „Auf der anderen Seite“ drehte, hat Schygulla wieder einen Regisseur psychologisch ausgefeilter und fesselnder Menschenbilder gefunden – so wie einst in Rainer Werner Fassbinder, dessen langjährige Muse Schygulla war. Doch im Gegensatz zu Fassbinder, den sie als „Magier und Monster“ bezeichnete, sei Fatih Akin ein Ja-Sager, der zeigt, wie furchtbare Dinge die Menschen zu einer neuen Lebensqualität bringen. „Fassbinder war ein brodelnder Kessel voller Widersprüche“, sagte sie einmal.
Widersprüche trägt Akin auch in sich. Er geht tief in seine Figuren hinein. „Aber er ist zum Glück längst nicht so tragisch“, erklärte die Künstlerin. Fassbinder, der 1982 im Alter von nur 37 Jahren – vermutlich an der gleichzeitigen Einnahme von Kokain und Schlafmitteln – starb, spielte in Schygullas Leben eine wichtige Rolle: Er war es, der sie in den 60er Jahren an der Münchner Schauspielschule entdeckte. Durch ihn kam sie zum Action-Theater, und mit ihm gründete sie 1968 das Antitheater in München. Sie spielte danach in fast allen seinen Filmen die weibliche Hauptrolle und wurde zum „Superstar der Subkultur“. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere jedoch, den sie 1974 in Fassbinders Fontane-Verfilmung „Effi Briest“ feierte, traf Schygulla eine überraschende Entscheidung: Sie zog sich aus dem Filmgeschäft vorübergehend zurück. „Ich wollte zurück ins Dunkle, weil ich zu viel Licht nie vertragen habe. Ich habe schon immer gewusst, dass es ein permanentes Leben im Scheinwerferlicht nicht geben kann. Man muss auch ein Niemand sein können. Nur so bist du fähig, dich in andere hineinzuversetzen“, erklärte sie in einem Interview vor knapp einem Jahr.
Bereut hat sie diese Entscheidung nie. Es folgte eine neue Karriere als Chansonsängerin. So präsentierte sie 1996 bei den „Berliner Festwochen“ Gedichte von Fassbinder und Texte von Handke, Heiner Müller, Thomas Bernhard, Rimbaud und Baudelaire. Danach ging sie mit dem in Frankreich hoch gelobten Liederabend „Brecht . . . hier und jetzt“ auf Deutschland-Tournee.
Seit 2003 reist Hanna Schygulla mit „Der Tango, Borges und ich“ durch die Welt, einem Chanson- und Rezitationsprogramm, mit dem sie auch dieses Jahr wieder in Deutschland gastierte. Bei der Arbeit an ihren eigenen Abenden fühlt sich die Künstlerin wohl: „Ich habe lange vermieden, ganz verantwortlich zu sein für etwas. Jetzt mache ich beides. Ich ziehe an den Fäden und bewege mich an den Fäden, die ich ziehe.“