Sein Motto hat Hannes Wader zu einem Lied gemacht: „Heute hier, morgen dort, bin kaum da, muss ich fort“, dichtete er vor 40 Jahren. „Das Lied gilt für mich immer noch“, erzählt er: „Bisher hab' ich mich nirgendwo richtig eingelebt.“ Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: „Nicht, dass ich nicht insgeheim wünsche, irgendwann einmal irgendwo anzukommen. Aber bis jetzt ist das noch nicht geglückt.“ Am Samstag, 23. Juni, feiert der in der Nähe von Bielefeld geborene Ostwestfale 70. Geburtstag.
Es wird ein Festtag ohne Party, erzählt Hannes Wader: „Ich fahre allein mit meiner Frau für ein paar Tage nach Frankreich.“ Danach wird er wie zuvor seinen Job als Liedermacher machen: „Andere sind mit 70 schon lange in Rente, aber das kommt für einen Künstler natürlich nicht infrage, sofern es nicht gesundheitlich erzwungen ist.“
Noch voller Schaffensdrang
Wird sich etwas ändern? „Bislang bin ich immer älter geworden“, sagt Wader. „Das hört jetzt auf. Von dem Augenblick, wenn ich 70 bin, bin ich ein alter Mann. Auch wenn ich noch hundert Jahre lebe – aber ich lebe diese hundert Jahre als alter Mann. So empfinde ich es“, sagt Wader. Doch auch als „alter Mann“ ist Hannes Wader noch voller Schaffensdrang. „Ich habe zum Beispiel für meine neue Platte („Nah dran“; Veröffentlichung am 24. August) ein Lied vom Tod geschrieben“, erzählt er: „Die Platte ist schon fertig, aber ich sitze immer noch an dem Lied, bin gerade an der 22. Strophe.“ Bei diesem Umfang sei es fraglich, ob irgendwann einmal alle Verse auf einer CD veröffentlicht werden. „Vielleicht führe ich einige davon auch nur mal live auf“, sagt er mit leisem Lachen.
Seine Karriere startete vor 50 Jahren klein in Berlin. Dort war Hannes Wader als Straßenmusikant unterwegs, arbeitete als Barmusiker oder verdiente sein Geld als Klarinettist in einer Jazzband. Vor 50 Jahren schrieb er auch sein erstes Lied („Das Loch unterm Dach“, 1962). In den 1970er Jahren wurde Hannes Wader als Liedermacher einer der Stars der links-alternativen Szene. Damals stand er fast jeden Abend in den Kneipen und Clubs der Berliner Szene auf bis zu fünf verschiedenen Bühnen. Nebenbei veröffentlichte er 1969 seine erste von bislang 33 Platten und CDs.
1972 schrieb Hannes Wader seinen wohl bekanntesten Song „Heute hier, morgen dort“. Der wurde zu seiner Hymne – einem Ohrwurm auch bei jenen, die er mit seinen anderen Liedern nicht erreicht. Bis heute startet Hannes Wader fast jedes Konzert mit diesem Klassiker. Im Gegensatz zu vielen Liedermachern der 1960er/70er Jahren hat sich Hannes Wader bis heute behaupten können.
Und weil er einer der ersten Künstler ist, die „alten plattdeutschen Liedern neues Leben eingehaucht und sie dem drohenden Vergessen entrissen hat, später sogar Eichendorff und Franz Schubert gesungen hat“, wird Hannes Wader im Juli den Weltmusikpreis „RUTH“ verliehen bekommen. Schöne Erfolge, doch Hannes Wader ist ein bescheidener Mensch, der sich damit nicht schmücken mag: „Es gab in meinem Leben keine Highlights“, sagt er mit einem Schulterzucken. „Es war zwar turbulent und krumm, doch ich bin da einfach nur durchgelaufen.“
Das sehen viele seiner Kollegen anders. So gratulieren ihm 14 Künstler und Bands zu seinem 70. auf einer gemeinsamen CD (Titel: „Heute hier, morgen dort“) mit Cover-Versionen seiner Songs. Und Die Toten Hosen bringen auf einer eigenen CD nicht nur eine Cover-Version von „Heute hier, morgen dort“, sondern erklären im dazugehörigen Booklet: „Dieses Lied ist unkaputtbar, egal wie man es bringt: Am Lagerfeuer, als in sich gekehrte, leise Melodie oder als Rockstampfer. Es trifft immer ins Herz, weil jedes Wort aufrichtig ist.“
Hannes Wader gastiert am 10. Oktober um 20 Uhr in der Schweinfurter Stadthalle. Karten: Tel. (0 23 65) 5 03 55 00 und Tel. (0 18 05) 4 47 00 00. Internet: www.eventim.de und www.ticketonline.de