In einer gewaltigen Eruption, nur mit dem Urknall vergleichbar, betrat er die Weltbühne. Gegner dieser Big-Bang-Theorie glauben zu wissen, wie das Neugeborene durch ein Fenster der Walt Disney Studios schoss und den Hausherrn anquakte: „Do you wanna fight?“, frei übersetzt: „Eins auf die Fresse gefällig?“
Das cholerische Wesen im Matrosenanzug hat mittlerweile unser kulturelles Leben durchdrungen. Der österreichische Lyriker Hans Carl Artmann brachte es auf den Punkt: „Er ist der einzige Mensch, der uns heute noch etwas zu sagen hat.“ Donald Duck ist technisch außerordentlich befähigt. Er kann Flugzeuge, Raupenschlepper, Schiffe, Raumschiffe mühelos bedienen. Daneben versucht er sich als Forscher, Hypnotiseur, Feuerwehrmann, Nordlandreiter, Wünschelrutengänger, Regenmacher, gewerbsmäßiger Zerstörer, Sänger, Bahnwärter – oder Theateraspirant: „Was starrst Du mich an, o Ungeheuer? Zuckt schon der Mörderdolch in Deiner Hand?“ Bedauerlicherweise gelingt es ihm kaum, seine Fähigkeiten zu Geld zu machen.
Daher ist der Erziehungsberechtigte dreier kleiner Jungs (Tick, Trick, Track) oftmals gezwungen, mieseste Jobs anzunehmen, etwa Kartoffelschalen im Abfallkübel festzustampfen. Zwar hat er ein gewisses Standbein als Laufbursche in einer Margarinefabrik, jedoch wirft der Verdienst nicht genug ab, seinen Pflichten nachzukommen. Dann bleibt ihm nur der Weg zu Onkel Dagobert, dem reichsten Mann der Welt. Der nennt Fantastilliarden von Talern sein Eigen, wenn auch nur ein Pegelstand von 13 Trilliarden und 16 Kreuzern wissenschaftlich belegt ist. In Dagoberts Geldspeicher muss Donald Goldstücke polieren, die der Onkel für sein tägliches Geldbad benötigt: „Es ist mir ein Hochgenuss, wie ein Seehund hineinzuspringen und wie ein Maulwurf darin herumzuwühlen.“ Einen großen Teil seiner Freizeit verschwendet Donald durch sein Verhältnis zu Daisy Duck, die kaum mehr im Kopf hat als Schönheitspflege und Einkaufen. Außerdem neigt die unbestreitbar attraktivste Frau Entenhausens zu Gewalttätigkeit und Hysterie. Warum Donald auf solch ein Püppchen fixiert ist – diese Frage zu klären, beziehungsweise restlos alle, die das Leben in und um Entenhausen aufwirft, sind Donaldisten angetreten.
Der exklusive Kreis schloss sich unter dem Dach der D.O.N.A.L.D, der „Deutschen Organisation nicht kommerzieller Anhänger des lauteren Donaldismus“, zusammen. Ziel der Organisation sind die Pflege, Förderung und Verbreitung Donaldischen Sinnguts sowie die Bekämpfung von „Vulgär-, Anti- und Undonaldismus“. Um in die Organisation aufgenommen zu werden, muss der Delinquent sich dem gefürchteten Dr.-Dulle-Test stellen, in dem er schwere Gedankenarbeit zu leisten hat: etwa runde Klötzchen in eckige Schablonen zwängen – oder umgekehrt. Mitglied kann jeder werden, der glaubhaft versichert, auf dem Boden der Freiheitlich Donaldistischen Grundordnung (FDGO) zu stehen. Der gefürchtetste Absatz der Satzung lautet: „Schnellstrafen sind möglich.“ Der Übeltäter bekommt dann zum Beispiel eine Pampelmusenhälfte auf den Kopf gequetscht. Jedes Mitglied ist aufgerufen, Duck-Forschung nach den Grundlagen des Wissenschaftlichen Donaldismus Barksismus (nach dem amerikanischen Zeichner Carl Barks) zu betreiben. Es werden Fragen diskutiert, etwa warum Anatiden (Entenartige) im Duck-Universum Zähne besitzen oder warum ausschließlich Weibchen Schuhe tragen.
Das Forschungsspektrum ist breit. Wie steht es zum Beispiel um die Fortpflanzung? Der Akt wird mit hoher Wahrscheinlichkeit im Wasser vollzogen. Dafür spricht, dass Donald im Schwimmbad einen Badeanzug trägt, wohl um peinliche Erregungszustände zu kaschieren. Auf dem Trockenen watschelt er mit nacktem Unterteil umher. Daisy ist vermutlich nicht Donalds Sexualpartnerin. Zwar definiert sie sich über den Mann, aber nur, um ihren Freundinnen zu imponieren. Aus diesem Grund geht sie zum Beispiel mit einem debilen Kraftmeier aus, der nichts von sich zu geben imstande ist als die Buchstabenfolge „Grmpf“. Donald hingegen verehrt Daisy nach dem Prinzip des mittelalterlichen Minnegedankens: die Angebetete anschmachten, blödsinnige Lieder vorsingen.
Entenhausen ist ein Stadtstaat mit eigenem Militär und eigener Münze. Der Bürgermeister kann Unbotmäßigen für eine bestimmte Zeit die Staatsbürgerschaft entziehen, sodass die sich ins bittere Exil nach „Timbuktu“, beziehungsweise nach „ganz weit weg“ begeben müssen. Ein Beispiel für das Wirtschaftsleben der Stadt ist die Panzerknacker AG, bestehend aus maximal 36 stoppelbärtigen Aktiven (errechnet aus den Nummern der Brustschilde, bestehend aus je zwei dreistelligen Zahlenkombinationen aus den Buchstaben eins, sechs und sieben). Die Bande mit der dreckigen Lache („harr, harr“) versucht – stets vergeblich –, sich Dagoberts Vermögen anzueignen.
Soziologisch interessant ist die These von der Veronkelung der Entenhausener Gesellschaft. In der Tat ist dort ein Elternschwund zu verzeichnen, dafür wimmelt es von Onkeln, Tanten, Neffen und Nichten. Es handelt sich allerdings wohl nur um eine Schein-Veronkelung, da es in der entwickelten Entenhausener Gesellschaft unschicklich ist, Kinder zu haben. Das zeugt von niederem sozialem Status. Auch Donald wurden seine drei Neffen untergeschoben. Angeblich nur für ein paar Tage. Ein wichtiger Forschungsbereich ist die Entenhausener Kulinarik. Manchem mag es sauer aufstoßen, Familie Duck beim lustvollen Verspeisen von Gänsebraten zu betrachten. Der Verdacht des Kannibalismus' liegt nahe. Doch Donaldisten geben Entwarnung: „Wir essen ja auch Geflügel. Und im Übrigen ist Donald von einer Ente weiter entfernt als wir vom Affen.“
Interessant ist die Tatsache, dass Anatiden, welche die Wirtschafts-Creme bilden, in der Minderheit sind, wie auch Humanoide. Die Mehrheit besteht aus Kynoiden (Hundeartige). Die politische Macht liegt in den Händen von Schweinen, die Justiz untersteht Eulen. Noch ein Blick auf die wichtigsten Bezugspersonen Donalds. Da sei Gustav Gans erwähnt, ein Enten-Gänse-Bastard, eitler Stutzer und phänomenaler Glückspilz.
Ein angesehener Mann dagegen ist Daniel Düsentrieb („Dem Ingeniör ist nichts zu schwör“). Der geniale Techniker erfindet, unterstützt von „Helferlein“ – seinem Homunkulus, einer Glühbirne mit Extremitäten– nützliche Gebrauchsgegenstände wie Zeitmaschinen. Zur Überbrückung von Versorgungsengpässen ist Oma Duck zuständig. Die Schwester (!) Dagoberts betreibt Landwirtschaft und Viehzucht. Der Familienintellektuelle ist Primus von Quack, ein Universalgelehrter, geschlüpft in Wien.
Donalds Charakter ist vielschichtig: Er ist reizbar und hart im Nehmen, akzeptiert jedoch gesellschaftliche Normen: „Einen Ordinarius für Pädagogik in die Luft zu sprengen – das geht zu weit.“ Er ist rachsüchtig, aber auch zart besaitet und nimmt Anteil („Tag, Frau Kondor, wie geht's den werten Eiern?“). Sein Grundverhaltensmuster aber ist das Scheitern. Er versucht sein Glück wieder und wieder, manchmal kurzfristig mit Erfolg, um dann erneut zu scheitern. Das ist allerdings immer grandios. Ein genialer Verlierer. Der 13. März als Tag der Geburt wurde von Walt Disney persönlich bestätigt. Es gibt aber auch Leute, die behaupten, der 9. Juni 1934 sei der wahre Ehrentag. Begründung: Donald debütierte damals in einem Trickfilm namens „Wise little hen“ („Kluge kleine Henne“) in einer Nebenrolle. Die März-These wird hingegen durch Donalds Autokennzeichen 313 gestützt, das im angelsächsischen Raum als „March 13th“, also 13. März, gelesen wird. In einem Cartoon („Donald's Happy Birthday“) sinnieren Tick, Trick und Track über ein Geburtstagsgeschenk für den Ernährer. Ein Wandkalender zeigt das Datum: 13. März.
Ganz oben auf der Ehrenmitgliederliste der D.O.N.A.L.D. steht der Name Carl Barks. Der geniale amerikanische Zeichner (1901 bis 2000) legte vor. An ihm müssen sich alle weiteren messen. Das dürfte Dr. Erika Fuchs (1906 bis 2005) nicht schwergefallen sein. Man kann es nicht genug würdigen, dass jemandem mit einem solchen Namen in einer Enten- und Gänseweit eine derartige Ehre zuteil wurde. Sie steht für das gigantische Niveau der Übersetzungen. Ihre Sprachgewalt trug wesentlich zum Kult bei. Der gelernten Lehrerin verdanken wir Wortschöpfungen wie schmatz, schluck, röchel, plumps, bibber, stotter, kicher, würg, krächz, schnurch, schnorch, seufz, klirrdibirr, oder – im ganzen Satz, bitte – „Ach, dass mein Herz doch schmülze wie eine saure Sülze“.
Im neuen Jahrtausend haben Donaldisten den Mac-Moneysac-Preis (der Mann ist neben dem Maharadscha von Zasterabad der Hauptkonkurrent Dagoberts im Anhäufen von privatem Kapital) ausgelobt. Geehrt wurde Josef Ackermann, Ex-Vorstandssprecher der Deutschen Bank. Die Begründung: „Dieser Preis geht an Menschen, die ihre wirtschaftlichen Interessen frei von den Fesseln moralischer Bedenken durchsetzen und den Entenhausener Wirtschaftslenkern in nichts nachstehen.“