Das Physikstudium in Würzburg schloss Vince Ebert 1994 mit der Note 1,7 ab. Die Naturwissenschaft ist das Steckenpferd des aus Unterfranken stammenden Kabarettisten auch auf der Bühne. Ein Gespräch mit ihm über Lebensformen im Universum, eine glückliche Ehe, das Higgs-Teilchen und den Sinn des Lebens.
Frage: Sie widmen sich derzeit auf der Bühne vor allem der Evolution. Das heißt, Sie glauben nicht an die Geschichte von Adam und Eva . . .
Vince Ebert (lacht herzlich): Ich glaube erstmal an gar nichts. Aber als Physiker muss man zwar offen sein und sich dem wissenschaftlichen Experiment beugen. Sollte also irgendwann mal wissenschaftlich abgesichert herauskommen, dass es Adam und Eva gab, dann sage ich klar: „Eins zu null für dich, Gott!“
Aber dann können Sie doch sicher erklären, was vor dem Urknall war.
Ebert: Da ist der Physiker sehr elegant und sagt: Weiß ich nicht! Darum geht es ja auch in der Wissenschaft, dieses Aushaltenkönnen von Unsicherheiten. Theologen dagegen neigen dazu, Wissenslücken mit „Gott“ aufzufüllen. Der Physiker sagt: Bevor ich irgendwas Falsches sage, sage ich erstmal nichts. Das finde ich charmant.
Sie hinterfragen angeblich gerne alles. Warum? Man muss doch im Leben nicht alles verstehen.
Ebert: Nein, man muss nicht alles verstehen, aber es macht Spaß. Ich bin ja schon so ein kleiner Klugscheißer, und wenn man sich permanent mit wissenschaftlichen Themen beschäftigt und liest und liest und liest, ist es einfach spannend, Sachen herauszufinden. In meinem neuen Programm geht es im ersten Teil sehr viel darum, was nach dem Urknall entstanden ist, wie das Universum aufgebaut ist. Viele denken ja, Wissenschaft ist trocken. Wenn ich ein Bild vom Hubble-Space-Teleskop zeige, vom Deep Field, einem Bereich im Universum, dann denken die Leute im ersten Moment, sie sehen einen Sternenhimmel. Aber dann sage ich: „Die Lichtpunkte, die Sie sehen, das sind keine Sterne. Das sind alles Galaxien. Und jede Galaxie enthält Hundert Milliarden von Sternen.“ Und ich merke, wie die Leute auf einmal die Luft anhalten und staunen. Wenn man weiß, wie groß das Universum ist, wie fantastisch, dann kommt das Staunen dazu und die Unvorstellbarkeit.
Kommt auch Angst dazu?
Ebert: Ich finde es eher beruhigend. Ich bin davon überzeugt, dass unsere Existenz keinen Sinn hat. Ich fände es viel beklemmender, wenn das Ganze einen Sinn hätte. Dann hätten auch Flutkatastrophen und Atomkriege einen Sinn. Wenn das alles geplant wäre, das wäre doch schlimm!
Wäre es nicht fürchterlich depressiv, wenn alles keinen Sinn hätte . . .
Ebert: Wir sind durch einen sehr, sehr schönen Zufall entstanden und müssen irgendwie sehen, dass wir in diesem Leben zurechtkommen. Wir erschaffen uns quasi unseren Sinn selbst. Das finde ich einen schönen Ansatz, und eben nicht zu sagen: Der Sinn liegt im Jenseits. Oder: Da gibt's jemanden, der alles gesteuert hat und darüber wacht. Wir sind in dieses Universum geworfen worden, und jetzt müssen wir sehen, dass wir einigermaßen gut und fair und nett miteinander umgehen. Das ist der Sinn des Lebens.
Glauben Sie, dass irgendwo in diesem Universum noch so etwas Ähnliches hingeworfen wurde?
Ebert: Wenn man ungefähr weiß, wie groß das Universum ist, wäre es ein sehr, sehr großer Zufall, wenn wir auf der Erde die einzigen Lebensformen hätten.
Sie glauben an Aliens?
Ebert: Oh, schreiben Sie das bloß nicht so! Ich denke aber schon, dass es sehr realistisch ist, dass es andere Lebensformen gibt. Um Leben zu erzeugen, brauchen Sie nämlich nur Ammoniak und Methan. 1953 hat man diese zwei Gase mit in einen Kolben gegeben und elektrischen Strom durchgeschickt. Und tatsächlich: Eine Woche später bildete sich eine goldbraune, ölige Schicht, die aus Aminosäuren und Zuckerarten bestand. Den absoluten Grundbausteinen des Lebens. Unser allererster Vorfahre war anscheinend eine ölige, schleimige Substanz. Quasi die Vorform von einem Versicherungsvertreter. Insofern wäre es ein verdammter Zufall, wenn fremdes Leben nur auf der Erde entstanden wäre. In welcher Form, weiß man nicht. Wenn das hohe Intelligenzen sind, die uns als Bakterien sehen, dann möchte ich nicht, dass die uns begegnen. Und wenn's nur Bakterien sind, möchte ich auch nicht, dass sie uns begegnen (er lacht).
„Independence Day“ lässt grüßen!
Ebert: Genau. Es gibt das Seti-Programm, da schickt man mit Teleskopen Botschaften ins All und schaut, ob irgendwas Intelligentes zurückkommt, irgendein Signal. Ich finde, bevor wir nicht wissen, wer da draußen ist, sollten wir uns nicht unbedingt bemerkbar machen. Das könnte nach hinten losgehen (er lacht).
Sie haben sich für Werbefotos mit einem Schimpansen ablichten lassen. Mensch und Affe unterscheidet nicht viel . . .
Ebert: Zwei Prozent der DNA ungefähr. Beim Bonobo, dem Zwergschimpansen, ist es sogar nur ein Prozent, und der ist hochpolygam. Das sollte uns zu denken geben. Das Fotoshooting mit diesem Affen, einer Schimpansendame namens Sina, dauerte fünf Stunden. Es war unfassbar zu sehen, wie menschlich so ein Affe ist. Kein Wunder, denn unsere Entwicklungslinien haben sich erst vor fünf Millionen Jahren getrennt. Würde man eine Menschenkette bilden, bei der sich Mutter, Großmutter, Urgroßmutter usw. an den Händen hielten, und würde man in München anfangen, dann wären wir in Mannheim bei unserem letzten gemeinsamen Vorfahren angekommen. Und wer schon mal in Mannheim war, weiß, was ich meine. Wir sind alle viel tierischer, als uns lieb ist. Geht es etwa um die Partnerwahl, spulen wir immer noch dasselbe Programm ab wie der Affe. Wir sind eigentlich Steinzeitmenschen in Hugo-Boss-Anzügen. Und wir sind sehr viel steinzeitlicher geprägt, als wir uns das vorstellen. Schönes Beispiel: 50 Prozent aller Ehen in Großstädten werden geschieden. Und trotzdem heiraten die meisten. Man investiert also sein gesamtes Leben für eine Fifty-fifty-Gewinnchance. Das ist beim Russisch-Roulette eine Quote, da drücken nur Lebensmüde ab.
Ich hoffe, Sie führen eine glückliche Ehe.
Ebert: Ich bin ja rational rangegangen. Ich habe irgendwann mal aufgegeben (er lacht).
Können Sie mir in zwei, drei Sätzen erklären, warum es so sensationell und wichtig ist, dass die Menschheit das Higgs-Teilchen gefunden hat?
Ebert: Man weiß jetzt, dass es ein Teilchen gibt, dass den Objekten Masse verleiht. Reiner Calmund ist davon vielleicht nicht so begeistert, aber das ist doch immer so: Vor 100 Jahren, als die Quantenmechanik entwickelt wurde, hat jeder gesagt: Was soll das? Damals war die Quantenmechanik zu nichts nütze. Heute gäbe es ohne sie keinen Computer, kein GPS-System, kein einziges elektronisches Bauteil. Wir wissen jetzt vielleicht nicht, wozu wir dieses Higgs-Teil erforscht haben. Aber in 50 Jahren sagen unsere Enkel vielleicht: Mensch, damals haben die sich die Köppe heißgeredet, warum man fünf Milliarden Euro ausgeben musste, nur um dieses Higgs-Teil zu entdecken. Aber ohne dieses Teil gäbe es jetzt keine Zeitmaschine.
Vince Ebert
Der Physiker und Kabarettist, geboren am 23. Mai 1968 in Miltenberg, wuchs in Amorbach auf. Nach seinem Physikstudium arbeitete er bei einer Unternehmensberatung in Frankfurt, anschließend bei einer Werbeagentur. Mit Soloprogrammen tourt er seit 2001 durch den deutschsprachigen Raum. Seit Herbst 2011 moderiert Ebert im Wechsel mit Ranga Yogeshwar und Anja Reschke in der ARD die Reihe „Wissen vor acht“. Am 10. November (17 Uhr) sowie am 9. Februar 2014 tritt er im Hofgarten in Aschaffenburg auf (Karten: Tel. 0 60 21/ 2 11 10). Am 16. Juli 2014 spielt Ebert beim Bockshorn Open-Air-Festival in Aub. Anfang Oktober ist sein Buch „Bleiben Sie neugierig“ (rororo, 288 Seiten, 9,99 Euro) erschienen.