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Interview mit Wolfgang Herles: Ein Feldkaplan der Literatur

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Interview mit Wolfgang Herles: Ein Feldkaplan der Literatur

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    „Dieses blaue Biedermeier-Sofa ist auch ein ironisches Element“:Wolfgang Herles moderiert ab 16. September die ZDF-Literatursendung „Das blaue Sofa“.
    „Dieses blaue Biedermeier-Sofa ist auch ein ironisches Element“:Wolfgang Herles moderiert ab 16. September die ZDF-Literatursendung „Das blaue Sofa“. Foto: Foto: dpa

    Gute Seiten, schlechte Seiten: In der neuen Büchersendung „Das blaue Sofa“ (ab diesem Freitag, 16. September, 23 Uhr, ZDF) will der Kulturjournalist Wolfgang Herles sechs Mal im Jahr die wichtigsten literarischen Neuerscheinungen vorstellen und mit bekannten Autoren über ihre Werke sprechen. Der 61-Jährige tritt damit beim ZDF in die Fußstapfen von Marcel Reich-Ranicki („Das literarische Quartett“), Elke Heidenreich („Lesen!“) und dem glücklosen Duo Amelie Fried und Ijoma Mangold: Deren Reihe „Die Vorleser“ wurde wegen schwacher Zuschauerzahlen eingestellt. Der aus Niederbayern stammende Herles war zuletzt mehr als zehn Jahre lang Moderator und Redaktionsleiter des Kulturmagazins „aspekte“, sein unlängst erschienener Roman „Die Dirigentin“ ist eine Satire auf den Politikbetrieb. Ein Gespräch über gute Literatur und Charlotte Roche.

    Frage: Haben Sie sich schon mit Ihrem Titel als neuer Literaturpapst der Nation angefreundet?

    Wolfgang Herles: Ich bin alles andere als ein Papst und will es auch nicht sein. Ich würde mich eher als Feldkaplan der Literatur verstehen, als geistiger Beistand in einer schwierigen Branche und in einer Zeit, in der das Bücherlesen nicht mehr so selbstverständlich ist. Meine Rolle ist es, dabei zu helfen, dass die Moral nicht ganz verloren geht auf dem Feld der literarischen Ehre, um im Bild zu bleiben.

    Ein Kampf, in den Sie mit einem Biedermeier-Sofa ziehen, auf dem Sie mit Ihren Gästen über Bücher reden. Klingt doch mehr nach literarischem Salon, oder?

    Herles: In der Tat würde ich mich freuen, wenn es von mir heißt, dass ich mehr auf Bildung als auf Entertainment setze – in unserer heutigen Fernsehlandschaft wäre das ein Lob. Aber dieses blaue Biedermeier-Sofa ist natürlich auch ein ironisches Element. In der ersten Folge etwa spreche ich mit dem Autor Ilija Trojanow auf einem Tiroler Gletscher, und das Sofa wird gleich neben einer Gletscherspalte stehen.

    So muss der Zuschauer nicht nur Leuten beim Reden über Bücher zuschauen, sondern er hat auch was fürs Auge . . .

    Herles: Das Reisen soll optische Reize hergeben, aber auch symbolisch sein für das, was beim Lesen passiert. Es ist eine Metapher, denn Lesen ist ja ein Unterwegssein im Kopf, im Geist. Es wird aber keine Reportagen oder Einspielfilmchen geben.

    Ihr ARD-Kollege Denis Scheck wirft Bücher mit Schwung in die Mülltonne und zerpflückt Bestsellerlisten . . .

    Herles: Mit Denis Scheck möchte ich mich nicht vergleichen, der hat eine prima Sendung. Mit dieser großartigen Bestellernummer hat er was richtig Gutes, aber ich kann das leider nicht imitieren, jeder muss es so machen, wie es zu seinem Temperament passt. Elke Heidenreich hatte auch ihren Ton, deswegen ist sie bewundernswert. So wie sie kann ich es nicht, ich muss es anders machen, meinen eigenen Charakter finden.

    Was bedeutet das konkret für Ihre Sendung?

    Herles: Ich bin einer, der selber Romane schreibt, das ist wichtig für meine Haltung zur Literatur. Und als Journalist habe ich ein kritisches Verständnis, versuche, Dinge in Frage zu stellen. Ich will nicht im Bewunderungsmodus durch die Welt gehen.

    Es war zu hören, dass Sie die literarische Debatte auf ein höheres Niveau heben wollen . . .

    Herles: Was heißt schon höheres Niveau. Ich kann für ein Millionenpublikum nicht das abliefern, was die Kollegen von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ in ihren Rezensionen machen. Man muss mit einem so großen Publikum schon anders kommunizieren. Aber auf jeden Fall werde ich mich nicht auf das übliche Verfahren einlassen, Leute einzuladen, nur weil sie prominent sind. Und ich werde mich nicht auf Bestseller werfen, nur weil sie Bestseller sind. Es kommt schon auf die Qualität der Literatur an.

    „Reine Unterhaltungsliteratur werde ich nicht vorstellen, das wäre verschwendete Sendezeit.“

    Wolfgang Herles

    Demnach wird man die neuen Bücher von Ken Follett oder John Grisham nicht in Ihrer Sendung finden?

    Herles: Reine Unterhaltungsliteratur werde ich nicht vorstellen, das wäre verschwendete Sendezeit. Diese Art von Bestseller braucht mich auch nicht, die setzen sich auch alleine durch. Und ich würde mich niemals mit Charlotte Roche befassen, weil ich das nicht für Literatur halte, was sie macht. Es sei denn, ich habe große Lust, ihr eine mitzugeben.

    Es wird also nicht nur Empfehlungen geben, was man lesen soll, sondern auch Verrisse?

    Herles: In der ersten Sendung werde ich sechs Bücher vorstellen, von denen ich vier ausgesprochen positiv bespreche, und zwei werde ich verreißen. Es müssen auch Bücher vorkommen, die schlecht sind, aber es müssen Bücher von Autoren sein, die man kennt. Die Fallhöhe muss da sein. Es macht keinen Sinn, irgendeinen armen Debütanten fertigzumachen. Ich will ja im Grunde überhaupt niemanden fertigmachen. Aber wenn ein großer Autor ein schlechtes Buch schreibt, darf man das nicht verschweigen.

    Und was ist ein gutes Buch?

    Herles: Gute Bücher sind immer auch unterhaltsam. Aber aktuelle Literatur, die man für ein Millionenpublikum bespricht, sollte auch Themen behandeln, über die man spricht. Deshalb habe ich für die erste Sendung unter anderem Trojanows Roman „Eistau“ ausgewählt, da geht es um einen Gletscherforscher, der zu einem wütenden Umweltaktivisten wird. Das Buch ist nicht nur literarisch stark, sondern es hat auch ein aktuelles, großes, die Gesellschaft betreffendes Thema.

    Wie viel lesen Sie, um auf die guten Bücher zu stoßen?

    Herles: In dieser Saison habe ich etwa 100 Bücher in der Hand gehabt, die habe ich aber nicht alle gelesen. Bei vielen Büchern sagt man: „Ja, ist gut geschrieben, auch bewundernswert – aber es packt mich nicht.“ Wenn mich ein Buch aber packt, dann bin ich ein ganz gewöhnlicher Leser, nehme es mit ins Bett oder sogar mit aufs Klo, wenn es sehr spannend ist. Diese Bücher, die einen nicht loslassen, bis man sie ausgelesen hat, die will ich finden. Was ihre Qualität ausmacht, lässt sich ja oft nicht beschreiben und begründen. Ich will es in meiner Sendung natürlich trotzdem versuchen.

    Und welches ist Ihr Lieblingsautor oder Ihr Lieblingsbuch?

    Herles: Das ist wie bei einem Feinschmecker, der hat ja auch nicht nur eine Lieblingsspeise. Aber ich kann schon sagen, dass mein Interesse für Literatur auf Max Frisch und Martin Walser basiert. Außerdem sind Philip Roth und John Updike meine Heroen.

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