Heiner Lauterbach ist so etwas wie der Saulus der Entertainmentbranche, der sich zum Paulus wandelte. Früher für Partyexzesse und Frauengeschichten verschrien, ist er heute braver Familienvater. Alkohol und Zigaretten hat er abgeschworen. Dafür geht er heute fünfmal in der Woche joggen und isst viel Salat. Wie er das geschafft hat, erzählt er in seiner zweiten Autobiografie („Man lebt nur zweimal“), die soeben erschienen ist – und im Interview.
Frage: Hätte Ihnen vor 15 Jahren jemand gesagt, wie Sie heute leben – hätten Sie ihm geglaubt?
Heiner Lauterbach: Nein, natürlich nicht. Vorstellen kann man sich natürlich viel, aber ich hätte nicht drauf gewettet.
Sie betonen immer wieder, wie viel Sie Ihrer Frau Viktoria zu verdanken haben. Warum hätten Sie den Wandel ohne sie nicht geschafft?
Lauterbach: Wichtig ist nicht nur die alltägliche Hilfe von Viktoria, sondern vor allem die Aussicht auf ein gemeinsames Leben. Man braucht Ziele vor Augen, wenn man so eine Veränderung herbeiführen will.
Hätten Sie sich gewünscht, dieses Leben schon früher zu führen?
Lauterbach: Ich glaube nicht. Im Hinblick auf Alterungs- und Abnutzungsprozesse natürlich. Aber im Hinblick auf Erfahrungen nicht. Ich kann mir jetzt sicher sein, dass ich nicht eines Tages glaube, ich hätte etwas verpasst.
Sie haben dadurch, dass Sie jetzt ein anderes Leben führen, angeblich viele Freundschaften verloren . . .
Lauterbach: Ja. Man wagt ja dann zu bezweifeln, dass es wirklich Freundschaften waren. Aber viele Bekanntschaften haben sich tatsächlich aufgelöst, weil man festgestellt hat, dass sie sich nur über diese – ich sag' mal vergnüglichen – Dinge definierten.
Ihre Tochter Maya hat auch schon erste Schritte in die Schauspielerei unternommen. Haben Sie Bedenken, sie in Ihre Berufswelt zu lassen, die Sie ja auch wegen Oberflächlichkeit kritisieren?
Lauterbach: Nee, habe ich weniger, weil sie eben unsere Tochter ist und wir natürlich ein Auge darauf werfen und dafür sorgen werden, dass sie mit einer vernünftigen Einstellung da rangeht. Wir kennen unsere Tochter, und sie macht einen sehr vernünftigen Eindruck. Ich habe ihr gesagt, dass es ein sehr schöner Beruf ist, man ihn aber nur machen sollte, wenn man wirklich die nötige Leidenschaft mitbringt und etwaige Tiefschläge, die unvermeidlich sind, aushalten kann.
Welche Tiefschläge mussten Sie verkraften?
Lauterbach: Ach, so viel Platz gibt es in keiner Zeitung. Ich war mit 17 Jahren auf der Schauspielschule und habe mit 30 Jahren meine erste Hauptrolle im Fernsehen gespielt. Gut, diese Jahre habe ich auch nicht nur mit intensiver Suche nach Arbeit gefüllt, ich habe auch viel Blödsinn gemacht. Damals gab es nur zwei Programme, und man konnte schon froh sein, wenn man in irgendeinem Krimi mal mitspielen durfte. Das hat sich heute ja alles positiv verändert für junge Schauspieler: Man findet viel leichter Arbeit.
Sie schreiben in Ihrer zweiten Autobiografie, Geschichten vom Glück wolle eigentlich niemand lesen. Glauben Sie, Ihre neue Biografie verkauft sich schlechter als Ihre erste, in der es noch um Ihre Exzesse ging?
Lauterbach: Ich würde sogar sagen, dass es auch in meiner ersten Biografie um Glück ging – schließlich gehörte eine ganze Menge dazu, das überhaupt zu überleben. Ob sich die zweite jetzt besser oder schlechter verkaufen wird, weiß ich nicht. Es geht darin aber nicht nur darum, dass ich glücklich an die Wand starre. Ich habe in der letzten Zeit eine ganze Menge E-Mails bekommen, in denen ich gefragt wurde, wie ich diese Kehrtwende geschafft habe. Und hier habe ich sozusagen eine Generalantwort gegeben. Es wird viele Ratgeber geben in diese Richtung, ich glaube aber nicht, dass einer dieser Ratgeber-Autoren aus so reichhaltiger Erfahrung berichten kann wie ich. Das ist so wie mit dem Blinden und den Farben. Und ich denke, meine Antworten sind vielleicht interessanter als die von jemandem, der schon als 16-Jähriger wie ein Mönch gelebt hat. Das hört sich ein bisschen Gutmensch-mäßig an, aber wenn sich nur einer nach der Lektüre meines Buches entscheidet, sein Leben umzukrempeln, dann hätte sich die Mühe für mich schon gelohnt.
In Ihrem Buch lassen Sie keinen Zweifel an Ihrer Begeisterung für die Schauspielerei. Gleichzeitig sagen Sie aber, dass sich viel geändert hat – auch dadurch, dass im Fernsehen immer mehr Laiendarsteller sind. Wird die Schauspielerei heute weniger wertgeschätzt?
Lauterbach: Durch diese Vielzahl der Formate gibt es eine verschwommene Grenze. Dann weiß man gar nicht: Sind das Schauspieler oder Moderatoren oder Laien? Ich bin überzeugt, dass wir nach wie vor in Deutschland sehr gute Schauspieler haben. Das ist unser geringstes Problem im internationalen Wettbewerb. Aber heute sitzen da auch sogenannte Prominente bei Big Brother oder im Dschungel – und man weiß gar nicht, was die eigentlich machen. Zunehmend werden Leute bekannt, die überhaupt keinen Broterwerb haben. Es gibt ja heute diesen Überbegriff Promi. Und viele unterscheiden nur zwischen Promi und Nicht-Promi. Die Leute, die sich wirklich mit Film beschäftigen, wissen das aber schon zu unterscheiden und gute Schauspielerei wertzuschätzen.
Heiner Lauterbach: Man lebt nur zweimal (Bastei Lübbe, 303 Seiten, 19,99 Euro)