Frage: Frau Bauerfeind, es gab mal eine Schlagzeile über Sie . . .
Katrin Bauerfeind: Nur eine?
In Wahrheit ganz viele, aber raten Sie mal, welche von den folgenden es wirklich gab: „Rosine im faden Fernsehbrei“, Schneewittchen mit dreckiger Lache“, „Gache Wurzn!“.
Bauerfeind: Die erste Schlagzeile war es, ich erinnere mich dunkel, „Rosine im faden Fernsehbrei“! Da hat aber auch jemand länger nachgedacht. Wo stand das denn?
Weiß ich nicht mehr, aber ich wette, ein Mann hat es geschrieben*.
Bauerfeind: Warum? Schreiben so was nur Männer? Was würde denn eine Frau schreiben? Ist das jetzt vielleicht schon eine Diskriminierung? Darf ein Mann schreiben, dass eine Frau eine Rosine ist?
Schreiben vielleicht, an der Bar sollte man es sich besser verkneifen. Wo wäre Ihre Schmerzgrenze bei einem Interview, was darf man nicht fragen?
Bauerfeind: Ich bin immer dafür, dass man das fragt, was einen interessiert. Ich habe für mich ein paar Regeln, aber es ist dem Interviewten überlassen, ob er antwortet.
Es kann auch passieren, dass der Interviewte zum Interviewer sagt: „Sie haben einen Scheiß-Namen.“ So wie Wolfgang Schäuble zu Ihnen.
Bauerfeind: Das hat er klugerweise kurz vorm Interview „off Kamera“ gesagt. Und dann sagte er, dass es in dem Ort, aus dem er kommt, einen Elektroladen gibt, und mein Name ihn an diesen Laden erinnern würde. Die hießen „Doof“, und als sie Jubiläum hatten, stand über ihrer Eingangstür „80 Jahre Doof“.
Doof und Bauerfeind, nicht ganz identisch.
Bauerfeind: Das wird für immer Schäubles Geheimnis bleiben, was er da für Assoziationsketten hatte. Es war auf jeden Fall ein ungewöhnlicher Einstieg in ein Gespräch.
Sie hatten gegenüber einem anderen Politiker auch mal einen ungewöhnlichen Einstieg. Nachdem der damalige Verteidigungsminister Peter Struck einen Schlaganfall erlitten hatte, hieß es, dass es ein Schwächeanfall war. Sie fragten ihn dann, ob man damit rechnen müsse, dass er gestorben sei, wenn es einmal heißt, er hätte die Grippe.
Bauerfeind: Mein Flieger hatte Verspätung, ich kam zehn Minuten zu spät zum Interview. Meine Verspätung hat Struck so wütend gemacht, dass er meinte: Jetzt rede ich nur noch eine Viertelstunde mit Ihnen! Das hat mich wiederum so sauer gemacht, dass ich dachte: Gut, dann kommt jetzt mal meine Einstiegsfrage! Nach dem Interview, er hat mir doch eine halbe Stunde gegeben, gab er zu, dass er überlegt hat aufzustehen und zu gehen, weil die Frage eine Frechheit gewesen sei.
War die Frage eine Frechheit?
Bauerfeind. Das finde ich nicht. Die Frage war natürlich provokativ gestellt, aber worauf ich hinaus wollte, war: Wie viel Schwäche darf man als Politiker zeigen? Und er sagte, dass man als Politiker Schwächen verschweigt.
Vielleicht hat er sich danach gesehnt, mal schwach sein zu dürfen.
Bauerfeind: Ja, aber leider nachdem die Kamera aus war. Dann denkst du dir als Interviewer: Ja, geil! Aber warum sagt ihr das immer erst jetzt? Ich hätte es aber auch nicht schlimm gefunden, wenn er nach der ersten Frage gegangen wäre. Das wäre ein tolles Bild gewesen, wie Peter Struck aufsteht und geht.
Wen würden Sie gerne mal interviewen?
Bauerfeind: Sensationell wäre ein Interview mit Angela Merkel. Am besten ein Abend an irgendeinem Tresen dieser Republik mit viel Bier oder Wein.
Was ist denn spannend an ihr?
Bauerfeind: Wie sie wohl ist, wenn sie zwei Wein getrunken hat.
Also Angela Merkel betrunken machen.
Bauerfeind (lacht): Vielleicht nicht ganz so drastisch. Mich würde einfach interessieren wie sie ist, wenn sie mal loslässt. Vielleicht geht das aber auch erst, wenn sie nicht mehr im Amt ist.
Wie lange mussten Sie kämpfen, bis die Leute nicht mehr „Bauernfeind“ geschrieben haben?
Bauerfeind: Der Kampf ist noch lange nicht vorbei.
Sie haben mal gesagt, Sie würden am liebsten in einer Bar stehen und darüber diskutieren, ob alles vor die Hunde geht.
Bauerfeind: Das hab' ich gesagt? Ich bin ja so ein Schnellempörer und denke oft: Ja, alles geht vor die Hunde! Aber das kann man so pauschal doch nicht sagen. Manchmal geht es aber auch nur um das Gefühl, dass alles vor die Hunde geht.
Leben wir in einer gerechten Gesellschaft, in Bezug auf Chancengleichheit, Bildung, Einkommen?
Bauerfeind: Wenn ich mir die Talkshows anschaue, offensichtlich nicht. Ich glaube, das ist heute wieder Thema. Es geht immer um die Schere zwischen Arm und Reich, ob die Reichen ärmer werden müssen.
Müssen sie?
Bauerfeind: Das kann man nicht so einfach sagen. Es gibt immer Ungerechtigkeit. Aber es heißt auch, dass es Deutschland eigentlich gut geht und wir froh sein sollten. Wenn ich eine Phase hätte, in der ich etwas scheiße finde, würde ich es auch sagen, egal, ob es fundiert ist. Aber ich habe gerade kein solches Thema.
Man darf doch ruhig mal sagen: Das ist mir scheißegal.
Bauerfeind: Das muss man sogar. Je größer die Informationsflut wird, desto wichtiger ist es, auch mal zu sagen: Ach, das ist auch passiert? Ist mir total wurscht!
Je mehr man hört und sieht, desto mehr ist einem egal. Die Umweltverschmutzung, die schlimmen Arbeitsbedingungen in Asien . . .
Bauerfeind: Ich glaube, das hat eher mit Verdrängung zu tun. Wir wissen zwar, dass es die Probleme gibt, aber wir sind nicht damit konfrontiert. Man weiß: Ach, ich sollte sicher nicht so eine Riesenkarre fahren und mich mal informieren, wo meine Klamotten herkommen. Aber in unserer Welt ändert sich ja trotz dieser Dinge merklich nichts.
Ohne Verdrängung wären wir verloren.
Bauerfeind: Ja, ich habe das als Kind schon mitgemacht. Du bist in einem öden Freizeitlager, die Betreuer sind doof, du musst Origami basteln und willst nur heim. Trotzdem war es im Rückblick schön. Das ist auch richtig so, sonst würde man durchdrehen.
Allein schon der Gedanke an den Tod.
Bauerfeind: Es gibt ja diesen Sinnspruch: Genieße jeden Tag, als wäre es dein letzter. Dann liest du das und denkst: Ja, klar sollte man im Augenblick leben. Aber fünf Minuten später frage ich mich, wie das gehen und wie das Leben dann aussehen soll. Wenn ich wüsste, dass ich morgen sterbe, würde ich gerne in Frankreich am Meer sitzen: Brise, Wein und Musik. Dann könnte es von mir aus zu Ende gehen.
Sonst nichts?
Bauerfeind: Was denn? Wenn ich über den Tod nachdenke, ist mein Gradmesser immer: Wäre es okay für mich, wenn mein Leben jetzt vorbei wäre? Ich komme zu 90 Prozent zum Ergebnis, dass es nichts gäbe, das ich bereuen oder gerne noch machen würde.
Und bei den restlichen zehn Prozent?
Bauerfeind: Da hatte ich dann einen schlechten Tag und denke mir, dass ich noch nach New York wollte, um einen Hotdog zu essen. Aber wenn man es unbedingt gewollt hätte, wäre man wahrscheinlich schon hingefahren. Ich glaube, wenn man den nötigen Ehrgeiz und den Willen hat, kann man etwas erreichen. Ich finde es sehr schade, wenn Menschen schon früh in ihrem Leben sagen: Jetzt gebe ich auf und finde das, was ich mache, eben scheiße.
Welchen Beruf hätten Sie, wenn es mit den Medien nicht geklappt hätte?
Bauerfeind: Keinen (überlegt). Ich wollte schon so vieles machen, ich wollte in einem Blumenladen arbeiten, Landschaftsgärtnerin werden, Kommunikationsdesignerin, Architektin, Lehrerin, Stewardess. Ich wollte ein eigenes Hotel haben. Ich hab auch schon ein paar Träume begraben.
Was ist an Reinhold Beckmanns Interviewstil eigentlich so schlecht?
Bauerfeind: Das habe ich nie gesagt (lacht).
Aber angedeutet.
Bauerfeind: Ach, keine Ahnung, es gehört ja zum guten Ton, dass man sich nicht negativ über Kollegen äußert. Er hatte eben diese Zeit, in der er immer mit derselben Gestik und Mimik fragte: Wie fühlt sich das an? Das fand ich ein bisschen nervig. Ich finde trotzdem, dass er echt viel aus seinen Gästen rausholt. Ich habe bei ihm schon Leute über Sachen quatschen hören, das war krass, das hab' ich so noch nicht gehört. Das ist dann wiederum beeindruckend.
Welche Interviewfrage stellen Sie nicht mehr?
Bauerfeind: Keine Fragen nach bestem, schlechtestem, schönstem, schwierigstem. Das sind ganz schwierige Fragen, da fällt einem eh nichts ein. Niemand geht ja so durch die Welt, dass er das im Kopf hat. Man sitzt dann da und denkt: Warte, warte, warte, warte, schönste, schönste . . . Und oft widerspricht man sich.
*Tatsächlich stammt die Rosinenüberschrift von einer Frau, Susanne Schild. Erschienen in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) 2009.
Katrin Bauerfeind bei Barwasser
Geboren 1982 in Aalen, studierte Katrin Bauerfeind Technikjournalismus an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in Sankt Augustin und moderierte von 2005 bis 2007 nebenbei die tägliche Internet-Fernsehsendung „Ehrensenf“. Das Format wurde 2006 mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichnet. Seit 2007 ist sie als Fernsehmoderatorin aktiv, ihre erste Station war das Magazin „Polylux“. Im Jahr 2009 engagierte sie Harald Schmidt als Assistentin für seine Late-Night-Show, schließlich bekam sie ihre eigene Sendung, das Popkulturmagazin „Bauerfeind“, das ab April wieder auf 3sat zu sehen ist und für das sie jetzt ein neues Konzept hat – sie gibt einen Tag lang die persönliche Assistentin eines Prominenten, darunter Roger Willemsen und der Würzburger Kabarettist Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig, für den sie unter anderem Hemden bügelt. Gerade hat Bauerfeind zudem ihr Buch „Mir fehlt ein Tag zwischen Sonntag und Montag: Geschichten vom schönen Scheitern“ veröffentlicht (Fischer Verlag).