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NEW YORK: Ken Follett: Neuer Roman spielt im Kalten Krieg

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Ken Follett: Neuer Roman spielt im Kalten Krieg

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    Follett mit Buch.
    Follett mit Buch. Foto: Foto: dpa

    Geschichtsbücher, bei denen der Leser nach 1200 Seiten bedauert, dass sie zu Ende gehen, sind etwas Besonderes. Ken Follett ist solch ein Kunststück gelungen, dabei wollte er eigentlich einen Roman schreiben. Doch „Kinder der Freiheit“, das dritte Buch seiner Jahrhundert-Trilogie, ist mehr als nur Unterhaltung. Es ist ein Spiegel des 20. Jahrhunderts – und die Erinnerung an ein Stück Weltgeschichte, das noch gar nicht so lange Geschichte ist.

    Vor vier Jahren hatte Follett („Die Säulen der Erde“) das erste Buch der Trilogie vorgelegt, das den Ersten Weltkrieg erklären wollte. Vor zwei Jahren versuchte es der zweite Band mit dem Zweiten Weltkrieg. Nun war der Kalte Krieg dran. Es ist eine Geschichte vom Bau der Berliner Mauer 1961 bis zu ihrem Einriss 1989. Dazwischen beschreibt der 65-Jährige Kuba-Krise und Kennedy-Ära, Vietnam und Watergate, Prager Frühling und Solidarnosc in Polen. Wieder sind es Familien aus Russland, Großbritannien den USA und Deutschland, die der (Welt-)Geschichte ein Gesicht geben sollen.

    Der britische Autor ist ein Arbeitstier. Mit seinem Fleiß und den einem Bestsellerautor zur Verfügung stehenden Mitteln – etwa einer Schar von Mitarbeitern – hat er ein Buch entstehen lassen, das vor Fakten strotzt. Gesprächsfetzen, Gesten und Blicke von historischen Ereignissen gibt er detailliert wieder und ist dabei so akribisch, als ginge es um ein Schulbuch. Zwar gibt es einige Fehler durch die deutsche Übersetzung, die noch dazu oft hölzern oder ungeschickt ist. Aber grundsätzlich stimmen die Fakten, so absurd und ausgedacht sie manchmal auch klingen.

    Und die Geschichte um die Geschichte? Die handelnden Personen sind sehr viel erfolgreicher als der Durchschnitt in den USA, in Westdeutschland und erst recht in der DDR. Sie werden Filmstars, Rockstars, Starjournalisten, Stardiplomaten und Starautoren und heben sich damit deutlich ab vom Alltag in New York, Ost-Berlin und Moskau. Aber wenn man das außer Acht lässt, bleibt der Waliser glaubwürdig.

    Wobei Follett nicht Follett wäre, wenn da nicht wieder eine Zeichnung der Figuren wie aus einem Kinderfilm von Disney wäre, man die Bösen schon am hässlichen Äußeren erkennt. Auch bei Follett sind die Guten auffallend gut aussehend und die Bösen klischeehaft kahl, dürr, steif. Und obwohl der Sozialdemokrat Follett seine Abscheu vor dem Kommunismus nicht verheimlicht, zeichnet er die Machthaber im Kreml viel differenzierter und menschlicher als die Regierungen um Nixon und Reagan, die nur als verschlagener grauer Block voller übel gelaunter Männer erscheinen.

    Die Schilderung der DDR dagegen gelingt dem Briten erstaunlich realistisch. Gewiss, Ungenauigkeiten bleiben nicht aus. So wurde für das Fahren per Anhalter niemand in der DDR verhaftet. Und eine westdeutsche Diplomatin hätte ihrem ostdeutschen Kollegen mit Sicherheit kein Geschenk für die nicht geflohene Verwandtschaft mitgeben können, erst recht keine Schallplatte, noch dazu von einem „Volksfeind“.

    Aber dennoch lässt sich nachvollziehen, wie es so war damals, vor gerade einmal 25 Jahren. Auffällig ist wieder, wie wohlwollend Follett mit den Deutschen umgeht. Obwohl das 20. Jahrhundert genug Stoff für kritische Berichte über die Deutschen liefern würde, erscheinen sie oft weitsichtiger und verantwortungsvoller als die anderen. „Verbrechen haben mit den Umständen zu tun, nicht mit den Nationalitäten“, sagt Follett.

    Er habe das 20. Jahrhundert beschrieben, weil es die dramatischste Zeit in der Geschichte der Menschheit gewesen sei. „Und wir alle haben in dieser Zeit unsere Wurzeln. Vor 100 Jahren war das Wahlrecht für Frauen undenkbar, galt eine Minderwertigkeit von dunkelhäutigen Menschen als erwiesen und war die Demokratie eine verrückte Idee, die nur in drei großen Ländern funktionierte. Das 20. Jahrhundert war eine Zeit unermesslichen Leids. Aber zumindest ist die Welt heute viel besser als vor 100 Jahren.“

    Ken Follett: Kinder der Freiheit (Bastei Lübbe, 1216 Seiten, 29,99 Euro)

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