In seinem „musée imaginaire“, dem erträumten Museum in seinem Kopf, habe es diese Ausstellung schon so lange gegeben, sagt Götz Adriani. Immer wieder hat der 70-jährige Kurator sich ausgemalt, wie es aussieht, wenn die Werke der großen Meister der Klassischen Moderne nebeneinanderhängen: Picasso, Cézanne, Renoir, Toulouse-Lautrec. Viele Jahre nach seiner Pensionierung hat sich Adriani diesen Traum nun erfüllt – mit der Ausstellung „Cézanne, Renoir, Picasso & Co.“, die bis 29. Januar in der Kunsthalle Tübingen zu sehen ist. Mit ihr blickt das Ausstellungshaus auf jene Zeit zurück, in der Kunstliebhaber auf der ganzen Welt über das „Wunder von Tübingen“ sprachen und Hunderttausende das Museum besuchten (siehe Info-Box).
Sichtlich stolz geht Adriani durch die Ausstellung. Ob eines der Werke bei ihm noch besondere Erinnerungen wecke? Er schüttelt den Kopf: „Das sind alle meine Kinder.“ Pablo Picasso steht mit 22 Werken im Zentrum der Ausstellung zum 40-jährigen Bestehen der Kunsthalle, mit ihm hat alles angefangen. „Picasso ist das Jahrhundertgenie. Und mich hat immer interessiert, von wem Picasso inspiriert wurde“, erzählt Adriani. So kam er in den 80er Jahren zu den französischen Malern der klassischen Moderne. Und wo er sich nun schon einmal für Paul Cézanne, Auguste Renoir und Henri de Toulouse-Lautrec interessierte, zeigte er sie auch in der Kunsthalle. „Ich habe immer nur gezeigt, was mir selbst gefallen hat, nicht das, was ich für erfolgsversprechend hielt. Da bin ich sehr egoman“, erzählt der Kurator. Qualität sei in der Kunst ohnehin eine sehr subjektive Angelegenheit.
Bis zu 500 000 Besucher pro Jahr
Adrianis Erfolg war durchschlagend. Bis zu 500 000 Besucher pro Jahr kamen in die Kunsthalle. Schließlich hatte bis dahin noch niemand in Deutschland diese Bilder je gezeigt. In der Jubiläumsausstellung findet man um Picasso herum eine in dieser Dichte bislang einzigartige Präsentation von 71 Werken der Klassischen Moderne in Frankreich. Sehr am Herzen liegen Adriani dabei die 18 Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen von Cézanne, jenem Franzosen, dem die Kunsthalle ihre erfolgreichste Ausstellung zu verdanken hatte. Es ergibt sich eine wilde Mischung: schmucklose Bleistiftskizzen, naive Landschaftsmalerei, düstere Ölgemälde, farbenprächtige Aquarelle, Porträts mit irritierenden Perspektiven. Dass das museumspädagogisch gesehen nicht zusammenpasst, kümmert Adriani kein bisschen. „Ich habe kein pädagogisches Eros.“ Wenn die Besucher die Kunst nicht verstünden, dann sei das eben so. Außerdem stehe ja neben jedem Bild, wer es gemalt hat und wann. „Ça suffit!“, meint Adriani – das müsse reichen.
Der zweite Teil der Jubiläumsausstellung folgt nächstes Jahr mit der Schau „Beuys, Warhol, Polke & Co.“, zu sehen sein werden Werke damals noch unbekannter Künstler, von denen viele Adriani ihren Durchbruch zu verdanken haben. Dass die Ausstellung zur Klassischen Moderne der Kunsthalle wieder einen Erfolg wie in den 80er und 90er Jahren bringen könnte, glaubt Adriani nicht. Die Konkurrenz durch andere Freizeitbeschäftigungen sei heute einfach zu groß. Die Zeit für große Wunder sei vorbei. Text: dpa/sr
Cézanne, Renoir, Picasso & Co. – 40 Jahre Kunsthalle Tübingen (bis 29. Januar). Geöffnet täglich außer montags 10 bis 18 Uhr, dienstags 10 bis 19 Uhr. www.kunsthalle-tuebingen.de
Das Wunder von Tübingen
Zeitungen in aller Welt haben es das „Wunder von Tübingen“ genannt, als die Kunsthalle Tübingen in den 80er und 90er Jahren aus dem Nichts zu einem der meistbeachteten Ausstellungshäuser weltweit wurde. Ein Überblick über die erfolgreichsten Ausstellungen von Kurator Götz Adriani: • Paul Cézanne, Aquarelle (1982): 140 000 Besucher • Edgar Degas, Retrospektive (1984): 210 000 Besucher • Pablo Picasso (1986): 190 000 Besucher • Henri de Toulouse-Lautrec (1986/87): 300 000 Besucher • Paul Cézanne, Ölgemälde (1993): 430 000 Besucher • Auguste Renoir, Gemälde (1996): 420 000 Besucher Text: dpa