Als John Steinbeck 1937 „Von Mäusen und Menschen“ schrieb, hatte er das trostlose Leben der Wanderarbeiter im US-amerikanischen Westen im Blick. Doch das Werk porträtiert – unabhängig von Zeit und Ort – Menschen, die gezwungen sind, in Abhängigkeit und sozialer Vereinzelung zu leben. Regisseur Christoph Diem hat Steinbecks Bühnenfassung der Novelle auf die Bühne des Würzburger Mainfranken Theaters gebracht, den Text neu übersetzt. Entstanden ist eine kühle und doch eindringliche Fassung, die in erster Linie von Klaus Müller-Becks grandioser Darstellung des Lennie lebt.
Erzählt wird die Geschichte von George (Georg Zeies) und Lennie, die von Farm zu Farm ziehen und schuften, um sich ihren großen Traum erfüllen zu können: ein eigenes Stückchen Land, Freiheit und Selbstständigkeit. Lennie ist ein bärenstarkes Arbeitstier, doch geistig ist er zurückgeblieben. So gerät er immer wieder in Schwierigkeiten, aus denen George ihn retten muss. Nächste Farm, nächste Arbeit.
Die Lage verschärft sich
Auf einer dieser Stationen spitzt sich die Situation zu. Curley (Kai Christian Moritz), der missmutige Sohn des Chefs, ist stets eifersüchtig auf der Suche nach seiner Frau (Maria Vogt). Auch die ist einsam und sucht Anschluss bei den Arbeitern. Als einzige Frau ist sie ähnlich isoliert wie Crooks (Issaka Zoungrana), der als einziger Schwarzer auf der Farm ein einsames Leben in seinem Verschlag am Stall fristet. „Das ist kein guter Ort“, stellt Lennie fest und behält damit recht.
Kein Platz für Bindungen, wie auch der Invalide Candy (Christian Manuel Oliveira) feststellen muss, als er von den Kollegen gedrängt wird, seinen alten, stinkenden Hund zu erschießen – nicht aus Bösartigkeit, sondern aus kühlen, vernünftigen Überlegungen, wie sie der freundliche Vorarbeiter Slim (Kai Markus Brecklinghaus) anstellt. Dass die Bindung Candys zu seinem Hund Parallelen zu dem Verhältnis zwischen George und Lennie aufweist, lässt nichts Gutes ahnen.
Diem stellt die Vereinzelung seiner Charaktere in den Vordergrund. Viele Szenen wirken wie Rezitationen. Die Handelnden blicken sich nicht an, sondern starren geradeaus. Gemeinsamkeit entsteht nur für kleine Momente, wenn George und Lennie ihren Traum vom besseren Leben beschwören. Florian Barth hat für das Bühnenbild eine Art riesiges, drehbares Farm-Puppenhaus gebaut, das die Darsteller noch verlorener wirken lässt. Fenster fungieren als Bilderrahmen, in denen einzelne Einsame gefangen erscheinen, der Platz vor dem Haus wird zur Hühnerstange, auf der alle Platz finden: nebeneinander, nicht miteinander.
Bei aller emotionalen Distanz geht das Stück unter die Haut, was vor allem den Darstellern zu verdanken ist. In der Würzburger Inszenierung zeigt sich „Von Mäusen und Menschen“ über 70 Jahre nach seiner Entstehung aktuell: Unmenschlichkeit beginnt als kühle Vernunft, wirtschaftliche Abhängigkeit führt zu Einsamkeit und Sarkasmus. Nur Träume machen die kalte Realität noch erträglich, doch Vernunft und Sarkasmus sind die Feinde des Traumes. „Bravo“-Rufe und tosender Applaus in der Premiere.
Nächste Vorstellungen: 27., 29. Mai, 2. Juni. Karten: Tel. (09 31) 39 08-124