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WÜRZBURG: Mainfranken Theater: Wenn Turandot zum Monumentalfilm wird

WÜRZBURG

Mainfranken Theater: Wenn Turandot zum Monumentalfilm wird

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    Die Geschichte um die grausame chinesische Prinzessin schillert wie ein Märchen aus „Tausendundeiner Nacht“. Der renommierte Gastregisseur gewährt, wie nebenbei, aber auch einen Blick unter die märchenhafte Oberfläche. Und da schlummert eine düstere Geschichte von menschlicher Schwäche, von Tod und Tyrannei, von einer jungen Despotin, die die Verletzungen der eigenen Seele brutal an ihren Mitmenschen auslässt.

    Einer fernen Urahnin zu Ehren, die vergewaltigt wurde, schwört Turandot, die eigene Unschuld zu bewahren. Jeder, der um ihre Hand anhält, muss drei Fragen beantworten. Wer falsch rät, wird geköpft. Die Köpfe der Opfer sind auf den Stadtmauern aufgereiht. Das Volk, von Götz Lanzelot Fischer eingekleidet wie Chinesen der Mao-Zeit, stöhnt unter der Knute der Grausamen. Doch ist es auch willfähriges Werkzeug. Keiner wehrt sich. Die Minister Ping, Pang und Pong weinen zwar friedlichen Zeiten nach, doch sie unternehmen nichts und zementieren so die Gewaltherrschaft.

    Dann kommt Prinz Kalaf. Der sieht Turandot, verliebt sich in sie, löst die Rätsel und macht sie zur liebenden Gattin. So ist das zumindest an der Märchen-Oberfläche. Die Würzburger Inszenierung transportiert sehr subtil noch eine andere Geschichte. Denn Gasttenor Richard Brunner nimmt man die Liebe zu Turandot nicht so recht ab. Der US-Amerikaner ist ein Heldentenor – er hat unter anderem in Bayreuth gesungen – mit Stahl in der Stimme.

    Dieser Kalaf will seinen Heldenmut zeigen. Vielleicht will er auch dem zwischen hohen, engen Mauern eingepferchten Volk Freiheit bringen (Bühne: Reinhart Zimmermann). Oder er will Macht. Die berühmte Arie „Nessun dorma“ singt Brunner denn auch unverschnulzt, eher voll Verachtung für Turandot als voll Liebesschmerz – als wolle er sagen: Du kriegst mich nicht klein!

    In Wahrheit liebt Kalaf wohl Liu, seine Dienerin. Doch als er das einsieht, ist es zu spät. Liu hat sich aus Liebe zu ihm getötet – und ihn so vor dem Tod gerettet. Das Ende ist in Würzburg denn auch nicht wirklich ein märchenhaftes Happyend mit zur Menschlichkeit bekehrter Turandot: Im Vordergrund der Bühne zeigt die in einem Glassarg aufgebahrte Liu, dass die mörderischen Mechanismen noch gegenwärtig sind.

    Wenn die Inszenierung wie ein Monumentalfilm ist, dann sorgen die Würzburger Philharmoniker für den passenden Soundtrack. Das Orchester unter Generalmusikdirektor Jin Wang lotet die Bandbreite der wirkungsvollen Puccini-Komposition zwischen Süßlichkeit, pseudo-chinesischer Folklore und bedrohlichem Donnern aus, das durch die Körper der Zuhörer bebt.

    Zur Cinemascope-Wirkung trägt wesentlich auch der Chor (Einstudierung Markus Popp) bei. Es gibt kaum eine Oper, bei der die Chöre so wichtig sind. Bis zu 100 Sängerinnen und Sänger (inklusiv Kinderchor) bietet das Theater auf. Die Wirkung ist beeindruckend, auch, weil fast alles auf den Punkt klappt.

    Anja Eichhorn hat eine große dramatische Stimme mit einer weiten Bandbreite an Ausdrucksmöglichkeiten. Die Sopranistin aus dem Würzburger Ensemble ist eine starke Turandot. Esther Kretzinger, die Sängerin mit dem zu Herzen gehenden Piano in der Höhe, macht Lius tiefe Gefühle für Kalaf in jeder Phase spürbar. Uwe Schenker-Primus, Randall Bills und David Fielder geben, grotesk kostümiert, Ping, Pang und Pong auch komische Züge.

    Nach der der Premiere spendete das Publikum fast eine Viertelstunde Applaus, durchsetzt mit Bravo-Rufen für eine großartige Saison-Eröffnung.

    Nächste Vorstellungen: 4., 8., 12. Oktober. Tel. (09 31) 39 08-124

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