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WÜRZBURG: Reinhard Mey: Jungspund mit 71

WÜRZBURG

Reinhard Mey: Jungspund mit 71

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    Reinhard Mey. Das Bild entstand beim Sound-Check.
    Reinhard Mey. Das Bild entstand beim Sound-Check. Foto: Foto: Chris Weiss

    Moden, Strömungen und Zeitgeister kamen und gingen: Doch Reinhard Mey, dieser, laut Selbsteinschätzung, „nun auch schon 71-jährige dynamische Jungspund“ hatte schon in den 70er Jahren dagestanden, vom hell-runden Spot eines Scheinwerfers angestrahlt, das Hemd locker über der Jeans. Damals wie heute plauderte und plaudert er von seiner Nervosität, der Familie, dem Leben. Einst wie jetzt führte und führt er das Publikum charmant, leise lächelnd, wie gute alte Freunde durch einen fast privat anmutenden Liederabend.

    Von wegen privat: 1600 Zuschauer waren’s im ausverkauften Congress Centrum Würzburg (CCW). Und eines muss man Reinhard Mey lassen: Mit seinem unverändert jungenhaften Wesen, dem Gespür für die Menschen und den Erinnerungen an eine stramme Musikerlaufbahn, erobert er sogar die Sympathien der nicht zum Fanzirkel zählenden Zuschauer.

    60 Stationen umfasst seine „Dann mach’s gut“-Tournee, die entgegen anderslautender Gerüchte nie und nimmer eine Abschiedstournee sein dürfte. Es sind 60 solo bestrittene Dreistunden-Abende quer durch die Republik ohne einen Tag Pause. Allein die enorme Energieleistung verdient Respekt – und wenn Mey überall solche Anekdoten wie über seine frühen Würzburger Auftritte in den inzwischen zum Supermarkt umgebauten Huttensälen mit ihren scheußlichen Umkleiden beizusteuern weiß, verblüfft es umso mehr.

    Den Tod seines fünf Jahre lang im Koma gelegenen Sohnes in diesem Mai scheint er, so tapfer als möglich, bewältigt zu haben. Thematisch taucht Maximilian, tauchen die beiden Ehefrauen, die zwei Töchter nebst der Großfamilie mit dem Vater aus der Kriegsgeneration immer wieder auf. Die 1600 Ohrenzeugen, es sind durchaus jüngere Generationen darunter, folgen dem vitalen Kerl an der Gitarre willig. Mey lästert, und er darf das, über Rüpelrappermützen und Opi-2012-Aufkleber am Auto, und er sinniert warmherzig über seinen „in der Nähe von Würzburg aufgewachsenen Freund“ Wein: „Manchmal brauch ich die Glut der Reben, einfach um zu überleben. Wer dich in Demut ehren kann, bleibt trunken auch ein Edelmann.“

    Irgendwann nach zwei Stunden fällt doch noch auf, dass sich der Künstler zu weigern scheint, aus dem Fundus seiner Allzeit-Klassiker zu schöpfen: Von all den Liedern, die den Leuten beim Gedanken an Reinhard Mey spontan einfallen, von der Diplomatenjagd, Annabelle oder der heißen Schlacht am kalten Büfett, bringt er nichts. Um 22.03 Uhr lässt er wenigstens „Über den Wolken“ in betont sanfter Arrangierung hören, als allerletztes um 22.43 Uhr „Gute Nacht, Freunde“. Trotz der stehend dargebrachten Ovationen ist’s der Abschluss, wie immer. „Denn es ist Zeit, für mich zu gehen“ nimmt der Sänger eben wörtlich.

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