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Würzburg: Robert Höfling: Die Abgründe hinter dem Idyll

Würzburg

Robert Höfling: Die Abgründe hinter dem Idyll

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    Gar nicht fränkisch-gemütlich: Robert Höflings "Fronleichnamsprozession" im Museum am Dom.
    Gar nicht fränkisch-gemütlich: Robert Höflings "Fronleichnamsprozession" im Museum am Dom. Foto: Thomas Obermeier

    "Das hätte Jesus nicht gewollt", notierte ein verärgerter Besucher im Jahr 1976 im Gästebuch des Würzburger Spitäle. Was ihn so aufgeregt hatte, war die Ausstellung "Franconia Sacra" von Robert Höfling. Nun ist der Satz der Titel der Ausstellung im Museum am Dom. Wiederum sind Werke von Robert Höfling zu sehen. Wie werden die Ausstellungsbesucher jetzt, 43 Jahre später, reagieren?

    Die Werke von Robert Höfling (1919 bis 1997) können noch immer verstören, zumindest verunsichern. Sie zeigen aber auch, dass es dem eigenwilligen Hammelburger nicht um Provokation um der Provokation willen ging. Vielmehr sind sie Ausdruck einer lebenslangen Suche. Nach Sinn, nach Wahrheit – oder wenigstens einem Zipfel davon. Die Werke erzählen auch von den inneren Kämpfen eines katholisch geprägten Menschen, der sieht, dass in der Welt und auch in der Kirche zu vieles nicht so läuft, wie es die Theorie, der Glaube und womöglich Jesus eigentlich wollten . . .

    Was hätte Jesus gewollt?

    Doch: Was wollte Jesus eigentlich? Leicht zu beantworten ist das nicht, weil verlässliche Quellen fehlen. Die Evangelien, Jahrzehnte nach Jesu Tod entstanden, sind eher Glaubenszeugnisse als faktenorientierte Berichte.

    Jedenfalls hätte der Mann, der konsequent seinen Weg bis zum Tod am Kreuz ging, es wohl nicht gewollt, dass man wegsieht, wenn Menschen leiden, wenn Ungerechtigkeit herrscht. Er hätte es nicht gewollt, dass man sich's, im übertragenen Sinne, im Lehnstuhl des eigenen Wohlergehens bequem macht.

    Diesen Gedanken transportiert Höflings Assemblage "Christus im Lehnstuhl" kritisch, drastisch, wirkungsvoll. Auch wenn er in erster Linie Maler war, hat die Plastik vieles, was für die Arbeitsweise des radikalen Querdenkers typisch war. Das Werk steht nicht nur räumlich im Zentrum der Ausstellung, sondern auch gedanklich: "Hier laufen die Fäden dessen zusammen, was Robert Höfling in seiner Kunst ausdrücken wollte", so Michael Koller, Ausstellungskurator und kommissarischer Museumsleiter.

    Gegen die Alltags-Bequemlichkeit

    Der Künstler hat einen Gekreuzigten in einen Lehnstuhl drapiert. Da kommen Gedanken, die beim Anblick eines herkömmlichen Kruzifixes ungestört und unachtsam weiterfließen, kräftig ins Stolpern. Höflings Darstellung hält dem Betrachter und dessen Alltags-Bequemlichkeit den Spiegel vor. Das Werk sei eine "plastische Manifestation der nicht nur von Höfling oft schmerzhaft empfundenen Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit in Kirche und Gesellschaft", heißt es in der Ausstellung.

    Stolperstein gegen bequemes Denken: Robert Höflings "Christus im Lehnstuhl" im Museum am Dom
    Stolperstein gegen bequemes Denken: Robert Höflings "Christus im Lehnstuhl" im Museum am Dom Foto: Thomas Obermeier

    All das begreift der Betrachter erst auf den zweiten Blick. Der ist generell bei Höfling-Arbeiten wichtig. Beim zweiten Blick eröffnen sich hinter der Oberfläche vor allem der religiös geprägten Werke verstörende Abgründe – mag das Bild auf den ersten Blick auch harmlos wirken. Eine Fronleichnamsprozession – in schwarz-weiß gemalt –wirkt alles andere als fränkisch-gemütlich, das Idyll einer Prozession von Kommunionkindern wird radikal durchkreuzt: Der zweite Blick zeigt, dass die Kinder nicht Blüten ausstreuen, sondern Hühner rupfen.

    Es ist, als werde eine schöne Tapete von der Wirklichkeit gerissen. Und dahinter lauert eine scheinheilige, verlogene Welt. Höflings meisterliche Technik transportiert das Unbehagen direkt in die Seele des Betrachters.

    Nicht alles ist widerspenstig, aber vieles rüttelt auf

    An die 70 Werke des Ausnahmekünstlers zeigt das Museum am Dom. Viel Religiöses ist dabei. Aber da sind auch Porträts, Landschaften und Karikaturen. Höfling war vielseitig, beherrschte virtuos unterschiedlichste Techniken. Gleich am Eingang gibt es einen Einblick in sein Hammelburger Atelier.

    Nicht alles in der Schau ist widerspenstig. Auge und Gehirn können sich auch mal ausruhen. Doch der generelle Eindruck der Ausstellung ist: Sie ist unbequem. Sie rüttelt auf. Durchaus möglich, dass Jesus das gewollt hätte.

    Übrigens gab es in der 1976er Ausstellung auch begeisterte Eintragungen ins Gästebuch. Da standen auch Kommentare wie "phänomenal" oder "ein kultureller Höhepunkt", wie eine Graffiti-Wand im Museum am Dom zeigt. Auf der können auch heutige Besucher ihre Eindrücke notieren.

    Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10-17 Uhr. Bis 23. Juni.

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