(dpa) Besorgt blickt Suzanne Harf von der Bühne vor den imposanten Steinarkaden der Felsenreitschule in Salzburg in den Orchestergraben. „Das hier müssen wir abkordeln, sonst fällt uns da noch jemand rein“, sagt sie. Ein Techniker testet Licht, Männer in dunklen Anzügen debattieren über Eierschwammerl-Ragout und hausgemachte Nockerl, ein weiterer verhandelt mit dem Bühnenmeister über mögliche Kerzen auf der Bühne. „Nur in Gläsern“, lautet der Kompromiss.
Doch auf der Opernbühne bei den Salzburger Festspielen geht es gerade nicht um Proben, sondern um die Vorbereitungen für einen Sponsorenempfang. „Das wird bei uns jedes Jahr ein größeres Thema“, sagt die Sponsoren- und Protokollchefin der Salzburger Festspiele, Suzanne Harf. Die ausgebildete Opernsängerin und Kulturmanagerin kümmert sich seit Jahren um die vielen Wünsche von Prominenz und Wirtschaftsbossen bei dem Kulturspektakel und koordiniert alle Nebenveranstaltungen. Mit geschätzten 200 Empfängen und Galadiners nimmt das Gesellschaftliche in Salzburg inzwischen genauso viel Raum ein wie die rund 200 Opern- und Theatervorführungen. Doch die immer wieder geäußerte Kritik, die Festspiele verkämen zum reinen Promi- und Society-Event, hält Harf für ungerecht:„Die Salzburger Festspiele haben eine Tradition als Treffpunkt für Kultur, Politik und Wirtschaft.“
Mit ihren Assistenten eilt Harf den ganzen Tag durch Salzburg und die Festspielhäuser, um jedem Geldgeber alles recht zu machen. „Es ist ein bisschen wie im Kindergarten, jeder will sich wichtig fühlen“, sagt sie. Um Enttäuschungen zu vermeiden, verteile sie regelmäßig „Zuckerl“ mit dem Zusatz „das haben wir jetzt exklusiv für sie möglich gemacht.“
Denn neben den fünf Hauptsponsoren Nestlé, Audi, Siemens, Uniqua und Credit Suisse wollen auch zahlreiche Ministerien oder Prominente mit möglichst prestigeträchtigen Räumen für die Empfänge ihrer extra zu den Festspielen geladenen Gäste versorgt werden. Auch der Besuch eines Festspiel-Stars wie Rolando Villazón oder des Opern-Traumpaars Anna Netrebko und Erwin Schrott wird gerne gesehen. In Zeiten knapper öffentlicher Kassen müssen die Geldgeber aus der Wirtschaft bei Laune gehalten werden. „Ohne Sponsoren wäre unser normales Programm gar nicht mehr möglich“, sagt Harf. Bei Einnahmen von 49,7 Millionen Euro kamen in Salzburg im vergangenen Jahr 13 Millionen aus öffentlichen Kassen, 4,7 Millionen steuerten Sponsoren bei, 1,4 Millionen brachte der Verein der Freunde und Förderer auf.
„Der internationale Konkurrenzdruck durch andere Festspiele ist merklich gestiegen, die finanzielle Situation spürbar härter geworden“, klagt Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler. Auch die Bayreuther Festspiele berichteten in diesem Jahr über ihre prekäre finanzielle Lage und kündigten an, künftig mehr auf Sponsoren setzen zu wollen.
Der deutsche Bühnenverein sieht diese Entwicklung positiv, solange der Staat nicht deshalb seine Mittel kürzt. „Wir sind dankbar dafür, viele Produktionen würden nicht zustande kommen, wenn die Wirtschaft nicht helfen würde“, sagt der geschäftsführende Direktor, Rolf Bolwin. Ein Allheilmittel sei dies allerdings nicht, da die Sponsoren immer ein Eigeninteresse hätten: „Die Staatsoper in München kriegt natürlich schneller einen Sponsor als die Landesbühne in Radebeul.“ Programmauflagen seien tabu, auch würde er sich manchmal bei den Geldgebern mehr Sinn für Modernes wünschen.
Im Arbeitszimmer von Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler rückt Harf entschlossen den Schreibtisch ihrer Chefin an die Wand. Am Abend soll hier ein Essen für 18 VIPs aus Wirtschaft und Kultur stattfinden – Namen dürfen nicht verraten werden. „Ich möchte die schönen Rotweingläser – und denken sie daran, keine Paprika im Essen“, diktiert sie dem Lieferanten. Besondere Wichtigkeit hat natürlich die Sitzordnung, die über Erfolg und Scheitern des Abends entscheiden kann. „Man muss die Leute kennen, wer was spricht und wer eher ruhiger ist – und natürlich, wer neben wem sitzen sollte, weil es vielleicht für uns etwas bringen kann“, verrät Harf.