Die Landschaft des Impressionismus beginnt gleich bei Paris in westlicher Richtung. Hinter Gennevilliers bildet die Seine eine Schleife, kurz darauf zeigt sich der Fluss als Wasserfläche von großer Breite. Im 19. Jahrhundert kamen Pariser zum Rudern und Segeln – und es kamen die Maler. Ungeheuerliches geschah. Monet und Manet, Renoir, Boudin, Degas, Pissarro, Courbet und andere bauten ihre Staffeleien auf und malten unter freiem Himmel.
Ihre Technik war die einer freien Darstellung, nicht mehr naturalistisch. Pinsel wurden temperamentvoll geschwungen, anders als in der von der Akademie der Künste vorgegebenen Genauigkeit. Edouard Manet setzte auf eine andere Genauigkeit, er platzierte eine nackte Schöne zwischen zwei Männern. „Das Frühstück im Grünen“ war ein Skandal. Entlang der Seine, im bunten Treiben der Müßiggänger, der Wasserkringel und des Spiels von Licht und Farben, gewann die subjektive Wahrnehmung der Künstler, das schnelle Erfassen des Augenblicks, so, wie er sich dem Künstler darbot, die Oberhand. Es war die Geburt des Impressionismus.
Ein grundlegender Wandel
Aus Anlass eines großen Jubiläums zeigt das Städel-Museum in Frankfurt (wie bereits kurz berichtet) eine Ausstellung, die den grundlegenden Wandel der Kunst ab Mitte des 19. Jahrhunderts dokumentiert. Impressionisten-Schauen hat es in vielen Großstädten gegeben, diese ist aber eine besondere. Und das in zweifacher Hinsicht: Vor 200 Jahren, im März 1815, übergab der Frankfurter Kaufmann Johann Friedrich Städel seine großartige Kunstsammlung der Stadt – mit der Bedingung, die Werke in einem Kunstmuseum zu zeigen. Dem verdankt Frankfurt sein „Städel“, mit einer der besten Sammlungen Deutschlands. Zum anderen liegt der Fokus der jetzigen Ausstellung auf Claude Monet, Jahrgang 1840.
Von dem gebürtigen Pariser, der 1926 starb, wurden 44 Bilder aus den bedeutendsten Museen der Welt, bis aus Russland und den USA, an den Main geholt. Zudem sind knapp 60 Werke weiterer Impressionisten wie Mary Cassatt, Degas, Morisot, Pissarro oder Sisley zu sehen. Eine solche Fülle war noch nie in einem Museum zu besichtigen, nicht einmal bei der ersten Impressionisten-Ausstellung in Paris 1874.
In spontaner Pinselschrift
Man muss sich klarmachen, was damals geschah. Die Landschaftsmalerei, die um 1850 mit Gustave Courbet und Eugene Delacroix einsetzte, krempelte das traditionelle Kunstverständnis um. Kunsthistoriker nennen das eine Revolution. In spontaner Pinselschrift entstand ein ganz eigener, neuer Stil, der später nach einem Bild von Monet mit dem Namen „Impression“ – eine Darstellung des Sonnenaufgangs (1872) – als Impressionismus gefeiert wurde.
Farbkleckse wurden Wirkungsmittel der Malerei, herkömmliche Gesetze der Bildkomposition überwunden, elementare Darstellungen setzten sich durch, und – das Stärkste – es waren nicht mehr Würdenträger, Fürsten, Könige, Militärs oder Heilige, die abgebildet wurden.
Konservative Kräfte mussten das erst mal verarbeiten. Als Monet sein Gemälde „Das Mittagessen“ (1869) für die königliche Leistungsschau der Gegenwartskunst in Paris 1870 einreichte, lehnten die Juroren es ab, während die Kritik es bejubelte. Es hängt heute im unteren Geschoss des Städels, erstreckt sich über zwei Ebenen, zweieinhalb Meter hoch. Was ist darauf zu sehen?
Monet hatte drei speisende Frauen und ein Kleinkind mit schwingendem Löffel gemalt. Ein Ei, Brot und Gebäck, Teller, ein Glas und Servietten auf der nicht gebügelten weißen Tischdecke. Schnell kam heraus, dass es sein Knabe war und er mit der Mutter des Blondschopfs in wilder Ehe lebte. Ein Bastard als Bildmittelpunkt, geschützt von Frauen und bestrahlt von der Sonne . . .
Der Impressionismus brachte die Realität in die Kunst, mit subtilen Abstufungen der Farben. Straßen, Wälder, Gewässer, Häuser, Boote und vor allem Menschen – damit kamen auch Sinnlichkeit und Lebenslust in die Malerei.
Monet und die Geburt des Impressionismus: Städel-Museum, Frankfurt, Schaumainkai 63, geöffnet bis 21. Juni (Dienstag, Mittwoch, Samstag, Sonntag 10-19 Uhr; Donnerstag, Freitag 10-21 Uhr). Der Katalog ist bei Prestel erschienen und kostet 39,90 Euro.