Pünktlich um 20.15 Uhr geht’s los mit Urban Priols aktuellstem Programm im ausverkauften Würzburger Bockshorn - gleich an zwei Abenden hintereinander lädt der Aschaffenburger Kabarettist zum „gesternheutemorgen“ ein. „Viertel nach“, das passe ihm gut, so Priol, da könne er vor dem Auftritt immer noch die "Tagesschau" sehen. Sich auf den neuesten Stand bringen, bevor es auf die Bühne geht - und auf dem neuesten Stand ist seine wortgewaltige Darbietung allemal.
Los geht’s direkt mit dem „Eurovisions-Contest vom Wochenende“ - der Europawahl. Dazu kommt Österreichs Regierungskrise durchs Ibiza-Video zur Sprache, genauso wie die Zerstörung der CDU durch YouTube -„die Stammwähler der CDU wissen ja gar nicht, was das ist, die halten das für ne Zahnpasta“.
„Retro“ sei er grade drauf, und so sei auch sein Programm ausgerichtet, denn alles fühle sich genauso an wie damals, in den 80ern. Damals, 1982, als Helmut Kohl das Land übernommen hatte und „der Dicke und ich gemeinsam angefangen haben, Kabarett zu machen“. Priol liefert ein Feuerwerk der Politsatire - und eine oft traurige Beschreibung der Lethargie unserer Zeit: „Am meisten hassen wir Deutschen Veränderung“.
Zeugnis für Dobrindt
Vom Raubtierkapitalismus Reagans und Thatchers kommt er im nächsten Atemzug zum „Little Shop of Horrors“ in Berlin. Alexander Dobrindt bekommt von ihm ein „Lebensendzeugnis“ ausgestellt. Das ernüchternde Urteil: "Hat sich nicht einmal bemüht“. Sowieso, die CSU - diese „regionale Splitterpartei, diese Alpentaliban, die seit Jahren 15 andere Bundesländer in Geiselhaft nimmt im Zeichen der Lederhosen und Niedertracht“ - solle doch einmal bundesweit antreten bei einer Wahl und schauen, was passiert…
Urban Priol wirft die Hände und die Worte in die Luft, spielt mal den ratlosen italienischen Fluglotsen, mal den Letztwähler, der immer wieder angstvoll „aber des hammer scho immer so gemacht“ vor sich hin betet. Gefühlt immer schon ist auch Angela Merkel an der Macht, die „empathielose Kaltmamsell des Großkapitals“. Zum Schluss aber wird Priol fast versöhnlich - auch wenn er sich laut eigener Aussage weniger wie ein stolzer Don Corleone und eher wie Don Quichote vor den Windmühlen fühlt.
Das Würzburger Publikum ist begeistert und honoriert Urban Priols fast dreistündiges, atemloses Plädoyer für mehr Mut und Veränderung in der Republik mit tosendem Applaus.