Der Chefarchäologe von Ägypten fordert die Nofretete-Büste zurück (wir berichteten). Berlin konterte nahezu rituell, die Schöne vom Nil bleibe an der Spree. Wem gehört die Antike? Seit es Museen gibt, gibt es auch Streit um die Rückführung von Kulturgütern in ihre Ursprungsländer. Auch Würzburg stand mehrfach in der Diskussion. Denn das Martin-von-Wagner-Museum der Universität hortet einen Teil des Parthenon-Frieses.
Man müsse differenzieren und die Geschichte jedes einzelnen Stücks betrachten, erklärt Ulrich Sinn, Professor für Klassische Archäologie an der Universität Würzburg. Die Umstände, wie die Büste der Gattin des Pharaos Echnaton nach Berlin kam, scheinen nicht geklärt. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Bundesregierung lassen am Besitz des über 3300 Jahre alten Stücks nicht rütteln. Nofretete sei 1913 im Rahmen einer Fundteilung rechtmäßig durch die Deutsche Orientgesellschaft und später durch den preußischen Staat erworben worden. Dies sei mit Dokumenten zweifelsfrei belegt. Der ägyptische Chefarchäologe Zahi Hawass hält dagegen, dass Ludwig Borchardt, der die Büste der Gattin von Pharao Echnaton 1912 in Tell al-Amarna ausgrub, die Verantwortlichen in Kairo – damals die französische Kolonialverwaltung – hinters Licht geführt habe, wie die Deutsche Presseagentur berichtet.
Archäologen vergangener Jahrhunderte waren oft eher Schatzgräber denn an Erkenntnissen interessierte Wissenschaftler. Und sie waren nicht immer zimperlich, wenn es darum ging, antikes Gut ins Heimatland zu schaffen. Der Würzburger Kentaurenkopf ist Teil eines Reliefs, dessen Hauptteil – der Pferdekörper – im British Museum in London zu sehen ist. Von Athen in die britische Hauptstadt kam die Platte – neben anderen Stücken – dank Lord Thomas Bruce Elgin. Der hatte zwischen 1803 und 1812 Verzierungen des berühmten Tempels auf der Akropolis abschlagen lassen und sie ans British Museum verkauft (er war knapp bei Kasse). Wenn griechische Behörden mit Misstrauen auf die Besitzverhältnisse schauen, muss das nicht verwundern . . .
Mit dem Würzburger Kopf des Kentauren gebe es dagegen keine Probleme, sagt Professor Sinn, der auch Leiter der Antikenabteilung des Martin-von-Wagner-Museums in der Residenz ist. Als Lord Elgin Antikenforschung mit Hammer und Meißel betrieb, saß der Kopf schon nicht mehr auf dem Körper. Martin von Wagner (1777 bis 1858), Würzburger Maler, Sammler und Kunstagent für Ludwig I., erhielt das Haupt in Rom geschenkt. Über seinen Nachlass kam es in den Besitz der Universität. „Von griechischer Seite ist Ruhe“, sagt Sinn. Man müsse, wenn Kunst zurückgeführt werden soll, auch das Umfeld betrachten, in welches das Stück komme. „Im Akropolis-Museum ginge es unter“, glaubt Sinn. Dort werde ein Gipsabguss mit einem Hinweis auf Würzburg gezeigt. Das Original sieht Sinn gerne als Botschafter griechischer Kultur in Deutschland.
Das Getty-Museum in Los Angeles liegt seit Jahren im Clinch mit italienischen Behörden. Dabei geht es um mehrere Dutzend antiker Kunstgegenstände, die angeblich illegal erworben wurden. Einiges hat das Getty-Museum mittlerweile zurückgegeben. Das sei richtig, urteilt der renommierte Archäologe Sinn. „Die Stücke sind in Sizilien von der Bevölkerung mit Jubel empfangen worden.“ Soll heißen: Dort passt das Umfeld, in dem die Kunstgegenstände sich künftig befinden. Wem gehört die Antike? In dem Fall wohl dem italienischen Volk . . .
„Heinrich Schliemann durfte noch legal Stücke ausführen“, sagt Sinn über den Mann, der Troja in den 1870er Jahren entdeckte. Damals gab es Vereinbarungen, die einen Teil der Funde dem Entdecker zuschrieben. Heute, sagt Sinn, der in Olympia gegraben hat, „ist es eine Selbstverständlichkeit, dass nichts mitgeht“. Das sei schon „seit mindestens 80 Jahren so“. Wenn Kulturgüter außerhalb des Landes gezeigt werden sollen, in dem sie gefunden wurde, gebe es die Möglichkeit, sie als Leihgaben in Ausstellungen zu schicken. Wem also gehört die Antike? Eigentlich allen. Um die Besitzverhältnisse wird dennoch immer gestritten werden. Nofretete, meint Ulrich Sinn, sollte in Berlin bleiben. In Ägypten gebe es doch schon so viel großartige Kunst.