Wer „Saxify“ einmal im Kopf hat, wird den Song so schnell nicht wieder los. Macht aber nichts. Knarziger, ultratrockener Bass, souliger Gesang und sehr, sehr funkige Bläsersätze. Wer mit „Saxify“ den Tag beginnt, kommt mit dem Schwung mühelos bis zur Mittagspause. Und kann danach gleich mit einem weiteren Song von Susanne Alt weitermachen: Die etwas ruhigere Jazznummer „Things To Do“ dürfte das beste Rezept sein, um mit stetem Groove aus dem Mittagsloch zu kommen. Und Abends dann vielleicht ein bisschen loungiges House – die Musik der aus Würzburg stammenden Saxofonistin und Komponistin taugt für viele Tageszeiten.
Am Sonntag, 29. Oktober, tritt sie mit zwei Bläserkollegen – Dirk Ruming (Bassklarinette) und Johannes Liepold (Altklarinette) – und DJ Pheel, der für Beatbox und Taschenkeyboards zuständig ist, beim Jazzfestival der Jazzinitiative Würzburg auf. Die drei werden Stücke von Rumig/Liepold und von Alt spielen. „Es wird ein paar Absprachen geben, aber ich hoffe, dass wir so viel wie möglich improvisieren. Kucken, was geht – in dem Moment.“
Susanne Alt, 1978 in Würzburg geboren, lebt seit 21 Jahren in Holland. Mit 17 hatte sie begonnen, klassisches Saxofon in Nürnberg zu studieren, als sie ein Jahr später bei einem Workshop in Erlangen den Siemens-Jazz-Förderpreis verliehen bekam. Sie ging nach Hilversum, das damals im Ruf stand, die beste Jazzhochschule Europas zu beherbergen. In Hilversum entstehen all die TV-Casting- und Reality-Formate wie Big Brother oder Superstar, hier ist auch das Metropole Orkest ansässig, das auf Crossover-Projekte und Unterhaltungsmusik spezialisiert ist und ständig qualifizierten Nachwuchs braucht.
Nach zwei Jahren fusionierten die Hochschulen Hilversum und Amsterdam, Susanne Alt wechselte nach Amsterdam, wo sie, abgesehen von einem Zwischenspiel in Berlin für ein Aufbaustudium, bis heute lebt. „Hilversum war am Anfang ganz gut, weil nicht so groß. Mit 18 schon nach Amsterdam, das wäre schon happig gewesen“, sagt die Musikerin.
In Amsterdam gehört der Jazz zum Alltag
Sehr bald schon konnte sie sich nicht mehr vorstellen, wieder in Deutschland zu wohnen: „Das Klima für Jazz ist in Amsterdam viel besser. Bedeutender sind eigentlich nur noch New York und vielleicht Paris. Die Jamszene war damals unheimlich groß, und das ist immer noch so.“ Es gebe immer noch vier, fünf hochklassige Sessions die Woche in den Clubs. „Amsterdam ist traumhaft als Musiker: Du kannst einfach aufs Rad steigen, losfahren, und schon bist du auf einer echt guten Session. Das trägt zur Entwicklung bei – sozusagen die Kilometer, die man ableisten muss, um besser zu werden.“ Hier können junge Musiker viel mehr Erfahrung sammeln als in Deutschland, wo Jazz im Alltag kaum vorkommt, sagt Susanne Alt.
Aber auch in Holland verändert sich die Jazzszene. „Seit zehn, 15 Jahren ist die DJ-Sache viel größer geworden, für mich ist das aber nicht schlimm, ich habe das schon immer gemacht. Jetzt ist halt weniger Jazz, jetzt ist halt mehr House. Ich lege selbst auf und produzierte Stücke zum Auflegen.“ Die ehernen Kategorien des Jazz haben Susanne Alt ohnehin nie besonders interessiert. Sie macht Musik, die sie selbst gerne hören will, und sieht sich dabei eher auf der tanzbaren Seite.
„Der intellektuelle Jazz, der vorgibt völlig frei zu sein, ist ja eigentlich nur scheinfrei, weil immer irgendein Konzept dahintersteckt.“
So hat Susanne Alt auch keinerlei Problem damit, kommerzielle Musik zu machen, wenn sie verlangt wird. Etwa bei einem Auftritt im Würzburger Golfclub. „Ich steh da drauf. Wie haben denn die Maler ihr Geld verdient? Irgendwelche hässlichen Adligen porträtiert. Das eigentliche Werk haben sie in ihrer Freizeit geschaffen. Bei Musikern war und ist es genauso.“
Nach fünf Jazzalben hat Susanne Alt im vergangenen Jahr „Saxify“ vorgelegt – ein Album ganz in der Tradition der von ihr verehrten Helden des Rhythm and Blues und des Funk wie George Clinton, James Brown, Maceo Parker, Fred Wesley.
Auf der Bühne mit den legendären J.B.'s
Die Resonanz ist groß, sagt Susanne Alt, es kommen Rückmeldung aus der ganzen Welt, aus Südafrika etwa. Eine Radiostation im Nigerdelta spielt den Titelsong besonders oft.
Fred Wesley hatte schon 2009 auf einer Einspielung mitgewirkt, und als er Susanne Alt bat, auf Tournee für seinen festen Saxofonisten einzuspringen, stand sie plötzlich mit den J.B.'s auf der Bühne – der ehemaligen Band von James Brown. „Da stand da zum Beispiel der Bassist, der mit James Brown ,I feel good' eingespielt hatte. Das war unglaublich cool.“ Ein paar etwas ausführlichere Soundchecks mussten reichen, um sich in diesen ganz speziellen Südstaaten-Groove reinzufühlen. Es hat funktioniert, wie man auf Youtube nachprüfen kann. Susanne Alt in einer Reihe mit Fred Wesley, Gary Winters, Phillip Wack und – wie üblich ein wenig abseits – Gitarrist Reggie Ward. Ihr typischer, dichter und doch geschmeidiger Altsaxofon-Sound fügt sich nahtlos ein. „Das ist wie beim Barock, man muss einfach die Stilistik kennen“, sagt sie trocken, „one of the guys werde ich aber nie werden, schon allein, weil ich eine Frau bin.“
Einige der Guys haben aber im Gegenzug auf „Saxify“ mitgewirkt, etwa der Trompeter Gary Winters und vor allem Fred Wesley höchstselbst. „Wir hatten genau einen Studiotag am Ende einer Tour. Ich dachte, Fred ist vielleicht müde. Aber in diesen Situationen ist sein Ansatz am besten, weil er gut eingespielt ist.“ Sie hatte alle elf Arrangements akribisch vorbereitet und probeeinspielen lassen, um zu sehen, ob sie funktionieren. Sie haben funktioniert. „Ich dachte, wir schaffen vielleicht vier oder fünf Songs, aber Fred hat neun oder zehn gespielt, weil er die Musik so cool fand“, erzählt Susanne Alt mit erkennbarem Stolz.
Das 33. Jazzfestival der Jazzinitiative Würzburg findet am 28. und 29. Oktober im Felix-Fechenbach-Haus in Grombühl statt. Am Samstag spielen Tobias Christl Wildern, Christian Muthspiel & Steve Swallow und Black Project. Am Sonntag dann Susanne Alt, Distances und The Bootyjive. Beginn ist jeweils 19 Uhr. Vorverkauf: Tourist-Info im Falkenhaus, Buchladen Neuer Weg. Die Sonntagsmatinee entfällt, einige Kandidaten des Nachwuchswettbewerbs zogen ihre Bewerbung zurück.