Er zählt zu den populärsten Figuren des deutschen Kabaretts – oder doch eher zu den bekanntesten Spaßmachern der nationalen Comedyszene? Ihm selbst ist der Unterschied zwischen den beiden Bühnengenres völlig egal, „wurscht“, wie er es zu formulieren pflegt. Dem Publikum bietet Michael Mittermeier mit seinen nun auch schon 48 Jahren weiter eine quirlige Mixtur aus arg ernsten und ziemlich witzigen Stoffen; im Interview nennt’s der Oberbayer – geboren in Dorfen – eine „wüste Mischung“. In sein Programm „Blackout“ jedenfalls startet er inhaltlich am Morgen nach einer zechfreudigen Betriebsfeier – am Mittwoch, 8. Oktober, präsentiert er die sich daraus ergebenden Folgeschäden in der Würzburger s.Oliver Arena. Michael Mittermeier lebt mit Gattin Gudrun und seiner ebenfalls schon kabarettistisch verarbeiteten sechsjährigen Tochter Lilly in Pullach bei München.
FRAGE: Wie geht’s denn Ihrer Tochter Lilly, Herr Mittermeier?
MICHAEL MITTERMEIER: Der geht’s gut. Warum fragen Sie?
Weil Sie der Vorsitzende eines stark mit Kabarett verbundenen, tauberfränkischen Kunstvereins vor Lillys Geburt 1998 im Fernsehen über Kinder hatte sprechen hören und meinte, er habe selten einen Menschen mit einem solch ausgeprägten Kinderwunsch erlebt. Er schrieb Ihnen daraufhin einen Brief…
MITTERMEIER: . . . an den ich mich nicht erinnern kann. Wahrscheinlich hat mein Management den Brief herausgefiltert, ist ja unmöglich, alles selber zu lesen. Und Quatsch ist es außerdem, ich würde meinen Kinderwunsch seinerzeit als ganz normal einstufen.
Derselbe Vorsitzende hatte Sie bereits Anfang der Neunziger im Bockshorn zu Sommerhausen, in Ihren künstlerischen Anfangsjahren, beobachtet – und war zum Resultat gelangt, den jungen Mittermeier für seine Bühne nicht zu buchen. Er notierte, Sie seien eher ein Schauspieler und stünden nicht wirklich präsent hinter Ihren Gags.
MITTERMEIER: Das mag sein Gefühl gewesen sein, ist aber sein Bier und genauso Quatsch. Es gab auch mit 27 keine Nummer, hinter der ich nicht gestanden habe. Das war immer alles von mir, immer echt ich.
Ein paar Jahre später fand besagter Vorsitzender dann auch prompt, dass Sie unter dem Einfluss von Bockshorn-Chef Mathias Repiscus zu großer Klasse herangereift seien. Als er Sie nun buchen wollte, hieß es aber, dass dies den Rahmen seines kleineren Saales sprengen würde.
MITTERMEIER: Tja, schade für ihn. Ich bin jahrelang herumgetingelt und dabei auch oft vor zwölf Leuten aufgetreten. Da wäre ich gerne gekommen.
Und wie war das mit Mathias Repiscus? Er hat ja die Karrieren auch etlicher kabarettistischer Berufskollegen mitgeformt.
MITTERMEIER: Der Mathias ist ein kabarettistischer Qualitätsmensch, ja, das ist er. Wenn er sagt, etwas ist gut, dann ist es gut. Und wenn er sagt, das und das ist blöd oder uninteressant, dann liegt er damit einfach richtig. Ich hab' unter ihm viel gelernt, Ordnung reinzubringen, ohne dass darunter mein anarchistisches Spiel oder die Komik leiden würden. Er brachte mir die Bühnenschlagkraft bei, als ich noch nicht gefunden hatte, was ich suchte, und am Ausprobieren war. Auch mein aktuelles Programm „Blackout“, mit dem ich ja auch in Würzburg antrete, habe ich im vergangenen Jahr als Vorpremiere bei ihm im Bockshorn laufen lassen. Wenn er etwas lobt, kann man froh darüber sein.
Nach den ersten Eindrücken scheint’s, als würden Sie nach ein paar etwas sozialkritischeren Jahren zum Comedy-Format zurückkehren.
MITTERMEIER: Blödsinn! Ach, auf der ganzen Welt interessiert sich niemand für den angeblichen Unterschied von Kabarett und Comedy. Den Unterschied gibt es nicht. Bloß in Deutschland wird darüber ständig gelabert, Journalisten unterscheiden zwischen den sozialen Aspekten und den witzigeren Nummern. Ich hab' den Pfad der Komik doch nie verlassen und biete auch diesmal eine wüste Mischung aus Alltag, globalem Zeug, einer gewissen Menge Politik und aktuellem Tagesgeschehen. So wie’s reinläuft, läuft’s raus. Vor allem ist da kein Abend gleich.
Also werden wir auch von der AfD als den „Arschlochkindern für Deutschland“ hören?
MITTERMEIER: Klar, wenn mir an dem Abend danach ist.
In Ihrer Live-Präsenz profitieren und leben Sie stark von Ihrer auch mit 48 noch vorhandenen jugendlichen Mimik und Ausstrahlung.
MITTERMEIER: Ich bin nicht jünger, als ich bin, und glaube auch nicht, dass ich jünger wirke. Was Sie meinen, ist meine ungebrochene Lust an der Sache, meine Energie, die ich reinpowere. Bei mir bedeutet jedes Programm irgendwie Bewegung ohne Angst vor irgendwas, ich finde jeden Auftritt vor Publikum als Allererstes einfach super.
Und haben sich auf diese Weise zu einer Art Führungskraft des deutschen Kabaretts emporgeschwungen.
MITTERMEIER: Führungskraft? Das ist mir wurscht. Ich hab' inzwischen halt jede Menge Erfahrung und meinen Stil, fühle mich gut dabei und mische Politik und Comedy, wie es mir passt. Und wenn einer daherkommt und sagt, der Mittermeier ist doch ein Arschloch, ist mir das auch nicht wichtig. Man kann es eh nicht allen recht machen.
Gibt’s Kontakte zu den unterfränkischen Kabarettgrößen Frank-Markus Barwasser alias Pelzig und Urban Priol?
MITTERMEIER: In „Neues aus der Anstalt“ bin ich mehrmals gewesen. Die Kontakte sind da, man sieht sich lediglich zu selten.
Stimmt das Gerücht mit Bono? Der Sänger der Rockband U2 soll sich – es war ebenfalls in Ihrer Anfangszeit – bei einem Konzert gitarristisch verhaspelt und gefragt haben, ob jemand im Publikum besser spielen könne. Sie meldeten sich und brachten „People get ready“ neben dem Meister einwandfrei zu Ende.
MITTERMEIER: Das stimmt. Was nicht stimmt, ist das Gerede, das sei das Initial für mich gewesen, mit meiner Bühnenlaufbahn zu starten. Ich war zu der Zeit längst live unterwegs.
Aber die Freundschaft zu Bono besteht.
MITTERMEIER: Vor eineinhalb Jahren war es auch für mich eine ziemlich tolle Überraschung, als er mich bei meinem Auftritt in London in einem dunklen, kleinen Club besuchte. Das war schon schön, und ich bin sehr dankbar dafür. Ich halte es irgendwie für Kismet, auf seinem Weg besonderen Menschen zu begegnen, und so war ich öfters mit Bono und Bob Geldof unterwegs, gerade bei den Live-Aid-Anlässen. Es ist etwas Besonderes, dass ich speziell diese beiden gut kennenlernen durfte. Auch wenn etliche Leute gerade diese beiden wiederum für Prediger halten, das geht mir völlig vorbei.
Von den beiden haben Sie ja auch das künstlerisch-soziale Engagement ein wenig abschauen können.
MITTERMEIER: Sie meinen da etwa meine englischsprachigen Auftritte in Südafrika in den Townships und die Doku, die ich darüber und über das Land und über die Menschen in den Townships gemacht habe? Es wird meistens zu viel gelabert und nichts getan. Zu helfen widerspricht dem Comedy-Dasein nicht. Am Ende des Tages musst du raus in die Welt, da zählt nur, was du machst.
Also schwanken Sie doch zunehmend zwischen der ernsten und der witzigen Rolle.
MITTERMEIER: Noch einmal: Solches Denken gibt es nur bei uns und ist mir völlig egal.
Da doch in München in diesen Tagen das Oktoberfest läuft, erinnern wir uns zum Abschluss an Ihren Vorschlag einer Kiffer-Wiesn, wo anstelle von Bier nur Joints verkauft würden und die Veranstaltung gleich lustig, aber friedlicher wäre . . .
MITTERMEIER: . . . und ich war letzte Woche ganz normal auf der Wiesn. Ich muss da keine 15 Mal hin, aber ein-, zweimal bin ich jedes Jahr gerne dort. Das Oktoberfest ist für mich als Oberbayer, und zwar exakt so wie es ist, einfach ein Teil meiner Kultur, ein Teil meiner Historie. Dass dort dann die Japaner allen Ernstes glauben, sie müssten Lederhosen mit Reißverschluss tragen – jeder muss selbst wissen, wie er sich zum Affen macht
„Blackout“ in Würzburg
Michael Mittermeier gastiert mit seinem Programm „Blackout“ am Mittwoch, 8. Oktober, um 20 Uhr in der Würzburger s.Oliver Arena.
Karten: Tel. (09 31) 60 01-60 00
Vom Programm erscheint am 17. Oktober eine Einzel- (ca. 130 Minuten) und eine Doppel-DVD (ca. 250 Min.) bei Sony Music Entertainment/Spaßgesellschaft.