Mehr als 100 Bücher hat Gerhard Zwerenz geschrieben – von Romanen über Krimis und Kinderbücher bis zu erotisch-pornografischen Texten. An etwas ganz Großem werkelt er nun seit Jahren im Internet. „Die Verteidigung Sachsens und warum Karl May die Indianer liebte“ heißt der skurrile Titel des inzwischen auf 3500 Seiten angeschwollenen Weblog-Romans. Auch noch im hohen Alter arbeitet der seit vielen Jahren in Hessen beheimatete Sachse unermüdlich. Am 3. Juni wird Zwerenz, der in Oberreifenberg im Hochtaunus lebt, 90 Jahre alt. In seinem Leben hat der Querkopf Zwerenz, der in den 1970er Jahren zu den bekanntesten Autoren der westdeutschen Linken gehörte, schon so manche Volte gedreht. 1925 in Gablenz als Sohn eines Ziegeleiarbeiters und einer Textilarbeiterin geboren, macht er nach der Volksschule eine Lehre als Kupferschmied. 1942 meldet er sich freiwillig zur Wehrmacht. Zwei Jahre später desertiert er.
In der DDR kann der auf seine proletarische Herkunft stets stolze Zwerenz von 1952 bis 1957 mit Sonderreifeprüfung beim berühmten jüdisch-marxistischen Philosophen Ernst Bloch in Leipzig studieren. Zwerenz geht zum Stalinismus auf Distanz und wird 1957 aus der SED ausgeschlossen. Er geht in den Westen, um sich Jahrzehnte später nach der Wende wieder der alten Heimat zuzuwenden.
Für die SED-Nachfolgepartei PDS sitzt Zwerenz dann von 1994 bis 1998 im Bundestag – und beklagt das „Ausbluten des Ostens“. Seinen Frust als Abgeordneter hat Zwerenz in einem Buch („Krieg im Glashaus oder der Bundestag als Windmühle“) verarbeitet. Die in Fragmenten angelegte sächsische Autobiografie ist ins Stocken geraten. Zwerenz muss sich nach einem schweren Sturz Anfang des Jahres erst regenerieren, wie seine Frau berichtet. Ingrid Zwerenz ist selbst Schriftstellerin und oberste Lektorin ihres Manns.
Der will sein Großwerk fortsetzen, wenn es die Gesundheit zulässt. Im Januar ist er beim „52. Nachruf“ angekommen. „Merkel, Troika, Akropolis und Platon“ heißt dieser plastisch – ein echter Zwerenz-Titel.