Auf den Dr. verzichten wir an dieser Stelle. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt – ein Name, eh schon mächtig genug, um jede Scrabble-Runde zu sprengen. Und nötig ist der Zusatz sowieso nicht. Müller-Wohlfahrt ist der Doktor der Nation. Er kümmert sich um jedes Zwicken der Stars und ist selbst zur Berühmtheit aufgestiegen. In seiner Praxis in der Münchner Innenstadt geht die Prominenz aus Sport, Fernsehen, Musik und Politik ein und aus. Müller-Wohlfahrt ist so etwas wie der Messias unter den Orthopäden. Sein Wirken umgibt eine Aura des Übernatürlichen. „Ich sehe mit den Fingern“, behauptet Müller-Wohlfahrt in einem Interview. Keiner kann Verletzungen ertasten wie er. Woher dieses Talent kommt? „Ich glaube an eine Fügung.“
Die Verbindung zum Spirituellen ist ihm in die Wiege gelegt. Sein Vater ist Pfarrer in einer Gemeinde in Ostfriesland. Er wünscht sich den jüngsten der drei Söhne als Nachfolger. Als sich Hans-Wilhelm für ein Medizinstudium entscheidet, ist der Papa enttäuscht. Er stirbt an einem Herzinfarkt, noch bevor Müller-Wohlfahrt Karriere macht. Erst als Mannschaftsarzt bei Hertha BSC Berlin, ab 1977 bei den Bayern. Seit mehr als 20 Jahren sprintet er auch für die deutsche Nationalmannschaft mit wehendem Haar auf das Feld.
„Mull“, so sein Spitzname, hat das früher stiefmütterlich behandelte Feld der Sportmedizin salonfähig gemacht. Manche Kollegen betrachten seine Arbeit trotzdem kritisch. Weil er alternative Methoden einsetzt. Und weil er sein Wissen vermarktet, unter anderem als Buch-Autor. Doch als Geschäftsmann hat Müller-Wohlfahrt keinen Erfolg. Mehrere Medien deckten auf, dass er in finanziellen Schwierigkeiten steckt. Seine Firma, die unter anderem Nahrungsergänzungsmittel verkauft, ist offenbar verschuldet. Auch das Vorhaben, weltweit Kliniken mit seinem Namen zu eröffnen, scheiterte. Der öffentlichkeitsscheue Arzt kann mit Patienten umgehen, nicht mit Geldgebern. Laut „Spiegel“ verärgerte er Investoren, weil ihm jede Zerrung wichtiger sei und er sich zu Terminen unpassend kleidete. Er und seine Frau Karin fielen zudem auf betrügerische Berater herein. Ihr Ferienhaus in Südfrankreich unterhalten sie weiter.
Geht es um seinen Beruf, weiß Müller-Wohlfahrt, was er will. 2015 kündigte er nach 38 Jahren bei den Bayern, nachdem ihm Trainer Pep Guardiola eine Mitschuld an Niederlagen gab. Heute wird „Mull“ 75. Ans Aufhören denkt er nicht. Zur Arbeit, bis zu 14 Stunden täglich, radelt er. Zum Ausgleich geht der Ex-Leichtathlet joggen. Sohn Kilian, Arzt und liiert mit Model Lena Gercke, steht als Nachfolger bereit. Und Tochter Maren machte mal Schlagzeilen als Partnerin von Lothar Matthäus. Foto: dpa