Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Meinung
Icon Pfeil nach unten
Leitartikel
Icon Pfeil nach unten

Würzburg: Kommentar: Geschlechterkampf an Muttertag

Würzburg

Kommentar: Geschlechterkampf an Muttertag

    • |
    • |
    Sonntag ist Muttertag: Pünktlich zum Fest hat der Lebensmittelkonzern Edeka einen Werbespot herausgebracht, der Männer ziemlich kopflos erscheinen lässt. 
    Sonntag ist Muttertag: Pünktlich zum Fest hat der Lebensmittelkonzern Edeka einen Werbespot herausgebracht, der Männer ziemlich kopflos erscheinen lässt.  Foto: Sergei Grits, dpa

    Frühstück machen kann er nicht: Papa lässt das Baby schreien und den Smoothiemaker explodieren. Frisieren geht auch nicht: Papa fieselt sich stundenlang durch Mädchen-Langhaar, anstatt dem Kind die Mähne einfach durchzubürsten. Beim Spielen draußen pfeffert Papa dem Töchterchen den Basketball mit Schmackes an die Schläfe; Tochter heult. Sogar abends beim Vorlesen versagt Papa. „Danke, Mama, dass du nicht Papa bist“, sagt in einem umstrittenen Muttertagswerbespot von Edeka das Kind zur Mutter.

    Die Werber haben den Mütterwunsch nach Anerkennung kapiert und Muttertagsbalsam produziert.

    Klar verhonepiepelt das Video Väter; klar ist es gemein zum Mann. Aber dieser Muttertagswerbespot ist dennoch genial. Weil er dadurch, dass er Papas scheitern lässt, den Wert der vielen kleinen alltäglich, allwöchentlich, jahrelang anfallenden Mütteraufgaben betont. Die sieht ja keiner! Dass der Brei fürs Baby genießbar ist, die Haare des Kindes nicht filzen, das Kind draußen spielt, genug Liebe und seine Einschlafgeschichte kriegt ­- dafür sorgen Mütter meist, ohne dass diese vielen Tätigkeiten groß gewürdigt würden. Die Kids nehmen es für selbstverständlich, die Ehemänner manchmal auch. Die Gesellschaft sowieso; das darf man angesichts des niedrigen Mütterrentennivaus durchaus behaupten. 93 Euro jährliches Rentenplus für maximal drei Kindererziehungsjahre spiegelt nicht ansatzweise die tägliche Kindererziehungsmühe. Dass viele der unterbezahlten Mütter gerade für die stundenraubenden Routinepflichten Anerkennung vermissen, oft danach hungern, das haben die Werber kapiert und für Muttertagsbalsam genutzt.

    „Sind heutige Mütter wirklich noch so altmodisch, dass sie am Muttertag Dank wollen?“, hat eine kinderlose Kollegin gefragt.

    Ja, schon. Vermutlich sehnen sich Mütter auch heute noch nach  Anerkennung, weil die Familienarbeit auch heute altmodisch rollenspezifisch läuft: In der Regel arbeiten Väter nach  zwei Elternzeit-Vätermonaten Vollzeit weiter, während die Mütter ihre bezahlte Arbeit reduzieren und die unbezahlte Arbeit steigern.  Und wer jetzt einwendet, dass doch niemand die Mütter zur Teilzeit zwingt, dass sie doch mit Hilfe von Kitas, Kinderfrauen, Horten, voll weiter arbeiten könnten, der kennt weder die Energie von Kindern noch die Grenzen der Belastbarkeit bei Eltern. Dass Vollzeitkarrieren beider Eltern möglich sind, ist eine Milleniumsmär, die außer Ministerin Ursula von der Leyen niemand glaubt. Aber warum eigentlich teilen sich deutsche Elternpaare die unbezahlte Familienarbeit immer noch nicht fair auf?

    Nicht Werbespots zementieren Geschlechterrollen, sondern Gesellschaftsstrukuren.

    Diese Frage, vor Jahren heiß diskutiert, ist offenbar so unlösbar, dass sie heute kaum noch angesprochen wird. Wenn der Edeka-Muttertagsspot dafür sorgt, dass Mütter- und Väterrollen wieder stärker hinterfragt werden, dann wäre das ein positiver Effekt. Angeschaut wird der Spot oft: Schon 1,5 Millionen Menschen haben ihn aufgerufen; für ein Werbevideo ist das ein hoher Wert.

    Klar kommen Papas in dem Spot als Volltrottel rüber. Zuschauer, die einwenden, dass Väter im wahren Leben oft genauso gut kämmen, kochen und vorlesen können wie Mütter, haben natürlich Recht. Was allerdings die in Foren oder von Medien viel geäußerte Kritik betrifft, derzufolge der Spot überholte Geschlechterrollen zementiere, Väter abwerte und den Muttertag vergifte, ist vollkommen unsinnig. Nicht 1:18-Minuten-Spots zementieren Geschlechterrollen, sondern Gesellschaftsstrukturen. Außerdem sind die Video-Väter dermaßen tollpatschig, verfressen oder verschnarcht, dass klar sein muss, dass das Werbevideo auch Parodie-Anteile hat. Also ein Muttertagsbalsam-Video plus Humor? Ist auf jeden Fall besser als Pralinen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden