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Leitartikel: Entrüstung muss Konsequenzen haben

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Leitartikel: Entrüstung muss Konsequenzen haben

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    Leitartikel: Entrüstung muss Konsequenzen haben
    Leitartikel: Entrüstung muss Konsequenzen haben

    Wenn sich jemand entrüstet, dass am Coburger Schlachthof – wie das Gericht am Mittwoch feststellte – nicht ordentlich gearbeitet worden ist, dann kann man ihm getrost vorwerfen: Das ist unehrlich. Und zwar deshalb, weil nur ein winziger Teil der deutschen Bevölkerung konsequent auf Fleisch verzichtet, die Masse aber entweder weiter das Spiel von Gier und Geiz zwischen Produzenten und Kunden betreibt. Oder nur eine Teilzeitverantwortung übernimmt, als Teilzeit-Vegetarier.

    Damit keine Missverständnisse aufkommen: Kein Mensch muss Vegetarier werden. Aber Entrüstung ist nur redlich, wenn sie Konsequenzen hat. Wortsinn der Entrüstung ist nämlich, die Fassung zu verlieren und einen neuen Rahmen für das Handeln suchen. Die Erkenntnis, dass der nötig ist, vermitteln nicht nur Lebensmittelskandale. Wie rüde wir mit unseren Nutztieren umgehen, ist hinlänglich bekannt.

    Wer da noch Fleisch isst, muss das mit gehaltvollen Argumenten verteidigen. Vegetarier tun sich leicht, auf der guten Seite zu sein. Ihre Zahl nimmt denn auch gewaltig zu, in den vergangenen acht Jahren um etwa 100 Prozent. Mit denen, die sich rein vegan ernähren und denen, die noch Fisch essen, machen sie allerdings immer noch nur etwa vier Prozent der Bevölkerung aus.

    Das ist nicht viel und passt gar nicht zum überbordenden Angebot an vegetarischen Speisen und Kochbüchern, die inzwischen sogar schon beim Discounter in den Regalen liegen. Gefühlt ist mindestens die Hälfte der Deutschen Vegetarier.

    Das sehen offenbar selbst knallhart rechnende Ökonomen von Fleischverarbeitern wie Wiesenhof (selbst schon wegen grausamer Verstöße gegen das Tierschutzrecht in den Schlagzeilen) und Rügenwalder Mühle so. Sie werfen neuerdings Veggie-Aufschnitt auf den Markt und träumen davon, damit Rekordumsätze zu erzielen. Rügenwalder erwartet schon im nächsten Jahr, 30 Prozent des Gesamtumsatzes mit fleischlosen Produkten zu machen – vier Jahre früher als geplant.

    Vegetarismus ist offenbar ein glänzendes Geschäft. Erstaunlich, dass gleichzeitig das Geschäft mit dem Fleisch ebenso gut läuft. Das Statistische Bundesamt verkündete kürzlich: 2014 wurden in Deutschland so viele Schweine, Rinder und Hühner geschlachtet, wie nie zuvor. Das ergab 8,2 Millionen Tonnen Fleisch, 1,3 Prozent mehr als 2013. 60 Kilogramm aß davon jeder Mensch in Deutschland, 20 Kilo mehr als im weltweiten Durchschnitt und etwa 40 Kilo mehr als unsere Vorfahren im 19. Jahrhundert im Jahresdurchschnitt.

    Fleisch schmeckt eben, aber Vegetarismus gilt der Gesellschaft als gut. „Die Wurst ist die Zigarette der Zukunft“, sagte Rügenwalder-Patriarch Christian Rauffus über seine Motivation, Veggie-Aufschnitt zu produzieren. Wie das Bild des Glimmstängels unansehnlich wird, so ist Fleischkonsum sozial zunehmend unerwünscht. Immer mehr Menschen beteuern denn auch in Umfragen, künftig wenigstens manchmal auf Schnitzel und Wurst verzichten zu wollen.

    Gefühlter Vegetarismus ist eine feine Sache für die Einzelnen. Eine echte Portion weniger Fleischhunger würde auch unseren Nutztieren bekommen, ja sogar dem Weltklima. Und nur wer zu weniger Fleischkonsum bereit ist, dem kann man Entrüstung über Fleischskandale abnehmen.

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