Wenn Professor Mathias Albert, Mitautor der viel beachteten Shell-Jugendstudie, die Jugend von heute mit einem Satz umschreiben müsste, dann gerät der Satz sehr nahe an das Mantra von Bundeskanzlerin Angela Merkel heran: „Die Jugendlichen sind voller Optimismus, das Motto lautet: Wir schaffen das!“
So viel Optimismus ist wunderbar, keine Frage, aber da sind noch ein paar Dinge, die die Generation „Pragmatisch“ dringend klären müsste. So vertreten die Jugendlichen heute beim Thema Demokratie mehrheitlich die Ansicht, eine solche könne problemlos ohne Opposition funktionieren. „Okay“, so sagt Experte Albert, der auf Einladung des Bezirksjugendrings Unterfranken und der Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt von Bielefeld nach Würzburg gekommen war, „die Jugendlichen kennen es ja auch nicht anders“.
Bundeskanzlerin ist für sie im Prinzip von jeher Angela Merkel, beim Namen des Vorgängers kommen viele schon ins Schleudern. Es gibt die Große Koalition und Parteien, die sich früher mit Wonne in aller Öffentlichkeit verbal zerfetzt haben und so gar nichts miteinander gemein haben wollten, sitzen heute einträchtig beisammen und basteln an farbenprächtigen neuen Koalitionen. Widerstand, Revolte, Aufbegehren gegen gesellschaftliche Normen? Fehlanzeige! Professor Albert lächelt milde und auch nachsichtig. „Wogegen sollten sie denn aufbegehren? Eine Jeans können sie sich auch nicht als Ausdruck von Protest anziehen, die tragen ja schon alle Siebzigjährigen.“ Und die nennenswerten Bürgerproteste und Demos der jüngsten Zeit wie Stuttgart 21 oder Pegida? Tja. Auch alles schon von Rentnern besetzt. Nur ein einziges Mal hat die Generation, die so schöne Namen trägt wie „Praktikum“, „Beziehungsunfähig“ oder „Facebook“ aufgemuckt. „Das war bei der Erhebung von Studiengebühren“, sagt Professor Albert, der als Politologe an der Uni Bielefeld lehrt.
Dennoch glaubt er, einen leisen Aufbruch der seit Jahren auf dem Stand „pragmatisch“ verweilenden Generation zu vernehmen. „Es ist die Art, wie Herausforderungen angenommen werden, wie Wege gefunden werden.“ Nicht nur das politische Interesse hat seit Jahren leicht zugenommen, auch die Idealisten sind auf dem Vormarsch. Jene, die mit hohen Ansprüchen an alle Bereiche ihrer Zukunft herangehen, die Karriere, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und ein erfülltes Privatleben gleichzeitig anstreben.
Darunter befinden sich wiederum vorwiegend Mädchen und junge Frauen. Ja, sagt Albert, die Frage, ob das die eigentlichen Durchstarter in dieser Generation sind, sei durchaus berechtigt. „Ob die Frauen aber nun richtig angreifen – nun, da muss man vorsichtig sein. Der Bildungsaufstieg zeigt sich schon lange in höheren Zahlen an Gymnasiastinnen, das spiegelt sich jetzt natürlich auch im Beruf wider“, erklärt der Experte, der bei der Vorstellung und Einordnung der Zahlen und Fakten immer wieder darauf hinweist, dass man bei den Antworten klar zwischen den gesellschaftlichen Schichten unterscheiden müsse.
Jugendliche aus den mittleren und oberen Schichten sehen ihrer Zukunft und der Zukunft ihres Landes wesentlich positiver entgegen als jene aus den unteren Schichten. Insgesamt jedoch ist die Angst vor Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrisen gegenüber 2010 stark gesunken. „Die Jugendlichen realisieren, dass Deutschland gut dasteht, dass sie in diesem Land wesentlich bessere Chancen haben und sozial besser abgesichert sind als Jugendliche in anderen europäischen Ländern.“ Genau deshalb, und aus der Überzeugung heraus, Deutschland habe aus seinem politischen Erbe gelernt, hätten 77 Prozent der Jugendlichen auf die Frage „Bist du stolz, ein Deutscher zu sein?“ auch mit Ja geantwortet.
Dass das politische Interesse gestiegen ist, immerhin von 34 Prozent im Jahr 2002 auf 46 Prozent im Jahr 2015 könne man aber auch darauf zurückführen, dass durch Terrorgefahren und Krisen wie in der Ukraine die Angst vor Krieg vor die eigene Haustür gerutscht sei. Diese Ängste seien entsprechend angestiegen. Bemerkenswert und erfreulich seien die Ergebnisse bei der Frage nach Zuwanderern. Vorbehalte seien auf breiter Front rückläufig, das habe sich vor allem bei der konkreten Formulierung „Ich fände es nicht so gut, wenn folgende Menschen in die Wohnung nebenan ziehen würden“ gezeigt.
Ob Türken, ob Russlanddeutsche – egal. „Die Mehrheit findet es wichtig, dass es eine kulturelle Vielfalt im Land gibt und dass Sympathien für Nachbarn nicht von der Herkunft abhängig gemacht werden sollten.“ 29 Prozent stehen der Zuwanderung zwar kritisch gegenüber, demgegenüber stehen aber 48 Prozent, die Angst vor Ausländerfeindlichkeit haben.
Nur eine Gruppe stach in der Befragung als nicht sonderlich erwünscht in der Nachbarwohnung heraus: die Studenten-WG. Das führte nun im Hörsaal in Würzburg zu lautem Gelächter. Die Studenten in Deutschland können also nur hoffen, dass die Jugend auch diesbezüglich bei ihrem Grundmotto bleibt: Wir schaffen (auch) das!