Immer wieder montags schlägt die Stunde von Simon Kaupert. Der blonde Student ist das Gesicht von Wügida, des Würzburger Ablegers der Anti-Islam-Bewegung Pegida. Der Mann, der sich weigert, seinen Namen zu nennen, organisiert die Demonstrationen, hält Kontakt zu den Behörden – und ist der Hauptredner bei den Kundgebungen. Wenn er zu seinen Gesinnungsgenossen spricht, markiert der Student den Kämpfer für Meinungsfreiheit und Demokratie. Doch es kostet ihn sichtbar Mühe, diese Fassade durchgehend aufrecht zu halten. Immer wieder bricht plumpe Hetze in seinen Reden durch, gegen die „Lügenpresse“, gegen Politiker, die er gern mal „Verbrecher“ nennt und gegen Asylbewerber, die pauschal zu „Gewalttätern“ werden. Aber nein, er habe nichts gegen Flüchtlinge und andere Ausländer, sagt er dann, wenn er sich wieder bieder und staatstragend gibt.
So lautstark Kaupert vor seinen Gesinnungsfreunden auftritt, so kleinlaut wird er, wenn er von Journalisten angesprochen wird. Er, der sich in seinen Reden zu den „Mutigen und Ehrlichen“ zählt, weist Gesprächsanfragen der Redaktion zurück. Allenfalls könne er sich vorstellen, auf schriftliche Fragen zu antworten, lässt er einen Mittelsmann ausrichten. Ungewöhnlich für jemanden, der im Schutze seiner Anhänger regelmäßig ruft: „Wir haben die Antworten, wir haben den Weg, wir haben die Wahrheit.“
Aber einen Versuch ist es wert. Wir schicken Kaupert einen dreiseitigen Fragenkatalog zu. Wir wollen unter anderem wissen, wie alt er ist, wo er herkommt, welchen Parteien und Gruppierungen er angehört hat und angehört, welche politischen Ziele er verfolgt. Wir fragen auch, warum er zulässt, dass regelmäßig einschlägig bekannte Rechtsextremisten bei Wügida mitlaufen, warum er Bundeskanzlerin Angela Merkel und Studentenpfarrer Burkhard Hose beleidigt, warum er gegen Flüchtlinge ätzt, wie er zu der Behauptung kommt, Demonstranten gegen Wügida würden bezahlt werden. Und . . .
Dreiseitiger Fragenkatalog
Statt Kaupert meldet sich via Facebook eine „Wügida-Mediengruppe“. Man schaue sich die Fragen „mal an“, schreibt sie. Wenn sich die Gruppe mehrheitlich dafür ausspreche, werde man antworten. In einer zweiten Nachricht heißt es, man habe den Fragebogen rumgeschickt, bei der nächsten „Orga-Sitzung“ werde er „im Sinne einer bestmöglichen Beantwortung“ ein Thema sein. Die persönlichen Fragen zu „Elias“, so ein Pseudonym Kauperts im Internet, würden „höchstwahrscheinlich nicht beantwortet werden“, der Mann schätze seine Privatsphäre, sei ein „eher ruhiger Typ, keinesfalls pressegeil“. Letztlich gibt es bis Donnerstagnachmittag überhaupt keine Antwort.
Also ist die Redaktion auf andere Quellen angewiesen. Demnach stammt Simon Kaupert aus Thüringen (und nicht aus Dresden, wie zunächst vermutet). Der Mittzwanziger studiert in Würzburg Musikwissenschaft und lebt in Karlstadt (Lkr. Main-Spessart). Zeitweise hat er dort Artikel für die Lokalausgabe dieser Zeitung geschrieben, was verwundert, wenn man seine Angriffe gegen die „Lügenpresse“ hört. Der rechtsintellektuellen „Identitären Bewegung“ steht er offenbar nahe. Es gibt Hinweise, dass er früher bei der FDP aktiv war.
In den sozialen Netzwerken tritt er, versteckt hinter Pseudonymen, radikaler auf als bei den Demonstrationen. Dort gibt er vor, besorgte Bürger, Steuerzahler und „Durchschnitts-Michel“ zu vertreten. Auf Facebook wettert er gegen „wertelose Homo-Partnerschaften“ verunglimpft Muslime als „Musel“, Gegendemonstranten als „Terroristen“ und „Antifapestilenz“. In einem anderen Post brüstet er sich damit, schon mal „Farbbeutel und Eier“ gegen ein Haus geworfen zu haben, in dem „autonome Linksfaschisten“ wohnen. Da wirkt es reichlich heuchlerisch, wenn er während der Demos gegen den „Terrorismus“ zu Felde zieht, der von den Linken ausgehe, und demonstrativ den Schulterschluss mit „unseren Jungs in Uniform“ sucht, die Wügida die Meinungsfreiheit sicherten.
Widerspruch aus Bamberg
Man stehe nicht links, nichts rechts, man stehe „in der Mitte“, verkündet Kaupert seit Wochen. Gleichzeitig ist er sich für rechte Propaganda nicht zu schade. In Bamberg, so erzählte er bei der Demonstration am Montag, seien syrische Familien angekündigt gewesen, man sei auf Menschen eingestellt gewesen, denen es schlecht geht. Dann aber seien „mehrere hundert alleinstehende junge kräftige Männer“ gekommen, „denen es so gut geht, dass sie am laufenden Band Straf- und Gewalttaten begehen“. Kauperts Stimme überschlug sich: „Wir brauchen keine importierten Gewalttäter. Schickt uns Flüchtlingsfamilien und keine Verbrecher.“ Die Demo-Teilnehmer applaudierten.
Im Bamberger Rathaus ist man ob solcher Behauptungen erschrocken. „Stimmt überhaupt nicht“, sagt Ulrike Siebenhaar, die Sprecherin der Stadt. 450 Asylbewerber lebten aktuell in Bamberg. 60 Prozent seien Männer. Von mehreren hundert Alleinstehenden könne keine Rede sein, zwei Drittel der Flüchtlinge seien Familien. Die meisten stammten aus Russland, nicht aus Syrien. Laut Siebenhaar hat auch die Polizei keinerlei Auffälligkeiten registriert, geschweige denn Gewalttaten. Wie Kaupert zu seiner Darstellung kommt? Ob er den Bamberger Rechtsextremisten aufgesessen ist, die laut Polizei regelmäßig an den Wügida-Demos teilnehmen? Auch diese Frage hätte die Redaktion gerne im Gespräch geklärt.
Derweil besucht Kaupert am Mittwochabend eine Diskussionsveranstaltung der Würzburger SPD zum Thema Pegida. Kurz vor Schluss meldet er sich zu Wort. Er wolle erklären, warum die Gruppe auf die Straße gehe, sagt er. Allerdings werde er nicht seinen kompletten Namen nennen. Daraufhin entzieht man ihm das Wort.