Der folgende Beitrag sollte am Montag in der Zeitung erscheinen. Wir haben ihn weggelassen. Die Katastrophe in Japan, die die ganze Welt bewegt, verändert vieles und muss folglich Inhalte einer Zeitung stark dominieren. Auch deshalb tritt unter anderem die Affäre um den Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg in den Hintergrund. Also beschränke ich mich darauf, meine für die Zeitung vorgesehenen Zeilen, hier online nachzureichen: "In den letzten Wochen habe ich mich beim Lesen immerneuer bitterböser Zuschriften oft gefragt, was haben wir da bloß angerichtet? Hetzkampagne und sogar ein Vernichtungsfeldzug gegen den Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg werden dieser Zeitung vorgeworfen. Ich kann mich nicht erinnern, dass mir jemals zuvor in einem Fall derartige Leservorwürfe in erheblichem Ausmaß begegnet wären. Dabei erkenne ich keine Verfehlungen, die sie rechtfertigen. Verständnisgewinn stellt sich bei mir nur über das ein, was manche Autoren als „Phänomen-Guttenberg“ erklären. Ich konzentriere mich hier aber auf die geschmähte Berichterstattung und Kommentierung. Ausgelöst wurde sie durch den glaubwürdig belegten Vorwurf an einen Bundesminister, er habe für seine Dissertation in erheblichem Umfang abgeschrieben – ohne wissenschaftlich und wohl auch urheberrechtlich notwendige Quellenangaben. Bei Zeitgenossen, die nicht im Lichte der Öffentlichkeit wirken, wäre vielleicht nichts darüber berichtet worden und wenn doch, dann nicht namentlich. Bei einem Minister ist dagegen öffentliches Interesse vorauszusetzen. Er muss dem Ansehen des Amtes gerecht werden. Ob er das noch wurde, konnte nach seiner Doktorarbeit in Zweifel gezogen werden. Grund genug für Medien, zu Guttenbergs Redlichkeit in Meinungsbeiträgen in Frage zu stellen und ihm den Rücktritt nahezulegen. Das steht ihnen zu, ebenso wie ein satirischer Umgang mit ihm. Das gilt auch für überparteiliche Blätter und ist im vorliegenden Einzelfall weder links noch rechts und kein Angriff auf konservative Politik. Bei jedem anderen Minister hätten derartige Vorwürfe wohl die gleiche mediale Aufmerksamkeit ausgelöst. Ob aber mit ebenso heftigen Gegenreaktionen zu rechnen gewesen wäre, sei dahingestellt. Zu Guttenberg bleibt bei vielen Menschen eben beliebt und in ihren Augen verdienstvoll. Und, dass es auf der Welt üblere Dinge gibt als seine Dissertation, ist jedem klar. Aber gerade wiederholte Versuche, damit Verfehlungen zu verharmlosen, erhalten sie medial am Leben. Das ist dann keine Kampagne.
Mir bleibt aber das ungute Gefühl, dass die Vorwürfe mehr Misstrauen gegenüber dem Journalismus offenbaren, als es eine bewusst kritische Mediennutzung erwarten lässt. Sogar verbürgte Freiheiten der Presse, etwa die Meinungsäußerung, wollen einige darüber beschneiden. Natürlich müssen Journalisten selbst täglich für Glaubwürdigkeit sorgen. Die sollte aber eine freiheitliche Gesellschaft mit Bewusstsein für die demokratische Bedeutung von Medien und deren Freiheit annehmen.